Sakramentalien

  (5. Teil) 1. Kreuzweihe
a) Wohl kein anderes Sinnbild steht so für den christlichen Glauben bzw. symbolisiert das Christentum als Religion wie das Zeichen des heiligen Kreuzes. Weil Jesus Christus am Holz des Kreuzes drei furchtbare Stunden bitteren Leidens erlebt und dann einen schrecklichen Tod gestorben ist, um für uns durch diese Wiedergutmachung der menschlichen Sünde das Heil in Gott zu erwerben, steht dieses Zeichen stellvertretend für die gesamte christliche Offenbarungsreligion und gilt für uns, Christen, zugleich auch als die unerschöpfliche Quelle des wahren ewigen Lebens!
Die tiefe Bedeutung des Kreuzzeichens als solchen wird uns in der Heiligen Schrift an einer Stelle des Johannesevangeliums besonders deutlich und eindrucksvoll vor Augen geführt: “Wie Moses in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, nicht verloren gehe, sondern in Ihm ewiges Leben habe” (Joh 3,14f). Für die Kirchenväter und die katholische Kirche war von Anfang an klar, dass mit dieser “Erhöhung” letztendlich die Erhöhung Christi am Kreuz gemeint sein kann.
“Die Verbindung mit dem unmittelbar vorhergehenden Vers 13 liegt überdies in dem stark betonten ´Erhöhen´ des Menschensohnes. Es ist allerdings eine dem Augenschein nach sehr ungleiche Erhöhung: das Hinaufsteigen zum Himmel und Weilen daselbst (V. 13) und die Erhöhung am Kreuzesholz (V. 14). Dennoch sind beide Geheimnisse unlösbar verbunden, wie der Herr selbst nach seiner Auferstehung bezeugte: ´Musste nicht Christus dies leiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?´ (Lk 24,26.) Die Erhöhung am Kreuz ist der Weg und deshalb der tatsächliche Beginn der messianischen Verherrlichung Christi.
Beachtet dort und hier in unserem Vers das ´Müssen´. Es ist im ewigen göttlichen Ratschluss begründet, der eben Leiden und Erhöhung des Menschensohnes in einem Gesamtgeheimnis zusammengeschlossen hat, dem messianischen Erlösungsopfer, das in Leiden und Sterben vollzogen, in der Verherrlichung Christi und im Heil der gesamten ihm angeschlossenen Menschheit seinen gottgewollten und gottgeschenkten Abschluss findet.
Dies unser Heil wird hier als Gnadenfrucht der Erhöhung am Kreuz genannt, ´damit jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben habe´(V. 15). Darum ist diese Erhöhung im Vollsinn des Mysterium crucis zu nehmen, sowohl als Annagelung an das über die Erde ragende Kreuz wie als Verherrlichung des Gekreuzigten durch den vom Kreuzesopfer ausgehenden Gnadensegen der Erlösung. [...]
Die messianische Verherrlichung in der Rettung der dem ewigen Tod verfallenen Menschheit soll der typische Vorgang der Erhöhung der Schlange in der Wüste vorbedeuten. Als Gott zur Strafe für das Murren des Volkes giftige Schlangen gesandt hatte, an deren Biss viele starben, bat Moses für das Volk, und der Herr sprach: ´Mache eine eherne Schlange und richte sie auf zum Zeichen. Wer gebissen ist, und sie ansieht, soll leben´(Num 21,4-9). Von der erhöhten Schlange ging also Bewahrung vor leiblichem Tod und leibliche Heilung aus. So vom erhöhten Heiland Bewahrung vom geistigen Tod und ewiges Heil und Leben.
Dass eben die Schlange als Typus für den Gekreuzigten dienen muss, hat seinen tiefen Sinn. Die Schlange ist das Bild der Sünde, da von ihr im Paradies die Ursünde der Menschheit ausging. Am Kreuz ist der Heiland ´für uns zur Sünde´ geworden (2 Kor 5,21), indem er als Opferlamm die Sünde der Welt und mit ihr den ganzen Fluch der Sünde im Sühnetod des Kreuzes auf sich nahm und so uns davon erlöste.” (Rebstock, B., Vom Wort des Lebens. Verlag Laumann 1938, Band I, S. 92.)
So geht vom Zeichen des heiligen Kreuzes als solchen grundsätzlich eine göttliche Segenskraft aus, die den Teufel samt aller böser Geister, welche ihrerseits “wie ein brüllender Löwe” umhergehen und suchen, wen sie “verschlingen” können (vgl. 1 Petr 5,8), verjagt und Frieden mit Gott stiftet! So hängen wir ja auch in unseren Häusern und Wohnungen das Kreuz mit der Abbildung des Gekreuzigten, das so genannte Kruzifix, auf, beten vor ihm und rufen uns bei dessen Anblick die entsprechende Grundwahrheit unseres heiligen christlichen Glaubens in Erinnerung.
b) Aber damit die einzelnen Kruzifixe, die wir an die Wand hängen oder auf den Feldern aufstellen, erst jene Segenskraft erhalten, müssen sie zuvor unbedingt von einem Priester geweiht werden! (Die feierliche Segnung von Kreuzen, die zur öffentlichen Verehrung aufgestellt werden, hat in der Regel ein Bischof vorzunehmen. Dennoch kann eine solche Vollmacht einem jeden Priester übertragen werden.) Denn nur auf diese Weise wird aus einem Stück Holz, Metall oder sonstigen Materials wahrhaft das Kreuz Christi, erst durch eine solche priesterliche Segnung kann in ihm Jesus Christus verehrt und angebetet werden, kann ihm die lebenspendende göttliche Gnade entströmen!
So leitet der Priester die Kreuzweihe wie alle anderen Weihungen und Segnung mit den Worten (und der gleichzeitigen Selbstbekreuzigung) ein: “Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn”, worauf die Antwort des Ministranten folgt: “Der Himmel und Erde erschaffen hat”. Danach folgt in Vers und Antwort: “Herr, erhöre mein Gebet - Und lass mein Rufen zu Dir kommen”, “Der Herr sei mit euch - Und mit deinem Geiste”. Dann fährt der Priester mit dem ersten Segensgebet fort: “Lasset uns beten! Wir bitten Dich, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott: wolle dieses Zeichen des Kreuzes segnen, auf dass es dem Menschengeschlecht ein Mittel zum Heile sei; es diene zur Stärkung des Glaubens, zum Fortschritt in guten Werken, zur Erlösung der Seelen; es sei Trost und Schutz und Schirm gegen die grausamen Waffen der Feinde. Durch Christus, unseren Herrn.” Antwort: “Amen.”
Wie das stellvertretende Leiden und Sterben Jesu am Kreuz der ganzen Welt die Quelle des Heils ist, so möge auch “dieses Zeichen des Kreuzes” durch den priesterlichen Segen “dem Menschengeschlecht” fortan ein wirksames “Mittel zum Heile” werden. Indem ihm nun gewissermaßen die erlösende Kraft des Kreuzes Christi innewohnt, möge es alle diabolische Verunsicherung und allen zerstörerischen Zweifel vertreiben und im Glauben stärken, möge es in uns jegliches leichtsinnige und -fertige Mittelmaß und eine jede geistige Trägheit überwinden lassen und uns einen “Fortschritt in guten Werken” der Gottes- und Nächstenliebe bescheren. So erfahren wir dann “Trost und Schutz und Schirm” vor den mannigfachen Versuchungen der Unterwelt und werden auch gegen eine jegliche verschlagene List des Feindes Gottes und der Menschen im Prinzip gewappnet sein!
Das zweite Segensgebet lautet: “Segne , Herr Jesus Christus, dieses Kreuz, durch welches Du die Welt aus der Gewalt des Teufels befreit hast, und obgleich der Anstifter der Sünde bei dem Vergehen des ersten Menschen, dem Genuss der verbotenen Frucht, jubelte, hast Du ihn durch Dein Leiden überwunden. (Hier besprengt der Priester das Kreuz mit Weihwasser.) Möge dieses Zeichen des Kreuzes geheiligt werden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, auf dass alle, welche um des Herrn willen beten und sich verneigen vor diesem Kreuz, Gesundheit finden für Leib und Seele. Durch Christus, unseren Herrn. Antwort: “Amen.”
So möge nun Christus das vor dem Priester liegende Kreuz durch dessen in der Priesterweihe geweihte Hand segnen, zumal Er doch “die Welt” durch Seine uneigennützige und selbstverleugnende Ganzhingabe an den Vater am Kreuz dem verderblichen Einfluss “des Teufels” entrissen hat. Zwar hat der Satan, der doch die schwachen Menschen auf verschiedenartigste Weise zur Sünde verleitet und somit anstiftet, bereits bei der Sünde Adams und Evas größte Freude über das über die Menschheit einbrechende Verderben empfunden, zwar steigerte sich dieser höllische Jubel dann insbesondere angesichts des furchtbar leidenden und sogar um die Ergebung in den Willen des himmlischen Vaters ringenden Christus (so jedenfalls im Garten Gethsemani) sogar zu einem regelrechten Triumph über den Menschensohn. Aber dennoch erwies sich das nach rein menschlichem Ermessen sehr wohl als katastrophale Niederlage zu interpretierende Schicksal Jesu am Karfreitag als ein Ereignis, wodurch erst der Diabolus insofern “überwunden” wurde, dass er wegen der am Kreuz durch Christus geleisteten Sühne seines unbedingten Einflusses auf die Menschen verlustig ging und somit eben geistig entmachtet wurde! Und ein solcher göttlicher Segen, der vom Kreuzesleiden Christi ausgeht, möge nun durch die Weihung auch dem jeweiligen Kruzifix anhaften!
Es möge eben im Namen des Dreifaltigen Gottes “geheiligt werden”, wodurch ausgesagt werden will, dass nicht nur das betreffende Kruzifix nun als heilig anzusehen ist, sondern dass auch von ihm selbst das Heil Christi ausgehe, sofern sich der Mensch dafür im Glauben öffnet! Dann wird allen, die das Kreuz innerlich wie äußerlich verehren und vor ihm zuversichtlich beten, im Maße, wie Gott es für richtig hält, die “Gesundheit für Leib und Seele finden”! In gewissem Sinn verbürgt dies sogar Jesus Christus, unser Herr und Erlöser.
c) Die Rubriken sehen vor, dass nun der Priester sein Knie vor dem gerade geweihten und mit Weihwasser besprengten Kruzifix beugt und es in Ehrfurcht küsst. Desgleichen tut, wer will, von den Anwesenden. Selbstverständlich soll der äußeren frommen Haltung des Körpers immer auch die Einstellung unseres Herzens entsprechen.
Halten wir also das Kreuz immer in Ehren, gehen wir nie an ihm gedankenlos vorüber. Und ziehen wir den sprichwörtlichen Hut auch und gerade vor den Kreuzen auf Feldern, Fluren und in den Ortschaften, wo noch vorhanden. Mögen uns bei der Verehrung des Kruzifixes auch die folgenden Worte des hl. Kirchenlehrers Augustinus behilflich sein: “Die Schlange schaut man an, damit die Schlange ihre Kraft verliere. Wie so? Den Tod schaut man an, damit der Tod seine Kraft verliere. Aber wessen Tod? Den Tod des Lebens... Ist nicht Christus das Leben? Und doch ist Christus gestorben. Aber im Tod Christi ist der Tod gestorben, weil Er, das Leben, in seinem Tod den Tod getötet hat. Die Fülle des Lebens hat den Tod verschlungen... So werden auch wir bei unserer Auferstehung triumphierend singen: ´Wo ist, o Tod, dein Sieg, wo dein Stachel?´ Jetzt aber wollen wir, meine Brüder, zum gekreuzigten Christus aufschauen, um von unseren Sünden geheilt zu werden (Aug 12).´” (Rebstock, B., Vom Wort des Lebens. Verlag Laumann 1938, Band I, S. 93.)

P. Eugen Rissling

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