Das unaufhörliche Priestertum Christi!

 ■ Wenn man bei Gelegenheit (so zum Beispiel in einem der öffentlichen Verkehrsmittel) sonst unbekannte Menschen trifft und sich mit ihnen wenigstens eine gewisse Zeit lang über religiöse Fragen unterhält, muss man immer wieder feststellen, wie wenig da bisweilen echtes Wissen über die authentischen Inhalte des katholischen Glaubens vorhanden ist und wie viele unsachliche Vorurteile da gerade im Hinblick auf die Geschichte der katholischen Kirche verbreitet sind. Die heutigen liberalen Medien legen oft genug wenig bis kaum Wert auf Sachlichkeit bei Informationen in Bezug auf den katholischen Glauben und die katholische Kirche und speisen die Menschen statt dessen gern mit Halbwahrheiten und verzerrten Berichten ab. Und das wird dann von den Konsumenten dieser Medien oft leider für bare Münze genommen! So besitzen heute sogar auch viele der nominellen Katholiken oft nicht einmal elementare Kenntnisse über die Inhalte ihres Glaubens und fallen somit ebenfalls den falschen Darstellungen der liberal-modernistischen Meinungsmacher gern zum Opfer.
Wenn man die heutigen Christen zum Beispiel fragen wollte, was denn der Sinn und Zweck der hl. Messe, des Zentrums des katholischen Glaubenslebens, sei, wird man wohl auch von Seiten der offiziellen Katholiken oft die allgemeine Vorstellung zu hören bekommen, dass da halt zu Gott gebetet werde. Und so weiß man oft eben nicht, was denn in der hl. Messe (nach der Lehre der katholischen Tradition) eigentlich geschieht und worin dann auch der wesentliche Unterschied zwischen ihr und den protestantischen Gebetsversammlungen besteht. Zumal ja auch gerade der heute vorherrschende Modernismus alles unternimmt, damit die traditionell-katholische Messtheologie und Glaubensverkündigung zurückgedrängt und protestantische Sichtweisen hervorgehoben werden.
Ja, wir beten in der hl. Messe - auf der einen Seite stimmt das natürlich. Aber wir, die Katholiken, beten nicht nur einfach so in der hl. Messe. Denn unser (aufrichtiges) Beten in der hl. Messe ist im Unterschied zum (ehrlichen) Gebet eines Protestanten darüber hinaus auch noch aufs Innigste in ein bestimmtes anderes sakrales Geschehen eingebunden, welches erst nicht nur den tiefen Sinn und die heilsgeschichtliche Bedeutung der hl. Messe ausmacht, sondern auch unserem gesamten Beten eine besondere sakrale Richtung weist.
■ Im Hebräerbrief wird wie folgt sehr aufschlussreich über eine bestimmte Seite des Priestertums Christi berichtet: “In den Tagen Seines Erdenlebens hat Er unter lautem Aufschrei und unter Tränen Bitten und Flehrufe vor den gebracht, der Ihn vor dem Tode bewahren konnte. Und Er hat wegen Seiner Gottesfurcht Erhörung gefunden. Und obschon Er der Sohn Gottes war, lernte Er an Seinem Leiden den Gehorsam kennen. So vollendet, wurde Er für alle, die Ihm folgten, der Urheber des ewigen Heils und wurde von Gott als Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedech bezeichnet” (Hebr 5,7-10).
Es wird hier also in einer ausdrucksreichen wie eindrucksstarken Sprache erzählt, dass und wie Jesus auf Erden intensiv gebetet hatte. Und wenn Er dann “für alle, die Ihm folgten, der Urheber des ewigen Heils” wurde, dann bedeutet dies natürlich, dass Er “Bitten und Flehrufe” auch und gerade für jene vor Seinen himmlischen Vater “gebracht” hat, “die Ihm folgten”. Also betete Er nicht nur für sich (damit Er etwa - Seiner menschlichen Natur nach - die schweren Prüfungen und furchtbaren Leiden bestehen möge), sondern auch und gerade für die gegenwärtigen und zukünftigen Gläubigen, “die Ihm (eben) folgten”. So heißt es ja auch im so genannten hohepriesterlichen Gebet aus dem Munde Jesu ausdrücklich: “Für sie bitte Ich. Nicht für die Welt bitte Ich, sondern für sie, die Du Mir gegeben hast” (Joh 17,9); “Aber nicht nur für sie (die Apostel nämlich - Anm.) bitte Ich, sondern auch für jene, die auf ihr Wort hin an Mich glauben werden” (Joh 17,20). Somit besteht eine Seite des Priestertums Jesu darin, dass Er für die Menschen betet, dass Er für die Gläubigen nach der Art eines Vermittlers vor Seinem himmlischen Vater fürbittend eintritt!
Ferner wird im Hebräerbrief nicht nur an der obigen Stelle allein berichtet, dass Jesus “Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedech” ist. “Noch viel klarer wird die Sache, wenn nach der Art des Melchisedech ein anderer Priester (als die alttestamentarischen jüdischen Priester - Anm.) aufgestellt wird, der es nicht nach einer fleischlichen Satzung geworden ist, sondern kraft unvergänglichen Lebens” (Hebr 7,15f.). Und wenn also Jesus Priester “kraft unvergänglichen Lebens” geworden ist, dann besitzt Er nicht nur dieses “unvergängliche Leben” in sich wesenhaft und leitet es als die göttliche Quelle des Heils dementsprechend auch an die Gläubigen weiter, sondern dann dauert auch Sein Priestertum dementsprechend „unvergänglich“ - weit über die Zeit hier auf Erden hinaus, das heißt in Ewigkeit!
So schlussfolgert auch derselbe Autor entsprechend: “Hier aber ist einer, der in Ewigkeit bleibt und darum ein unvergängliches Priestertum hat” (Hebr 7,24)! Aber dieses “unvergängliche Priestertum” zu haben bedeutet bei weitem nicht, es nur einmal oder eine bestimmte begrenzte Zeit lang ausgeübt zu haben ...und es dann wie auch immer ruhen zu lassen bzw. inaktiv zu “besitzen”. Nein, ein “unvergängliches Priestertum” zu haben bedeutet, es auch entsprechend ununterbrochen auszuüben, was für den Fall des Priestertums Christi bedeutet, dass Er es eben über Seinen zeitlichen Aufenthalt auf Erden und somit generell über die Zeit hinaus praktiziert, dass Er es auch und gerade in der Überzeitlichkeit, in der Ewigkeit höchst aktiv ausübt!
So fügt dann auch der Autor des Hebräerbriefes unmittelbar hinzu: “Darum vermag Er auch vollkommen die zu retten, die durch Ihn vor Gott hintreten. Er lebt ja immerdar, um Fürsprache für sie einzulegen” (Hebr 7,25). Und bald darauf heißt es: “Die Hauptsache bei dem Gesagten ist: Wir haben einen Hohenpriester, der sich zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel niederließ. Er verrichtet den Dienst im Heiligtum, im wahren Zelt, das der Herr erbaut hat und nicht ein Mensch” (Hebr 8,1f.). Also wird hier zunächst gesagt, dass die Menschen deswegen durch Jesus “vor Gott hintreten” können, weil Er ja “immerdar lebt, um Fürsprache für sie einzulegen”. Und dann wird erläutert, dass dieser “Dienst” der inständigen Fürbitte und flehentlichen Fürsprache für die Menschen im himmlischen “Heiligtum” geradezu zu den Aufgaben Christi als “Hohepriester” (!) gehört, da Er sich ja “zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel niederließ”.
Und obwohl also Jesus hier auf Erden - und somit in der Zeit - die wahre Erlösung der Menschen “ein für allemal” bewirkt hatte (am Kreuz), “als Er sich selbst zum Opfer brachte” (Hebr 7,27), und obschon “wir kraft dieses Willens durch die Hingabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt sind” (Hebr 10,10), tritt Er in Seiner Eigenschaft als Priester dennoch auch noch im Himmel, “im wahren Zelt”, für uns fürbittend vor Seinem Vater ein. So übt Er also Sein Priestertum nicht nur einmal in der Zeit, vor fast 2000 Jahren bei Jerusalem, sondern darüber hinaus wie selbstverständlich auch noch in der Überzeitlichkeit, in der Ewigkeit des Jenseits aus: “Christus ging ja nicht in ein Heiligtum, das von Menschenhand gemacht und nur ein Abbild des wahren ist, sondern in den Himmel selbst ein, um nunmehr vor dem Angesichte Gottes für uns einzutreten” (Hebr 9,24)! Diese beiden Arten des „Eintretens für uns“ widersprechen sich nicht nur nicht, sondern ergänzen sich nach göttlichem Ratschluss wunderbar.
■ Aber wie tritt denn Jesus für uns “vor dem Angesichte Gottes” ein bzw. worin genau besteht denn jener “Dienst im Heiligtum” inhaltlich? Ist es etwa nur irgendeine formale fromme Geste oder ein rein verbales Gebet nach der Art etwa: “Bitte verzeih ihnen!” oder ähnlich? In der Geheimen Offenbarung des hl. Apostels Johannes wird uns berichtet, wie der Seher von Patmos im “Gesicht” die herrliche Erscheinung Gottes im Himmel sah, wie da nämlich “ein Thron stand, und auf dem Thron saß einer” (vgl. Offb 4). Dann erblickt er “ein Buch, das war innen und außen beschrieben und mit sieben Siegeln versiegelt”. Und da sich niemand für würdig befand, dieses “Buch zu öffnen und Einblick zu nehmen”, weinte Johannes sehr.
Dann aber wurde er getröstet, dass nämlich “gesiegt hat der Löwe aus dem Stamm Juda, der Spross Davids. Er wird das Buch und seine sieben Siegel öffnen. Da sah ich mitten vor dem Thron und den vier Wesen und mitten vor den Ältesten ein Lamm dastehen, wie geschlachtet” (vgl. Offb 5)! In der Folge dann fielen alle vor dem Lamm anbetend nieder, indem sie riefen: “Würdig bist Du, Herr, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen. Denn Du bist geschlachtet worden und hast uns durch Dein Blut losgekauft für Gott aus allen Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen” (Offb 5,9)!
Für uns hier ist wichtig festzustellen, dass das “Lamm”, welches bereits in der Zeit “geschlachtet worden” ist und die Gläubigen “durch (Sein) Blut losgekauft” hat (Perfektform!), in der Überzeitlichkeit des Himmels gewissermaßen immer noch im Opferzustand dasteht - “wie geschlachtet”.
Und das kann nur bedeuten, dass jener “Dienst” Christi “im Heiligtum” offensichtlich darin besteht, Seinem himmlischen Vater nach wie vor Seine eigene einmal auf Erden vollzogene sühneschaffende Opferhingabe als Preis der Erlösung darzubieten; dass Er insofern “vor dem Angesichte Gottes für uns“ eintritt, dass Er in der Überzeitlichkeit Gottes sozusagen fortfährt, mit Verweis auf Seinen stets gegenwärtigen und aktuellen Leidens- und Sterbensakt am Kreuz Sühne für die menschliche Schuld zu leisten und für uns Gnade und Heil zu erflehen! Denn das zeitlich vollzogene Opfer Christi am Kreuz besitzt in der Ewigkeit, wo es wohl nur eine einzige unaufhörliche Gegenwart gibt, immer seine so genannte aktive Aktualität und hört somit gewissermaßen niemals auf!
Zwar konnte die auf Erden, und somit in der Zeit, vollzogene Opferhandlung Jesu immer ihren historischen Abschluss finden, sozusagen endgültig “vollbracht” werden (vgl. Joh 19,30), in der Ewigkeit Gottes aber befindet sich das Lamm Gottes unaufhörlich im so genannten geschlachteten Zustand, das heißt, wie Er sich gerade Seinem Vater (am Kreuz) zu unserem Heil opfert! Denn die einzelnen auf Erden aufeinander folgenden zeitlichen Momente sind, mit den überzeitlichen Augen Gottes betrachtet, eine einzige Gegenwart, die niemals endet.
■ Und wenn nun ein katholischer Priester in seinem vollen Ornat vor dem Altar steht und die (überlieferte) hl. Messe feiert, nimmt er auf eine reale, wenn auch sakramental-mystische, Weise auch an jenem „Eintreten“ Christi „für uns“ im Himmel “vor dem Angesichte Gottes” teil! Wie Jesus am Kreuz mit ausgebreiteten Händen für Seine Peiniger betete: “Vater, vergib ihnen!” (Lk 23,34), so breitet Er nun beim Vollzug des hl. Messopfers Seine Arme in der Gestalt des menschlichen geweihten Priesters aus und fleht für uns (weiterhin) um Heil und Rettung!
Denn mit den eindeutig befehlenden Worten: “Tut dies zu Meinem Andenken” (Lk 22,19; 1 Kor 11,24) hat Er neben der hl. Messe auch das neutestamentliche Priestertum eingesetzt und somit die geweihten Priester auch befähigt, jenes Opfer des Neuen und Ewigen Bundes, die Quelle des Heils, in der Stellvertretung Christi, des Hohenpriesters unseres Bekenntnisses, auf unblutige Weise zu erneuern. So aktualisiert und vergegenwärtigt sich in dem jeweiligen Raum und der jeweiligen Zeit jene sühnende Hingabe des Lammes Gottes an Seinen himmlischen Vater, welche Es in der Zeit einmal auf Golgota vollbracht hat und in der Überzeitlichkeit der Ewigkeit unaufhörlich im Himmel vollzieht!
So gesehen betet die katholische Kirche sehr wohl in der hl. Messe. Aber ihr Gebet ist eingebettet in die ewige göttliche Liturgie des “Lammes Gottes, das hinweg nimmt die Sünde der Welt” (Joh 1,29), in Seine stets lebendige und nie aufhörende sühnende Liebeshingabe. So “treten” wir dann “durch Ihn vor Gott hin” und Er selbst “legt” für uns durch Sein Opfer (!) in der Person des Priesters “Fürsprache” ein (vgl. Hebr 7,25). So “erlöst” Er in der Folge “Sein Volk von seinen Sünden” (vgl. Mt 1,21) und “kauft uns durch (Sein) Blut für Gott los aus allen Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen” (vgl. Offb 5,9). Die hl. Messe ist ohne Zweifel (ebenfalls) als ein Gebet anzusehen, aber eben indem es zugleich ein echtes Opfer, das wirksamste Bittopfer ist!
Die Protestanten und in deren Schlepptau die Modernisten missachten leider die in der hl. Schrift berichtete Tatsache (obwohl sich die ersteren formal paradoxerweise ziemlich vehement auf die hl. Schrift berufen - “sola scriptura”!), dass das Priestertum Christi nicht nach Seinem historischen Leiden und Sterben praktisch aufgehört hat zu existieren, sondern in seiner Lebendigkeit und Wirksamkeit sehr wohl auch noch in der Ewigkeit bzw. Überzeitlichkeit Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes fortdauert. Somit lehnen sie auch jene himmlische Liturgie ab, die sich täglich auch und gerade auf den Altären der wahren Kirche Christi auf Erden, der katholischen, vollzieht, und schneiden sich selbst von den entsprechenden überreichen Gnaden der Erlösung ab.
Denn zwar wird nach katholischem Verständnis in der hl. Messe, die ja immer in der Zeit gefeiert wird, die numerische Einzahl des historischen Sühneleidens Jesu am Kreuz niemals gebrochen - Jesus kann nicht ein zweites oder jeweils weiteres Mal leiden und sterben! Aber in ihr kann jene historische und nach Seiner Himmelfahrt in der Ewigkeit eben fortdauernde priesterlich-sühnende Liebeshingabe für Sein Volk sehr wohl wiederholt sakramental aktualisiert und gegenwärtiggesetzt werden! Somit macht es schon einen großen Unterschied, ob jemand dem hl. Messopfer einmal, zehn Mal, hundert Mal oder regelmäßig mit Andacht und innerer Teilnahme beiwohnt oder ob er eben immer nur darauf verzichtet!
So wollen wir stets bemüht sein, unseren geistigen Blick nachhaltig zu schärfen, um das göttliche Mysterium der hl. Messe, in welcher sich ja die himmlische Liturgie des für uns ununterbrochen eintretenden „Lammes Gottes“ lebendig widerspiegelt, entsprechend intensiv mit den Augen des Glaubens erblicken und dann auch aufrichtig schätzen zu können. Und schließen wir alle unsere Gebete, die wir täglich andächtig verrichten, in das wirksame Bittopfer der hl. Messe ein, damit auch unser Gebet von Christus, dem „Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedech“, bzw. mittels des geweihten katholischen Priesters vor das „Angesicht Gottes“ gebracht werde und wir dann Erhörung finden!

P. Eugen Rissling


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