Messopfer und Kreuzesopfer

Angesichts der Karwoche, die wir jetzt wieder begangen haben und ganz besonders angesichts des Gründonnerstags, an dem wir die Einsetzung des hl. Messopfers durch Jesus Christus beim Letzten Abendmahl feiern, bei dem Jesus ja das Kreuzesopfer des Karfreitags in sakramentaler Weise vorweggenommen hat, wollen wir uns wieder von neuem die Frage stellen, wie sich Kreuzesopfer auf der einen und Letztes Abendmahl und Messopfer auf der anderen Seite zueinander verhalten und wie sie voneinander abhängen.

Luther kritisierte die Kirche dafür, dass sie daran festhalte, die hl.Messe sei ein wahres, reales Opfer. Die Kirche behaupte damit indirekt, Christus habe durch das Kreuzesopfer nicht ausreichend genüge getan und es müssten diesem seinem Kreuzesopfer noch weitere Opfer hinzugefügt werden.

Daher beschränkten sich Luther und seine Nachfolger auch darauf, während ihres Gottesdienstes (Messe konnte es ja nicht mehr heißen) nur des Todes Christi zu gedenken (ein Gedächtnismahl abzuhalten), ohne wirklich ein Opfer darzubringen. 

Auch die moderne postkonziliare Kirche folgt jetzt von der Tendenz her diesem Beispiel und sieht keine Notwendigkeit mehr, in der Messe ein Opfer darzubringen, da ja angeblich durch den Tod Christi alle Menschen mehr oder weniger automatisch erlöst seien und von ihrer Seite somit keine entscheidenden Voraussetzungen mehr erfüllt werden müssten. Daher sieht die Amtskirche auch keine Notwendigkeit mehr, Andersgläubige, wie z.B. Muslime oder Buddhisten, zu bekehren. Daher auch ihre Überzeugung, man müsse nicht mehr für die Bekehrung der Juden beten, wie es die katholische Kirche ja immer am Karfreitag getan hat. 

Daher auch die Änderung der Wandlungsworte von: “der Kelch meines Blutes, … das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden” in: “für euch und für alle vergossen”. 
Natürlich ist Jesus Seiner Absicht nach für alle Menschen gestorben, natürlich reichen die Verdienste Seines Leidens für alle Menschen aus, aber - wie wir weiter unten noch sehen werden - das ist nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen, sondern wirksam “zur Vergebung der Sünden” wird Christi Blut nur für die, die sein Opfer annehmen! „Annehmen“ heißt hier aber nicht bloß zuschauen und etwas über sich ergehen lassen oder sich nur daran erinnern, sondern, dass man sich mit dem Opfer der Person, die sich für uns aufopfert, vereint, sich in dieses Opfer einschließt und so selber aktiv an diesem Opfer partizipiert. 

Diese Vereinigung mit dem Opfer Jesu Christi ist aber nur möglich, wenn wir an Seinem Opfer wirklich teilnehmen und bei Seinem Opfer wirklich dabei sind, d.h. Sein Opfer muss für uns real gegenwärtig sein. 

Zur Veranschaulichung des Verhältnisses zwischen Kreuzesopfer und Messopfer hat der Priester Dr. Otto Katzer einmal das sehr hilfreiche (wenn auch angesichts eines so heiligen Geschehens unvollkommene) Bild vom Fernsehen verwendet. 

Beim Fernsehen wird ein Bild ausgestrahlt, es gibt also irgendwo (in der Sendestation) sozusagen ein “Stamm”-Bild. Wenn wir in unseren Häusern unsere Fernsehgeräte auf den richtigen Sender einstellen, können wir das Stammbild sehen, es sozusagen in unsere Zimmer holen.

So ist es auch bei der hl. Messe. Das Kreuzesopfer Christi ist das Stammbild. Wenn wir nun die Bedingungen erfüllen, die Jesus angeordnet hat, dann wird auch hier auf dem Altar das Stammopfer Christi gegenwärtig. Eine von Gott autorisierte und befähigte Person, der Priester, muss als Stellvertreter Christi die heilige Handlung vollziehen. Er muss die richtige Absicht oder Intention haben (zu tun, was Christus ihm/uns geboten hat zu tun). Er muss für das Opfer, dem Beispiel und der Anordnung Christi folgend, Brot und Wein verwenden (nicht etwa Cola oder ähnliches, wie man es bisweilen von der Amtskirche praktiziert sieht), damit sie Fleisch und Blut Christi werden. Und er muss natürlich die von Christus vorgeschriebenen Worte verwenden, um Brot und Wein in das Fleisch und Blut Christi zu verwandeln.

Es ist für uns, die wir in der Zeit leben, nicht einfach, uns die Überzeitlichkeit Gottes vorzustellen, uns bewusst zu machen, dass es bei Gott keine Zeit gibt, sondern dass Er das ganze zeitliche Geschehen praktisch als ein (!) Bild vor sich sieht. Ziehen wir aber diese Tatsache hier in Betracht, dann wird es uns auch leichter verständlich, wenn die Kirche sagt, dass Christus nur ein Opfer darbringt. Er opfert sich in alle Ewigkeit dem Vater für uns auf in einer einzigen überzeitlichen Opferhandlung und Opferhaltung. 

So kann man dann auch sagen, dass diese überzeitliche, immer stehende Opferhaltung auf unseren Altären gegenwärtig wird (vorausgesetzt, wir erfüllen die oben genannten Voraussetzungen).

Die vielen Messopfer, die waren, sind, und sein werden, sind in Verbindung mit dem Kreuzesopfer also ein Opfer, das ewig vor dem Thron Gottes dargebracht wird. 

Wenn dann dieses eine Opfer Christi in der hl. Messe gegenwärtig wird, dann können wir uns in dieses Opfer einschließen und uns mit Christus, dem Quell des Lebens, vereinigen. 

Wenn die Israeliten im Alten Bund, aber auch die Heiden, ein Opfer darbrachten, dann wurde dieses Opfer nach der Aufopferung immer zumindest zum Teil verzehrt. Denken wir nur an das Passahopfer. Nachdem das Passahlamm geschlachtet war, musste es von der Familie des Hauses, für die dieses Lamm sein Blut vergossen hatte, verzehrt werden. Das Lamm hatte wirklich für diese Familie sein Blut vergossen, denn sein Blut wurde genommen und an die Pfosten der Tür gestrichen. Daran erkannte der von Gott geschickte Würgengel, der alle männliche Erstgeburt töten sollte, dass die hier wohnenden Menschen an dem von Gott vorgeschriebenen Opfer teilgenommen hatten und zog schonend an dem Haus vorüber. So schützte das Blut des Lammes die Israeliten vor dem Zorngericht Gottes. 

Welch ergreifendes Vorbild für den stellvertretenden Sühnetod Jesu, unseres wahren Passahlammes! Die an dem Blut dieses Lammes teilhaben, und nur sie, werden verschont vor Gottes Zorn, den die Menschheit durch den Sündenfall auf sich geladen hat. Um auch zu den “Verschonten” zu gehören, müssen auch wir an dem Blut unseres Lammes Jesus Christus Anteil haben. Wir müssen uns “Zugang” verschaffen zu dem einen Opfer Jesu, indem wir dieses eine Opfer auf unseren Altären darbringen. Denn bedenken wir: nur die, die wirklich an dem in ganz Israel abgehaltenen Opfer teilhatten, indem sie nach göttlicher Anordnung selber dieses Opfer in ihren Häusern vollzogen, wurden verschont! 

Wenn Christus sein Opfer auf dem Altar in unserer Gegenwart vollzieht, dann können wir uns mit diesem Opfer vereinigen und an diesem Opfer teilnehmen, sowohl durch den geistigen, aber dann vor allem durch den sakramentalen Empfang. So sagte ja Jesus: 

“Wer Mein Fleisch isst und Mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm”. Er meinte Sein wirkliches Fleisch und Blut, in ganz realer, nicht nur in symbolischer Weise. Als die Juden sich über diese Aussage Jesu empörten und Anstoß nahmen und fragten: “Wie kann dieser uns Sein Fleisch zu essen geben?”, da nahm Jesus seine Aussage nicht zurück oder wies die Juden darauf hin, dass sie Ihn falsch verstanden hätten, dass Er nur in einem Bild gesprochen habe. Er meinte wirklich sein Fleisch und Blut. 

Wenn aber Jesus will, dass wir Sein Fleisch und Blut essen, dann heißt das, dass wir Ihn als Geopferten, ja man kann sogar sagen als Geschlachteten essen sollen. Ist es doch wesentlich für ein Opfer, dass Fleisch und Blut getrennt werden. 

So sagte ja Jesus auch nicht: “der Kelch meines Blutes, mit dem ihr genährt werden sollt”, sondern “der Kelch meines Blutes, das für euch vergossen wird”. 

Es gibt im Hebräerbrief (10,12ff) eine interessante Stelle, die den erwähnten Sachverhalt verdeutlicht. Es heißt dort: “Dieser aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht … Mit dem einmaligen Opfer hat er ein für allemal die zur Vollendung geführt, die sich heiligen lassen.”

Natürlich stimmt es, dass Christus “ein für allemal” für die Sünden aller Menschen gestorben ist. Aber es werden nur die zur Vollendung geführt, “die sich heiligen lassen”. Wer sind aber die, “die sich heiligen lassen”? 

Weiter unten im Hebräerbrief (10,15) lesen wir: “Das bezeugt uns auch der Heilige Geist. Es heißt:

‘Das ist der Bund, den Ich mit ihnen schließe nach jenen Tagen, spricht der Herr. Ich lege mein Gesetz in ihr Herz und schreibe es in ihre Seele. Ihrer Sünden und Frevel will Ich nicht mehr gedenken.’ ”

Gott hat also einen Bund mit uns geschlossen, und nur wenn wir diesem Bund angehören, gehören wir auch der Zahl derer an, “die sich heiligen lassen”. Wie können wir aber diesem Bund angehören, wenn wir nicht am Opfer dieses Neuen Bundes teilnehmen. 
Daher sagt der Hebräerbrief auch (13,10): “Wir haben einen Opferaltar, von dem die nicht essen dürfen, die dem Zelte dienen.” Also hatte man schon in der Zeit unmittelbar nach Christus keine “Mahltische”, sondern “Opferaltäre”, d.h. man war sich dessen bewusst, dass man in der hl. Messe ein wahres Opfer darbringt und von diesem Opfer isst, obwohl Jesus “ein einziges Opfer” dargebracht hat.

 

In den Prophezeiungen des Propheten Malachias finden wir beide Aspekte des Opfers des Neuen Bundes ausgedrückt , sowohl die vielen Orte, an denen es dargebracht wird, als auch die Tatsache, dass es sich nur um ein Opfer handelt, denn das “reine Speiseopfer”, von dem hier die Rede ist, kann nur das eine Opfer Jesu Christi sein, in dem sich Gott selber als reine Opfergabe aufopfert. Es heißt dort (1,10): “Kein Wohlgefallen hab Ich an euch … und keine Opfer mag Ich aus euren Händen. Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang wird mein Name groß sein unter den Völkern, und überall (im Griechischen etwas genauer: “an jedem Ort”) wird meinem Namen geopfert und ein reines Speiseopfer (auch im Griechischen Singular!) dargebracht.” 

Kreuzestod und hl. Messe sind ihrem Wesen nach also ein und dasselbe Opfer. Der einzige Unterschied ist der, dass im Messopfer Christus im Gegensatz zum Kreuzesopfer auf unblutige Weise geopfert wird. Das Messopfer ist vielmehr die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers, durch welches Jesus die Menschheit mit Gott ausgesöhnt hat - zum Zwecke der Zuwendung der Erlösungsfrüchte dieses Kreuzesopfers. Ohne Messopfer haben wir also keinen Anteil an den Verdiensten, die Jesus für uns am Kreuz erwirkt hat. 

Verinnerlichen wir uns diese Gedanken, dann wird einiges viel klarer werden und sich als Konsequenz notwendig von selber ergeben: Die hl. Messe, wenn sie ein wahres Opfer ist, hat nicht den Zweck, die Menschen zu unterhalten. Sie ist wahrer Gottesdienst, der würdigste und wertvollste, den wir Gott darbringen können. Sie ist ein wahres Lob-, Dank-, Bitt- und Sühnopfer, nicht nur eine Versammlung, ein Zusammenkommen, um des Leidens des Herrn nur mental zu gedenken. 

Wenn wir sehen, dass Gott uns Seinen Eingeborenen Sohn schenkt, damit wir Ihm unsererseits als einzig reine und wohlgefällige Opfergabe anbieten können, dann bedeutete es doch eine schwere Verachtung Gottes, wenn wir diesem Opfer an den Tagen, die dem Herrn geweiht sein sollen (Sonn- und Feiertage), fernblieben. 

Wir sehen auch, wie falsch der Vorwurf Luthers war, die hl. Messe sei ein zusätzliches und vom Kreuzesopfer verschiedenes Opfer und käme so einer Leugnung des ausreichenden Wertes des Kreuzesopfers gleich. 

Wir verstehen auch, wie falsch es war, an die Stelle von “für viele” in den Wandlungsworten “für alle” zu setzen mit der Begründung, Jesus sei ja für alle gestorben. Gereicht doch das Opfer Christi nur denen “zur Vergebung der Sünden”, die dieses Opfer insofern annehmen, als sie es durch ihr opferndes „Einstimmen“ in dieses Opfer für sich wirksam machen. 

Wenn wir sehen, wie Christus auf dem Altar für uns zum Opfer wird, indem Er sich dem Vater darbietet, damit wir eine reine Opfergabe haben, die wir Ihm anbieten können, dann dürfen wir nicht nur Ihn, sondern müssen auch uns selber mit Ihm aufopfern. Jemand sagte einmal: “Wer ein Opfer darbringt, werde selbst ein Opfer. Es schlachte sich selbst für Gott der, der am Altare die Aufopferung Christi sieht.” 


Dieser Satz gibt uns das Mittel an die Hand, wie wir der heiligen Messe möglichst andächtig und fruchtbar beiwohnen können: wir müssen die Aufopferung Christi sehen und dann selbst zum Opfer werden. 

Wie kann man aber besser die Aufopferung Christi sehen, als wenn man sich Sein Leiden vor Augen führt, “wie Er vor dem Richter steht, geohrfeigt wird, gegeißelt wird, bespuckt wird, mit Dornen gekrönt wird, geschlagen wird, wie Er ans Holz gehängt wird, am Kreuze stirbt, von einer Lanze durchbohrt wird” (hl. Petrus Damianus)? 

Versuchen wir also, immer mehr in den Geist der hl. Messe hineinzuwachsen, indem wir uns lebendig bewusst machen, dass Jesus wahrhaft gegenwärtig ist und sich für uns dem himmlischen Vater aufopfert. Gehen wir während der hl. Messe im Geiste nach Kalvaria. 


P. Johannes Heyne


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