Vor 150 Jahren: Mariä
Unbefleckte Empfängnis feierlich verkündet
Als Katholiken glauben wir: Im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi
hat der liebe Gott die allerseligste Gottesmutter Maria schon vom ersten
Augenblick ihrer Empfängnis an von jeder Makel der Erbsünde bewahrt, - und
weil Maria, im Gegensatz zu Adam und Eva, dieser großen Liebesgabe Gottes
treu blieb, so wurde sie dasjenige Geschöpf, das dem Plan völlig
entsprochen hat, den Gott bei der Erschaffung der Welt und des Menschen
gehabt hat!
Deswegen wendet die heilige Kirche bei der Lesung am Fest der Unbefleckten
Empfängnis Mariens auch die Worte aus der Heiligen Schrift an, die sich
zugleich auf die göttliche Weisheit beziehen; denn bei der Schöpfung
wusste der liebe Gott schon um diese vollkommene Liebe und Hingabe Mariens,
weshalb man sagen kann, dass der liebe Gott das ganze Weltall im Hinblick
auf die durch ihr Ja-Wort ermöglichte Menschwerdung Seines Sohnes und
damit auch auf sie hin erschaffen hat: „Der Herr besaß mich schon im
Anfang Seiner Wege, bevor Er etwas schuf, von Anbeginn. Von Ewigkeit her
bin ich eingesetzt, von Urbeginn, bevor die Erde ward..." (Spr. 8,22f.).
Dieser Glaube der Kirche beginnt nicht erst im Jahr 1854 mit der
Dogmatisierung dieser Wahrheit der Unbefleckten Empfängnis Mariens! Denn
„Dogmatisierung" bedeutet in der Kirche nie die Verkündigung einer neuen
Lehre, die ab diesem Zeitpunkt in der Kirche neben dem bisherigen Glauben
einfach gelte oder ihn gar ersetze, wie es etwa die Modernisten
darstellen, welche wahre Vernunft nicht kennen und dementspechend eine
Veränderung der „Wahrheit" in der Geschichte behaupten!
Eine solche Auffassung ist ganz und gar un-katholisch und un-vernünftig!
Nach katholischer Lehre entspricht der Glaube der Vernunft, er ist
keineswegs willkürlich oder durch menschliche Interessen bedingt!
Dogmatisierung heißt nach katholischem Verständnis die feierliche
Bekräftigung einer immer schon wahr gewesenen und verkündeten
Glaubenslehre der Kirche. Der katholische, übernatürlich orientierte,
Glaube interessiert sich uneingeschränkt und allein für die Wahrheit, für
die Wirklichkeit, und zwar für die konkrete, geschichtliche, zugleich
überzeitliche und unveränderbare Wirklichkeit der Offenbarung Gottes und
Seiner unendlichen Liebe in Jesus Christus! Und da der wahre katholische
Glaube den lieben Gott als die letzte und höchste Wirklichkeit anerkennt,
nimmt er auch die menschliche Vernunft ernst, die dem Menschen als
Ebenbild Gottes geschenkt ist!
Entsprechend kann man in der heiligen Kirche Gottes nicht willkürlich
Gehorsam verlangen, wie es heute viele meinen! Ein solcher Gehorsam und
ein ihm entsprechender „Glaube" wäre nicht sittlich und auch keineswegs
heroisch, selbst wenn das so dargestellt werden sollte! Denn die
Ausrichtung auf die Wahrheit und damit auch auf die Liebe fehlt hier!
Der wahre Glaube ist und bleibt ein Gehorsam der Wahrheit und der Liebe,
nicht der Willkür oder der Lüge! Es ist ein sittlicher Gehorsam, der die
eigenverantwortliche und aufrichtige Bemühung um das Gute will und
miteinschließt!
Alles, was wir glauben, ist in der Klarheit und in der Wahrheit Gottes
verwurzelt! Das, was Gott Seiner Kirche anvertraut hat, ist die
Offenbarung Seiner Liebe, deren Echtheit Er durch viele untrügliche
Zeichen der Wahrheit und der Liebe bekräftigt!
Die Kirche bezeugt diese Liebe Gottes und gibt ihr Zeugnis durch die
Jahrhunderte weiter. Im Heiligen Geist versteht, betrachtet und bewahrt
sie die Wunder und die Geheimnisse Gottes! Ohne Ihn wäre sie dazu nicht
fähig! Und der Heilige Geist, der Tröster, führt sie immer tiefer in die
Wahrheit ein (vgl. Joh. 16,7;13), entfaltet die Schönheit und Wahrheit des
offenbarten Glaubens vor den Augen der Menschen. Nur in diesem Sinn einer
Vertiefung gibt es auch eine Entwicklung der Lehre der Kirche!
Wenn, wie es heute oft dargestellt und verstanden wird, die Kirche in der
Folge der Zeit einander widersprechende Glaubensinhalte verkünden könnte,
wäre kein vernünftiger Gehorsam, keine wahre Gottesbeziehung und keine
Gottesliebe mehr möglich!
1854, als Papst Pius IX. das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis der
allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria feierlich verkündete, war
diese Lehre allen Katholiken schon reichlich bekannt und vertraut, also
keineswegs neu!
Darauf weist Pius IX. in seinem Apostolischen Schreiben „Ineffabilis Deus"
vom 8. Dezember 1854 mit Nachdruck hin: Der Glaube an die Reinheit von der
Erbsünde der hochheiligen Jungfrau Maria vom ersten Augenblick ihrer
Empfängnis an war „schon von ältester Zeit an vorhanden , ... in den
Herzen der Gläubigen fest verwurzelt und ... durch die eifrigen Bemühungen
der Bischöfe in der katholischen Welt wunderbar verbreitet" (hier zitiert
nach der kirchlich approbierten deutschen Übersetzung, neu als Manuskript
hrsg. v. Haselböck, Karl, Wien Sobieskigasse 18, 1993, S. 4)!
Die Wahrheit dieses immer schon vorhandenen Glaubens der Kirche bestätigte
die Gottesmutter übrigens wiederholt auch selbst. Wir brauchen nur an die
berühmten, kirchlich geprüften und anerkannten Erscheinungen von Paris im
Jahre 1830, also vor der feierlichen Verkündigung des Dogmas, zu denken,
als auf den Wunsch Mariens eine Medaille geprägt wurde mit der Aufschrift:
„O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu Dir unsere
Zuflucht nehmen! Oder an die Erscheinungen Mariens in Lourdes 1858, wo
Maria sich auf die Frage nach ihrem Namen mit den Worten vorstellte: „Ich
bin die Unbefleckte Empfängnis!", und so die Dogmatisierung dieses
Glaubensgeheimnisses ausdrücklich guthieß und bestätigte.
Pius IX erwähnt, dass schon lange im Stundengebet und in der Messe am Fest
der Empfängnis Mariens „das Vorrecht der Bewahrung von der Erbsünde ganz
deutlich zum Ausdruck kommt" (a.a.O., S.5), dass schon etliche seiner
Vorgänger Ablässe gewährten und „Städten, Provinzen und Ländern
gestatteten, die Gottesmutter unter dem Titel der Unbefleckten Empfängnis
als Patronin sich zu erwählen", dass sie „Vereinigungen, Kongregationen
und fromme Bruderschaften bestätigten, die zur Verehrung der Unbefleckten
Empfängnis gegründet wurden", dass auch bisher schon „Ordenshäuser,
Krankenhäuser, Altäre und Gotteshäuser unter dem Titel der Unbefleckten
Empfängnis" mit Gutheißung der Kirche errichtet wurden usw. und dass wegen
seiner Außergewöhnlichkeit das Fest der Empfängnis Mariens mit
auffallender Feierlichkeit und Oktav begangen wurde (ebd.). Auch in der
Lauretanischen Litanei und in der Präfation wurde die Unbefleckte
Empfängnis der Jungfrau Maria ausdrücklich hervorgehoben und gepriesen
(vgl. ebd., S.6)! Pius IX. erinnert gleichfalls an die früheren Päpste:
„Streng gingen sie gegen jene vor, die zur Abschwächung der Lehre von der
Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau ... behaupteten, es werde zwar die
Empfängnis gefeiert, nicht jedoch die, welche im ersten Augenblick
erfolgte (ebd.)". Und er zitiert die Worte Papst Alexanders VII. aus der
Apostol. Konstitution SOLLICITUDO vom 8. Dezember 1661: „Von altersher ist
es die fromme Ansicht der Christgläubigen, dass die Seele der
Allerseligsten Jungfrau und Mutter Maria im ersten Augenblick ihrer
Erschaffung und ihrer Vereinigung mit dem Leib auf Grund einer besonderen
Gnade Gottes und eines besonderen Vorzuges im Hinblick auf die Verdienste
ihres Sohnes Jesus Christus, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von
aller Makel der Erbsünde rein bewahrt wurde; in diesem Sinn begeht man in
feierlicher Weise das Fest ihrer Empfängnis" (ebd.). Und Alexander VII.
seinerseits verfügte hierbei unter Berufung auf seine Vorgänger: „Wir
schließen Uns also den Bestimmungen Unserer Vorgänger an, nach denen die
Seele der seligsten Jungfrau bei ihrer Erschaffung und bei ihrer
Vereinigung mit dem Körper von der Gnade des Heiligen Geistes erfüllt und
vor der Erbsünde bewahrt wurde" (a.a.O.,S.8).
Pius IX. betont neben den Aussagen früherer Konzilien vor allem auch die
der Kirchenväter: Sie „hielten nichts für wichtiger, als ... die höchste
Heiligkeit und Würde der Jungfrau, deren Freisein von jeder Sündenmakel
und deren herrlichen Sieg über den schlimmsten Feind des
Menschengeschlechtes" im Hinblick auf das Wort, am Anfang der Heiligen
Schrift zu betonen: ‚Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem
Weibe, zwischen Deinem Sproß und ihrem Sproß‘ (Gen. 3,15)" ( A.a. O.,
S.10).
„Und schließlich fiel der Blick der Väter und der kirchlichen
Schriftsteller auf die Worte des Erzengels Gabriel, der Maria ... auf
Befehl Gottes selber als die Gnadenvolle (Lk.1,28) bezeichnete" (a.a.O.,
S.12), und auf die Worte Elisabeths: ‚Gebenedeit bist du unter den
Weibern‘ (Lk.1,42)...
So sind denn die Aussprüche der heiligen Väter über Maria nicht bloß
zahlreich, sondern auch einstimmig. Die glorwürdigste Jungfrau, an der
Gott in Seiner Macht Großes getan hat (Lk. 1,49), besitzt Gottes Gnaden
und Gaben und die Unschuld in einer solch leuchtenden Fülle, dass sie
dadurch gleichsam selber zu einem unaussprechlichen Wunder Gottes, oder
vielmehr zum Gipfelpunkt aller Wundertaten Gottes geworden ist, wie es
sich eben für die Mutter Gottes geziemte. So steht sie Gott am nächsten,
so weit dies einem geschaffenen Wesen überhaupt möglich ist, und ihre
Würde kann weder ein Lob aus Menschen-, noch aus Engelsmund erreichen ...
die Väter ... nennen sie das von aller Ansteckung der Sünde frei
gebliebene Erdreich, aus dem der neue Adam gebildet wurde; sie nennen sie
das untadelhafte, hell leuchtende, liebliche Paradies der Unschuld, ...
das unverwesliche Holz, das der Wurm der Sünde nie benagte; den stets
ungetrübten Quell, besiegelt durch die Kraft des Heiligen Geistes; den
Tempel Gottes; den Schatz der Unsterblichkeit; die einzige Tochter des
Lebens, ... die Knospe der Gnade, die immer grünt... Daher bekannten sie:
Maria sei die Wiederherstellerin unserer Stammeltern... Sie nennen Maria
... die allein Heilige, die ganz Reine an Seele und Leib; die, welche alle
Unschuld und Jungfräulichkeit übertroffen hat; die allein ganz die Wohnung
aller Gnaden des Heiligen Geistes geworden ist; ... die von Natur aus
schöner, vollendeter und heiliger ist als selbst die Cherubim und Seraphim
und das ganze Heer der Engel ... Diese Ausdrucksweisen sind ... in die
heilige Liturgie und in die kirchlichen Tagzeiten wie von selbst
eingegangen ... Die Gottesmutter wird darin angerufen ... als die immer
blühende, gänzlich reine, stets unbefleckte und immer selige Rose; sie
wird gepriesen als die Unschuld selber, die niemals verletzt wurde" (a.a.O.,
S.12ff.).
So leben denn auch wir aus diesem unverfälschten Glauben der heiligen
Kirche, lieben und verehren wir die Gottesmutter als die ganz reine Mutter
unseres Herrn Jesus Christus, als unser Vorbild, unsere Fürsprecherin,
unsere Helferin, unsere Mutter und Königin!
Lassen wenigstens wir es nicht zu, dass ihrer Liebe, ihrer Hoheit, ihrer
Demut, ihrer Vollkommenheit oder ihrer Reinheit Schmach angetan wird!
Bitten wir sie, besonders in der Not unserer Tage, als unsere Mutter, als
Überwinderin aller Häresien, als Siegerin über alle Anschläge des Bösen
und als von Gott eingesetzte Königin aller Engel und Heiligen, ohne
Unterlass und voll Vertrauen um ihre Hilfe und ihren Beistand, den sie uns
so gern gewährt und den sie uns so oft und ausdrücklich versprochen hat!
Dann werden wir nicht untergehen, sondern immer einen klaren Stern in
allen Stürmen des Meeres vor Augen haben!'
„O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu Dir unsere
Zuflucht nehmen!"
Thomas Ehrenberger
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