Göttliches Heilswirken


Christus der Heiland

Der katholischen Kirche sind von ihrem Stifter Jesus Christus viele Schätze anvertraut worden. Zweifelsohne bildet aber das Hl. Meßopfer den größten davon. Kein Fest wird von der Kirche begangen, ohne daß dabei die Hl. Messe gefeiert würde. Ja sie steht im Mittelpunkt aller Feierlichkeiten und bildet den Höhepunkt jeglicher Festlichkeit. Für einen (gläubigen) Katholiken ist es unvorstellbar, etwas anderes für den eigentlichen christlichen Gottesdienst zu halten als die eucharistische Liturgie.

Unterstrichen wird dieser besondere Stellenwert der Hl. Messe durch die strenge Verpflichtung des (2.) Kirchengebotes, ihr an allen Sonn- und Feiertagen mit Andacht beizuwohnen. Die Ermöglichung der Zelebration der Hl. Messe war und ist eine der wichtigsten Sorgen und Aufgaben der Kirche. Auch unter noch so widrigen äußeren Umständen (z.B. in Zeiten der Verfolgung) war die katholische Kirche schon immer bestrebt, allen Gläubigen die Teilnahme an dem Hl. Meßopfer zu ermöglichen. Offensichtlich muß die Liturgie etwas Besonderes und Außergewöhnliches darstellen, sonst wäre ihre große Wertschätzung seitens der Kirche nicht zu verstehen, sonst könnten auch die Mühen und Strapazen der Gläubigen nicht gerechtfertigt werden, die sie auch heute bisweilen auf sich nehmen, um sie mitfeiern zu können. 

Die ganze Bedeutung erhält die Hl. Messe letztendlich dadurch, daß sie kein Menschenwerk bildet - sie ist etwas höchst Sakrales! Weder ist sie von einem (bloßen) Menschen gestiftet worden noch ist irgendein Mensch der Haupthandelnde noch ist sie dazu da, damit sich in ihr Menschen präsentieren. Nein, sie stellt ein göttliches Geschehen dar. Darin liegt ihre ganze Erhabenheit, daß Gott hier Sein eigenes Wirken vollzieht! Niemand anders als der göttliche Erlöser selbst ist es, der die Hl. Messe eingesetzt hat und in ihr Sein Wirken entfaltet. Und hierbei handelt es sich nicht um irgendwelche Belanglosigkeiten, sondern um den realen Vollzug des Heilsgeschehens! Das ganze Erlöserwirken Christi (dem Wesen nach) wird im Hl. Meßopfer vergegenwärtigt, in die jetzige Gegenwart gesetzt. Erreicht wird das durch den Umstand, daß der neutestamentarischen Priesterwürde ein spezieller Charakter innewohnt. Wir wissen, der Priester handelt in persona Christi. Somit entwickelt letzten Endes nicht ein Mensch (der Priester) irgendwelche Aktivitäten (als Wirkursache) - der Herr selbst ist es, der in und durch den menschlichen Priester uns Seine ewige Erlöserliebe real bekundet! 

Wenn z.B. das Evangelium vorgetragen wird, dann vernehmen wir nicht bloß akustisch die Wiederholung der einst gesprochenen Worte Jesu - wir sind bei dieser Verkündigung der Frohen Botschaft durch Jesus unmittelbar dabei! Die Stimme des menschlichen Priesters ist die Stimme Christi, wie Er gerade in Palästina das Volk belehrt, ermahnt und tröstet. Es ist eben nicht zufällig, daß dem Evangelienbuch (durch einen Kuß und den Weihrauch) große Verehrung erwiesen wird. Wenn der Priester dem “Heiligen Vater, allmächtigen ewigen Gott ... diese makellose Opfergabe” darbringt für seine und die der anderen “unzähligen Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten”, dann vollzieht in diesem Moment (durch den Opferwillen des Zelebranten) Christus selbst die erlösende Hingabe der eigenen Person an Seinen Vater! Trotz sonstiger Zeit- und Raumdifferenz wird der christliche Altar während der Liturgie zu Golgotha, wo unser Herr hier und jetzt Seine göttliche Liebe zum Menschengeschlecht durch Sein Leiden und Sterben unter Beweis stellt (nicht nur stellte)! Das historische Ereignis des Vollzugs der Erlösung wird in der Liturgie gegenwärtig gesetzt und aktualisiert, oder: das Hl. Meßopfer ist (dem Wesen nach) dasselbe Heilswirken Jesu Christi in Palästina vor bald zweitausend Jahren, dem wir allerdings erst heute sakramental beiwohnen! 

Und wiederum ist es niemand anders als Christus selbst, der “Brot in Seine heiligen und erwürdigen Hände nahm” und nimmt, “die Augen gen Himmel zu Dir, Gott, Seinem allmächtigen Vater erhob” und erhebt, “Dir Dank sagte” und sagt, der dieses Brot “segnete” und segnet, “es brach” und bricht, “Seinen Jüngern gab” und gibt (jedem einzelnen Zelebranten und Kommunikanten) “mit den Worten: ... Das ist Mein Leib” bzw. “Das ist der Kelch Meines Blutes ..., das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden”. Die Handlungen und Worte des Priesters sind Handlungen und Worte Jesu Christi, wie Er sie bei der Feier der ersten Hl. Messe getan bzw. gesprochen hat und heute noch tut bzw. spricht! Ebenfalls ist dann in der Hl. Hostie derselbe Herr und Heiland gegenwärtig, der so zahlreich Seine Zeitgenossen von ihren Wunden geheilt, von Gebrechen befreit und ihnen wieder Mut, Zuversicht und Hoffnung zugesprochen hat. So heilt, speist und stärkt Er durch Seine geheiligte Gegenwart nun auch uns auf unserer Wanderschaft durch das Tal der Tränen, die Er von unserem Gesicht abwischt. Wahrhaftig sucht Gott auch heute noch Sein Volk heim (vgl. Lk 7,16) und überhäuft es mit allen Gnaden, derer es bedarf! Wenn der Priester mit ausgebreiteten Händen im Gebet verweilt, dann richtet Jesus Christus (der doch auch wahrer Mensch ist) Sein heißes Flehen für Sein Volk zum Himmel empor, wie Er ganze Nächte im Gebet zugebracht hatte (vgl. Mt 14,23; Mk 6,46; Joh 6,15). Der gütige und menschenfreundliche Herr selbst spendet uns mit Seiner Rechten den göttlichen Segen! Somit darf der Hl. Messe nicht nur irgendwie beigewohnt werden, sie will von uns mit allen Fasern unseres Wesens mitgefeiert, d.h. mitgelebt werden! 

 

Das zeitlose Heilswirken - Redemptio continua

Als Wesen, die der Zeitlichkeit unterworfen sind, können wir, Menschen, solange wir in dieser Welt weilen, nie aus dem Zeitfluß ausbrechen. Dieses Nacheinander der Zeit bestimmt unser ganzes Leben: wir denken in Zeitbegriffen und tragen an alles, womit wir uns gerade beschäftigen, diesen Zeitbegriff heran. So können wir auch nicht umhin, auch Gott, der doch an sich außerhalb jeglicher Zeit steht, nach menschlicher Denkart als in der Zeit existierend aufzufassen. Dementsprechend wird von uns auch das Handeln Gottes im einzelnen als in der Zeit vollzogen betrachtet, auch solche Akte, die zeitlich gesehen vor der Erschaffung des Menschen stattfanden. 

So betrachten wir die gesamte Schöpfertätigkeit Gottes im zeitlichen Werden, als einen einzelnen zeitlichen Akt. Gott habe vor einer sehr langen Zeit die Welt erschaffen, die seitdem eben existiere. Die Betonung wird auf die Einmaligkeit dieses Wirkens Gottes gelegt. Da nun aber das Geschaffene keinesfalls aus sich selbst existieren kann (vgl. Mt 6,27), erkannten die Theologen, daß die Welt von ihrem Schöpfer nicht nur ins Dasein gerufen, sondern auch im Dasein erhalten werden muß! Gott allein sorgt dafür, daß die Schöpfung in jedem nächsten Augenblick noch existiere, und genau so existiere, wie im Augenblick zuvor. Sonst müßte der Welt schöpferische Tätigkeit zugesprochen werden - eine allein Gott zukommende Vollmacht, die die Kreatur aber wegen ihres Nicht-Gott-Seins grundsätzlich nicht besitzen kann. So entstand die Vorstellung von der creatio continua - vom ununterbrochenen Erschaffen des Weltalls. Gott spricht - zeitlich gesehen - fortdauernd dieses schöpferische “Es werde!”; Sein Schöpferwille, Sein “Ja” zum gesamten Schöpfungswerk dauert bis auf den heutigen Tag ununterbrochen an. (Biblisch kann man sich dabei auf Joh 5,17 berufen, wo es in ähnlicher Weise letztendlich um das noch nicht abgeschlossene Heilswirken Gottes geht.) 

Wie nun der Wille Gottes zur Schöpfung nicht nur einmal gesetzt worden ist, sondern - nach Menschenart gedacht - in jedem einzelnen Zeitmoment lückenlos gesetzt wird, so dauert auch der Erlösungswille Gottes an. Christus hat sich nach dem Vollzug der Erlösung vor bald zweitausend Jahren nicht sozusagen “zur Ruhe gesetzt”. Der Wille und die Absicht, die Welt zu retten, ist immer (noch) Sein eigen. Jeder einzelnen Generation von Menschen läßt Er Seine Erlösungsgnade vermitteln. In Analogie zur creatio continua kann man somit auch von einer redemptio continua, dem ununterbrochenen Heilswirken Gottes, sprechen, was Christus durch die Einsetzung der Hl. Messe in ergreifender Weise zum Ausdruck gebracht hat! 

Gott hat den an sich überzeitlichen Willen zur Erlösung des Menschengeschlechts einst in der Zeit konkret realisiert und setzt ihn nun beim Vollzug des Erlösungswerkes während der Feier der kirchlichen Liturgie sakramental fort! So wird das gesamte Heilswirken Christi, einschließlich Seines Opfers, in unserer Gegenwart vollzogen, damit es zu unserem Heil gereiche. Deswegen gab Er Seinen Aposteln bei der ersten Meßzelebration den Auftrag: “Tut dies!”, damit auch wir in der Zeit danach durch Sein Bundesblut das Heil erfahren und in Gemeinschaft mit Ihm treten können! Christus läßt durch die Gegenwärtigsetzung Seines Heilswillens und Seiner Heilstat im Hl. Meßopfer die Erlösung fortdauern und für die jeweilige Zeit aktualisieren! Der Liturgie - will man sie verstehen - darf nicht in erster Linie in kultureller, geschichtlicher oder kunsthistorischer Hinsicht begegnet werden. Zwar birgt sie auch auf diesen Gebieten große Schätze, die erschlossen werden sollten. Dennoch will sie zunächst als das erkannt werden, was sie auch hauptsächlich ist - die reale und konkrete Bekundung der sich aufopfernden Erlöserliebe Jesu Christi. Gott hat uns nicht vergessen - Er wendet sich uns auch heute noch in Seinem Erbarmen zu! 

Gott sagt durch den Propheten Malachias, daß “vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang ... überall Meinem Namen geopfert und ein reines Speiseopfer dargebracht wird” (Mal 1,11). Überall und jederzeit vergießt Christus auf den Altären der Kirche Sein Blut, wodurch Er an uns ununterbrochen Sein Heil wirkt (selbstverständlich kann hier nur an überlieferte apostolische Liturgien gedacht werden, wozu die sog. "Neue Messe" nicht gehört). Das ist eben der Sinn der täglichen Feier des Hl. Meßopfers, damit fortdauernd Sühne für unsere Sünden gewirkt wird, und den Völkern der Zugang zum Heil geöffnet bleibt. Deswegen verpflichtet die Kirche ihre Kinder zum Meßbesuch an Sonn- und Feiertagen. Dieses Gebot will nicht als (purer) Zwang aufgefaßt werden, sondern als eine eindringliche Einladung, sich nicht der konkreten Liebe Christi zu entziehen, die uns erwiesen wird! Es ist die Sorge der Kirche um das Heil der Gläubigen. Daher ist auch ein leichtfertiges und unentschuldbares Fernbleiben als eine schwere Sünde anzusehen, weil es eine grobe Mißachtung des göttlichen Erlösers und Seines Erlöserwerkes darstellt. Das 2.Gebot der Kirche läßt sich am besten mit dem Verweis auf das Heilswirken Jesu Christi in der Hl. Messe begründen und rechtfertigen. 

Daraus wird auch die Notwendigkeit der Treue zum überlieferten Meßopfer der katholischen Kirche ersichtlich, die wir unbedingt bewahren müssen. Uns darf es dabei nicht um Rechthaberei oder um stures Festhalten an alten Formen gehen, was uns gern vorgeworfen wird. Wenn die sog. “Neue Messe” nur ein Gemeinschaftsmahl mit rein mentalem Erinnerungscharakter darstellen will, dann sind wir vor Gott und den Gläubigen verpflichtet, sowohl für die Erhaltung des sakramentalen und heilbringenden Erlöserwirkens Jesu Christi im überlieferten Meßopfer der Kirche als auch für die Offenlegung der verheerenden Irrtümer, die nach der sog. “Liturgiereform” theoretisch und praktisch ihr Unwesen unter weiten Teilen der Katholiken treiben, Sorge zu tragen! 

 

P. Eugen Rissling



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