Das "Opfer" des "Novus Ordo Missae"


Einleitung

Im Laufe unserer Artikelreihe über die Liturgie der katholischen Kirche haben wir wiederholt darauf hingewiesen, daß die nach dem Vatikanum II. eingeführte sogenannte “neue Messe” keine Opferhandlung mehr darstellen, daß dieser “Novus Ordo Missae” kein Opfer des Neuen und Ewigen Bundes sein will. Die modernistische Theologie, in deren Kielwasser sich der “Novus Ordo” befindet, verkündet die Messe als ein Liebesmahl, welches an das Sterben Christi am Kreuz lediglich gedanklich erinnert. 

Da die Heilige Messe das Herzstück des katholischen Glaubens ist, spielt auch dieser Umstand eine entscheidende Rolle bei der Frage nach der theologischen Beurteilung der modernistischen Reformen. Das Heilige Meßopfer ist die Quelle der Erlösungsgnaden, die unser göttlicher Herr Jesus Christus durch Sein Leiden und Sterben für die Menschheit verdient hat. Verschließt man diese Quelle, muß bald mit der Agonie des geistigen Lebens gerechnet werden. Nun lassen sich aber beim Lesen der Texte des “Novus Ordo” gelegentlich Hinweise auf eine Opferhandlung finden. Es ist dort die Rede vom “Opfer”, von “unserem Opfer” und davon, daß die Gemeinde Gott “das Brot des Lebens und den Kelch des Heiles darbringt”. Ist vielleicht angesichts dieser Tatsachen die Kritik an der “neuen Messe” unberechtigt? Steht diese vielleicht doch in Treue zur traditionellen Lehre der katholischen Kirche über das Meßopfer? 

Zunächst ist interessant festzustellen, daß die Liturgie Pauls VI. viele Elemente der überlieferten Römischen Liturgie, die auf eine eindringliche und eindrucksvolle Weise das Opfer der Messe betonen, stark abgeschwächt oder teilweise sogar ersatzlos gestrichen hat.1 Die Frage ist, warum denn das alles überhaupt geschehen mußte. Wenn man die katholische Meßopfertheologie beibehalten wollte, warum dann diese äußerst schmerzlichen Eingriffe in den Römischen Ritus, der ja apostolischen (!) Ursprungs ist? Anscheinend wollten die Verantwortlichen innerhalb der modernen Amtskirche doch eine Gewichtsverlagerung in der Liturgie und in der Betrachtungsweise der Messe bewirken. Wenigstens diese Schlußfolgerung kann man schon jetzt ziehen. 

Nun stellt aber die “neue Messe” nicht einmal eine Reform der überlieferten Liturgie dar, was darunter auch verstanden werden mag, sondern eine Neuschöpfung! Deswegen mußte die “alte Messe” auch verboten werden. Und die Auflagen, die seit 1984 von den modernen “Hirten” gemacht werden, um innerhalb der Amtskirche die “Erlaubnis” zur Zelebration der Römischen Liturgie zu erhalten (sog. "Indultmesse"), kommen einem Hohn gleich und erinnern uns an die Methoden totalitärer Regime. Alles spricht dafür, daß es bei der “Liturgiereform” doch nicht um die Beibehaltung der katholischen Meßopferlehre gegangen ist. 

Vor allem aber ist zu fragen, ob unter demselben Begriff derselbe Inhalt gemeint ist, ob dem Terminus “Opfer” der “neuen Messe” auch dasselbe theologische Verständnis zugrunde liegt, von dem die katholische Kirche vor den “Reformen” ausgegangen ist. Diese Frage ist u. a. auch deswegen zu stellen, weil die Gläubigen in den letzten Jahrzehnten genug Erfahrung sammeln mußten, wie schnell und wie leicht eine Begriffsverdrehung durchgeführt werden kann (vgl. z.B. unsere Ausführungen über “Eucharistia” in “Beiträge”/13). Man benutzt zwar dasselbe Wort, versteht darunter aber zwei verschiedene Sachen. 

 

 “Opfer” der Römischen Liturgie

Wollen wir über das “Opfer” des “Novus Ordo Missae” sprechen, sollten wir uns zunächst dem Opferbegriff der katholischen Kirche zuwenden. Die Opferhandlung der Heiligen Messe beginnt ja mit der Opferung nach dem Credo. Der Priester hält die Patene mit der Hostie opfernd empor und betet: “Heiliger Vater, allmächtiger ewiger Gott, nimm diese makellose Opfergabe gnädig an. Dir, meinem lebendigen, wahren Gott, bringe ich, Dein unwürdiger Diener, sie dar für meine unzähligen Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten. Ich opfere sie auf für alle Umstehenden und alle Christgläubigen, für die Lebenden und Verstorbenen. Gib, daß sie mir und ihnen zum Heile gereichen für das ewige Leben. Amen.” Bei der anschließenden Darbringung des Opferweines betet er: “Wir opfern Dir, Herr, den Kelch des Heiles und flehen Dich, den Allgütigen, an: laß ihn, uns zum Segen und der ganzen Welt zum Heile, wie lieblichen Wohlgeruch vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät emporsteigen. Amen.” 

Ferner betet der Priester: “Laß uns, Herr, im Geiste der Demut und mit zerknirschtem Herzen bei Dir Aufnahme finden. So werde unser Opfer heute vor Deinem Angesicht, auf daß es Dir wohlgefalle, Herr und Gott”. Auch der einzelne Gläubige, der der Messe beiwohnt, soll sich mit dem Opfer Christi vereinigen und die Selbsthingabe vollziehen. Die Wichtigkeit dieses Umstandes wird durch seine frühe Erwähnung im Meßritus unterstrichen. Außerdem ruft der zelebrierende Priester den Heiligen Geist, den “Heiligmacher”, an, “dieses Opfer, das Deinem Namen bereitet ist”, zu segnen - Gott ist der Lebensspender, Er heiligt unser Opfer, Er ist es, der unser Opfer wohlgefällig macht. Beim Aufopferungsgebet zur allerheiligsten Dreifaltigkeit heißt es dann, sie möge “diese Opfergaben annehmen, die wir Dir darbringen zum Andenken (vgl. “Beiträge”/3, S.16 über “Gedächtnis”) an das Leiden, die Auferstehung und die Himmelfahrt” Christi und “zu Ehren” der Muttergottes und anderer Heiligen. “Diese Opfergaben” mögen “uns zum Heile gereichen”. 

Führt man sich diese Texte unbefangen vor Augen, erkennt man, was die katholische Kirche unter “Opfer” versteht. Die liturgischen Gebete allein sprechen eine deutliche Sprache, sie sind wie eine herrliche Definition des eucharistischen Opfers! Die liturgische Praxis selbst offenbart zur Genüge den Glauben der Kirche. Ein Katholik, der das Meßopfer aufmerksam mitfeiert, kann ohne viele erläuternde Worte verstehen, was in der Liturgie geschieht. Wenn sich dann der Priester gegen Ende der Opferung umdreht und die Aufforderung “Orate, fratres...” an die Gemeinde richtet, kann jeder Anwesende bereits zu diesem Zeitpunkt erkennen, was unter “meinem und eurem Opfer” zu verstehen ist, von dem in diesem Gebet die Rede ist. Und derselbe theologische Grundgedanke des Opfers, der in der Opferung zum Ausdruck kommt, zieht sich den ganzen (ferneren) Römischen Meßritus durch, welcher in seiner inhaltlichen Aussage als eine solide Einheit erscheint! 

Warum aber spricht die Kirche schon während der Opferung von den Opfergaben, als wären sie bereits in den Leib und in das Blut Christi verwandelt? Müsse man nicht die Tatsache berücksichtigen, daß die Wandlung noch nicht stattgefunden hat? Es wäre ja keine Schwierigkeit, den Gestalten von Brot und Wein nach der Wandlung die bereits zitierten Attribute (“makellos”, “heil”- bzw. “segen”-bringend) beizulegen. Aber schon vor der Wandlung? Ist dies kein innerer Widerspruch? 

Nun, die Kirche betrachtet das Meßopfer als ein Ganzes, als die besagte Einheit und nicht als eine Aneinanderreihung von Einzelteilen. Schon während der Opferung erblickt sie unter den Gestalten von Brot und Wein den göttlichen Erlöser, Der dann bei der Wandlung in ihnen gegenwärtig sein wird. Im Hinblick und in der Vorausschau auf die Wandlung werden die Opfergaben (teilweise) bereits so angesehen, als wären sie schon wesensverwandelt. Dieses Phänomen läßt sich in allen Liturgien apostolischen Ursprungs erblicken.2Außerdem kommt es der Kirche nicht einmal in den Sinn, etwas anderes als ihren göttlichen Meister als ihre eigentliche Opfergabe anzusehen (s.a. unten). Die Opferhandlung der Heiligen Messe beginnt somit bereits mit der Opferung und keinesfalls erst mit den Aufopferungsgebeten nach der Wandlung! 

Auffallend ist, daß im Römischen Meßritus an keiner einzigen Stelle die Rede von Brot und Wein als den Opfergaben der Kirche ist, aus denen ja diese Opfergaben genommen werden. Die Kirche spricht von der “makellosen Opfergabe” und vom “Kelch des Heiles”, womit sie nur Jesus Christus meinen kann, Der sich ja als erster unter den Gestalten von Brot und Wein geopfert hat. Nur einmal wird von “Brot” gesprochen (im ersten Gebet nach der Wandlung), allerdings mit dem Zusatz “des ewigen Lebens”. Auch der “Kelch” ist ein “Kelch des immerwährenden Heiles”. Damit will die Kirche sagen, daß ihre eigentliche Opfergabe nicht Elemente dieser Welt, nicht Weizenbrot und Traubenwein sind, sondern einzig und allein der eingeborene Sohn Gottes Jesus Christus - nur Er kann die Erlösung bewirken! “Brot” oder “Wein” für sich allein genommen, als bloße Naturalien, ohne einen unmittelbaren Bezug zum göttlichen Erlöser sind dem Römischen Meßritus (als Opfergaben der Kirche) völlig fremd. (Die Wendung “Er nahm Brot in Seine heiligen ... Hände” kann nicht als Gegenbeweis gelten, weil es sich hier lediglich um einen Hinweis auf die Beschaffenheit der Opfermaterie handelt.) In Analogie dazu heißt es am Fest der Erscheinung des Herrn in der Secret: “... schau ... auf die Gaben Deiner Kirche, sie bringt Dir in ihnen nicht mehr Gold, Weihrauch und Myrrhe dar, sondern Ihn selbst, den diese Geschenke versinnbilden, der jetzt unser Opfer und unsere Speise wird: Jesus Christus...” 

 

“Opfer” des “Novus Ordo Missae”

Was versteht aber die Liturgie Pauls VI. unter dem Begriff “Opfer”? In jenem Teil dieser “neuen Messe”, der “Gabenbereitung” genannt wird und der Opferung des Römischen Meßritus ähnlich erscheint, betet der Zelebrant: “Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde”; bzw. über den Kelch: “Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit. Wir bringen diesen Kelch vor dein Angesicht, damit er uns der Kelch des Heiles werde”. 

In radikaler Abweichung zu sämtlichen apostolischen Liturgien bezeichnet der “Novus Ordo” die Naturalien von Brot und Wein als ihre “Gaben”, die wert wären, vor das Angesicht Gottes gebracht zu werden, um von Ihm das Heil zu erlangen. Die Elemente dieser Welt sollen plötzlich “leben”-spendend und “heil”-bringend wirken! In einem sogenannten “Gabengebet” heißt es: “Herr, unser Gott, wir bringen das Brot dar, das aus vielen Körnern bereitet, und den Wein, der aus vielen Trauben gewonnen wird. Schenke deiner Kirche, was die Gaben geheimnisvoll bezeichnen: die Einheit und den Frieden. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.” Nicht mehr Jesus Christus erscheint als die Opfergabe der Kirche, die für uns das ewige Heil erwirkt, sondern Weizenbrot und Traubenwein! Ja es wird nicht einmal die geringste Andeutung auf den Gottesohn als die Opfergabe der Kirche gemacht. 

Es bedarf wohl keiner langen Erklärung, daß das “Gaben”-Verständnis der modernen “Gabenbereitung” in einem unüberwindlichen Widerspruch zur Meßopferlehre der katholischen Kirche steht! So hart es für die Gläubigen der modernen Amtskirche auch klingen mag, aber die “neue Messe” kehrt zum vorchristlichen und größtenteils auch heidnischen Opferbegriff zurück! Bezeichnenderweise wird auch Gott als “Schöpfer der Welt” angesprochen und nicht als ihr Erlöser. Wohlmeinende Interpreten des “Novus Ordo” bringen vor, Brot und Wein würden vor das Angesicht Gottes gebracht, damit Gott sie in Seinen Leib und in Sein Blut verwandele, und sie somit im verwandelten Zustand als die eigentlichen Gaben erscheinen. Davon ist allerdings bei der “Gabenbereitung” keine Rede, sondern nur von Brot und Wein als der “Frucht der Erde”. Wenn der amtskatholische Gläubige der “neuen Messe” beiwohnt, und der Zelebrant beim “Orate, fratres...” zum Volk von “meinem und eurem Opfer” spricht, dann erscheinen lediglich Weizenbrot und Traubenwein als die “Gaben” der modernen “Eucharistiefeier”. Jeglicher Bezug auf Christus fehlt ja gerade bei “diesem Brot” und “diesem Kelch”! 

Außerdem entsteht der Eindruck, als würde hier das liturgische “Opfer” im Sinne eines reinen Empfangens der Erlösung aufgefaßt, ohne daß sich der Mensch dem Opfer Christi (aktiv) anschließen und es mitvollziehen soll: lediglich Naturalien, die nichts mit dem Erlöserwirken Christi selbst zu tun haben, bringen wir vor Gottes Angesicht, und Er beschenkt uns dafür mit Seinem Heil. In ähnlicher Weise äußerte sich der ehemalige Theologieprofessor J.Ratzinger in dem 1967 gehaltenen Aufsatz “Ist die Eucharistie ein Opfer?”: “Christlicher Kult kann daher nicht mehr im Darbringen eigener Gaben bestehen, sondern ist seinem Wesen nach Empfangen der einmal gespendeten Heilstat Jesu Christi - also Danksagung, Eucharistie”; “das danksagende Empfangen ist die christliche Weise des Opfers”. Entweder ist nun die Heilige Messe ihrem Wesen nach ein “wahres und eigentliches Opfer” (Konzil von Trient), das auch das Opfermahl miteinschließt, oder ein bloßes “Empfangen der einmal gespendeten Heilstat Jesu Christi”. Beide Ansichten sind miteinander unvereinbar! Und es ist nicht bekannt, daß Kardinal Ratzinger seine einst gemachten Ausführungen über das “Opfer” zurückgenommen hätte. 

Diese Sicht des “Opfers” liegt dem “Novus Ordo” bis zum sogenannten “Einsetzungsbericht” vor. Ab da lassen sich plötzlich vereinzelt einige Überreste des katholischen Meßopferverständnisses finden. Unmittelbar vor diesem “Einsetzungsbericht” wird um die Herabkunft des Heiligen Geistes gebetet, damit “diese Gaben ... uns werden Leib und Blut deines Sohnes”. Danach wird im “Hochgebet II” davon gesprochen, man bringe “das Brot des Lebens und den Kelch des Heiles dar”. Im “Hochgebet III” heißt es: “So bringen wir dir mit Lob und Dank dieses heilige und lebendige Opfer dar. Schau gütig auf die Gabe der Kirche. Denn sie stellt dir das Lamm vor Augen, das geopfert wurde und uns nach deinem Willen mir dir versöhnt hat. Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes”. “Dieses Opfer unserer Versöhnung bringe der ganzen Welt Frieden und Heil.” Im “Hochgebet IV” lautet es: “So bringen wir dir seinen Leib und sein Blut dar, das Opfer, das dir gefällt und der ganzen Welt Heil bringt. Sieh her auf die Opfergabe, die du selber deiner Kirche bereitet hast, und gib, daß alle, die Anteil erhalten an dem einen Brot und dem einen Kelch, ein Leib werden im Hl. Geist, eine lebendige Opfergabe in Christus zum Lob deiner Herrlichkeit”. 

Diese Texte für sich allein genommen könnte man schon im katholischen Sinn interpretieren. Wenn da aber nicht die Begleitumstände wären, unter denen sich die “Liturgiereform” Pauls VI. vollzog! Sie verhindern, daß eine Sicherheit im Hinblick auf die rechtgläubige Auslegung dieser Texte entsteht. Zumal auch die “Hochgebete” selbst nicht eindeutig genug Auskunft geben. So lesen wir Im “Hochgebet IV”, daß Gott durch Christus “der Welt alle guten Gaben schenkt”. Es ist anzunehmen, daß es sich bei diesen “Gaben” nicht um Jesus Christus handelt, sondern ganz allgemein um die verschiedenstlichen Wohltaten Gottes. Was ist nun unter “Gaben” zu verstehen? Warum wird für zwei verschiedene, voneinander abweichende Gegenstände ohne aufklärende Erläuterung derselbe Terminus gewählt? 

Außerdem spricht dieses “Hochgebet” (vor dem “Einsetzungsbericht”) davon, daß Christus “uns die Feier dieses Geheimnisses aufgetragen hat als Zeichen des ewigen Bundes”. Ist nun die Meßfeier nur ein “Zeichen des ewigen Bundes” nach der Art eines bloßen Symbols, oder soll sie nicht vielmehr der reale Vollzug des Bundesschlusses mit dem einzelnen konkreten Gläubigen sein? (Vgl. “Beiträge”/3, S.14ff.) Die moderne “Eucharistiefeier” entwertet selbst ihre eigenen Aussagen! 

Nun ergibt sich zu diesem Zeitpunkt unserer Untersuchung ein höchst seltsames Bild. Während die Römische Liturgie durchgehend eine sprachliche und v. a. inhaltliche Einheit bildet und wie aus einem Guß die Opferanschauung der katholischen Kirche zum Ausdruck bringt, beinhaltet der “Novus Ordo Missae” eine zweifache Opfervorstellung. Zunächst - während der “Gabenbereitung” - wird das “Opfer” im heidnischen bzw. alttestamentarischen Sinn verstanden - in jedem Fall eine höchst unvollkommene Opfervorstellung! Mit dem “Einsetzungsbericht” wechselt die Opferanschauung zu einem christlichen Verständnis. Der “neue” Ritus ist in seiner inhaltlichen Aussage nicht mehr einheitlich, ja er widerspricht sich selbst in der wesentlichen Aussage! Was ist nun von einer solchen Liturgie zu halten? Zu berücksichtigen ist, daß ja ein eindeutig rechtgläubiger und einwandfreier Meßritus vorlag. Und nun wird an seiner Stelle ein “neuer” Ritus eingeführt und verpflichtend gemacht, der in seiner Grundaussage an einem gewaltigen Widerspruch “leidet”! (Es ist u. a. auch zu fragen, warum dieser Ritus so “konstruiert” wurde.) Weil er nun berechtigterweise erhebliche Zweifel an seiner Rechtgläubigkeit, weil er sogar eine unchristliche Opfervorstellung zuläßt, ist er schon allein aus diesen Gründen nicht nur entschieden abzulehnen, sondern darüber hinaus auch noch als in sich ungültig anzusehen! Dies trifft auch für dem Fall zu, daß das “Hochgebet I” (der “alte” Römische Kanon samt einigen “Korrekturen”) genommen werden sollte. Denn die “Gabenbereitung” bleibt bei allen “Hochgebeten” gleich! 

In diesem Zusammenhang wollen wir noch auf einen anderen Umstand hinweisen, der bei der Beurteilung der “Opfer”-Vorstellung des “Novus Ordo” von erheblicher Bedeutung ist. Sogar wenn man davon ausgehen wollte, daß die Opfervorstellung der “Gabenbereitung” mit der Meßopferlehre der katholischen Kirche übereinstimme - was aber der liturgische Text nicht zuläßt -, beinhaltet diese “neue Messe” eine weitere “Ungereimtheit”. Im ersten Gebet des Römischen Ritus nach der Wandlung betet der Priester: “...und bringen so Deiner erhabenen Majestät von Deinen Geschenken und Gaben ein reines Opfer dar...”. Die Kirche weiß, daß der Mensch von sich aus und auf sich allein gestellt Gott nichts vorbringen kann, was von heilsgeschichtlicher Relevanz wäre. Die Erlösung ist reine Gnade, der Mensch kann durch nichts einen Anspruch darauf erheben, als ob Gott irgendwie verpflichtet wäre, ihm Seine Gnade zu geben. 

So ist auch die Opfergabe der Kirche der Sohn Gottes, der aus lauter Güte das Lamm geworden ist, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Christus hat sich der Kirche als ihre eigentliche Opfergabe freiwillig und ungezwungen geschenkt, damit sie Sein Opfer darbringen, sich mit diesem Erlösungsopfer vereinigen und so auch an den Früchten dieser Erlösung Anteil gewinnen kann - sie opfert, aber “von Deinen Geschenken und Gaben”. Die Messe bleibt eine Opferhandlung, weil Christus auf dem Altar durch den Priester dem Wesen nach dasselbe vollbringt wie am Kreuz. Jesus Christus ist die Opfergabe der Kirche, ihr von Ihm geschenkt, damit diese Opfergabe Ihm von der Kirche zum Heil der Kirche geopfert werde. Im Hinblick auf die Urheberschaft und die Quelle des Heiles hat sie allerdings keinen Einfluß darauf bzw. Anteil daran! 

Das “Hochgebet IV” spricht von der “Opfergabe, die du selber deiner Kirche bereitet hast”. Auch wenn dieser Text im Sinn des Römischen Kanons aufzufassen wäre, entsteht in der modernen “Eucharistiefeier” (sollte auch das “Hochgebet I” genommen werden!) dennoch eine enorme Spannung, da ja bei der “Gabenbereitung” von den Gaben gesprochen wird als der “Frucht der Erde bzw. des Weinstocks und der menschlichen Arbeit”. Zwar “schenkt” uns Gott “das Brot” und “den Wein”, aber auch der Mensch habe Anteil an der Entstehung dieser “Opfergaben”. Das ist nämlich der springende Punkt! 

Natürlich ist der Mensch beteiligt an der Herstellung der Naturalien von Weizenbrot und Traubenwein, darum geht es aber hier nicht. Der “Novus Ordo” scheint die Auffassung zu vertreten, als wäre der Mensch beteiligt am Entstehen der “Opfergaben” (was darunter auch verstanden werden mag), die ja “heil”-bringend und “leben”-spendend sein sollen. Der Mensch besäße danach einen gewissen Anteil an der Urheberschaft des Heils, nicht mehr Christus allein wäre die Quelle des Heils. Gnade wäre nicht mehr reine Gnade, der Mensch hätte einen urheberischen Einfluß auf die Erlösung, wenn auch nur einen geringen! 

Dieser Punkt allein bringt die christliche Sicht des “Opfers” völlig durcheinander. Die traurige Folge ist, daß davon schließlich jede Meßfeier nach dem “Novus Ordo Missae” betroffen ist, unabhängig davon, welches der vier “Hochgebete” nun genommen wird. Ein Ritus, der in seinen wesentlichen Aussagen mit inhaltlichen Widersprüchen geradezu übersät ist, ein Ritus, der in seiner Zweideutigkeit auch eine häretische und sogar unchristliche Opfervorstellung propagiert, ein Ritus, der den Zweifel auf seine Fahnen geschrieben hat, kann doch nach kirchlichen Kriterien nicht den Anspruch erheben, Gültigkeit - hier im Hinblick auf den Vollzug des neutestamentarischen Opfers des Kirche - zu besitzen! 

Daß sich daraus weitreichende Konsequenzen für die Gläubigen, die an dieser “neuen Messe” teilnehmen, für ihre liturgische Praxis und ihr Seelenheil ergeben, liegt auf der Hand. Abschließend sei noch ausdrücklich zu betonen, daß wir uns bei diesen Ausführung darauf konzentriert haben, was die betreffenden Texte selbst aussagen, und nicht, wie man es unter Umständen gern hätte aussehen lassen. Es geht um Tatsachen, die grundsätzlich jeder Gläubige als solcher erkennen kann.

 

P. Eugen Rissling



1 Wir verweisen z.B. auf die “Kurzen kritischen Untersuchungen des neuen “Ordo Missae”, die 1969 unter der Regie von Kardinal Ottaviani und unter Beteiligung von Mgr. Gerald des Lauriers erfolgte, oder auf die Schrift: May, G., Die alte und die neue Messe. UNA VOCE 1984, S. 52-73. 
2 Liesel, N., Die Liturgien der Ostkirche. Herder 1960. So wird z.B. in der byzantinischen Liturgie während der Proskomidie, die unserer Opferung gleichkommt, mit einer Lanze in das Opferbrot u. a. auch unter den Worten gestochen: “Geschlachtet wird das Lamm Gottes, das trägt die Sünde der Welt, für das Leben und das Heil der Welt”.

 

Zurück Hoch Startseite