Kurze Messbetrachtung


22. Teil


16. Kanon - Wandlung (Fortsetzung) 

Und um sichtbar den eigenen festen Glauben an den hier auf dem Altar unter den Gestalten von Brot und Wein gerade gegenwärtig gewordenen Heiland zu bekunden, macht der Priester voll Ehrfurcht eine Kniebeuge, die daneben noch als ein Akt der Anbetung Christi verstanden werden will. Auch Petrus fiel einst, nach dem wunderbaren Fischfang, im Gefühl seiner Unwürdigkeit vor dem Herrn auf die Knie nieder (vgl. Lk 5,8). Indem sich der Priester somit bewusst vor Gott klein macht, will er nicht nur die Größe, Heiligkeit und Erhabenheit dessen nach außen hin unterstreichen, Der sich erniedrigte und vom Himmel herab in unserer bescheidenen Mitte erschienen ist, sondern sie in aller Aufrichtigkeit auch verehren! 

Dasselbe gilt auch von den Gläubigen, von denen, sofern sie daran nicht krankheitsbedingt gehindert sind, während des ganzen Kanon die kniende Körperhaltung erwartet wird, in jedem Fall aber während der hl. Wandlung. Und die darauf folgende Erhebung der konsekrierten Gestalten (unter Ausstrecken der Arme des Priesters) dient dem Zweck der Anbetung Jesu durch das anwesende gläubige Volk. „Die Elevation ist eine eindringliche symbolische Mahnung, mit den Augen des Glaubens auf das am Kreuz erhöhte Gotteslamm zu schauen; eine Mahnung, einen Akt des Glaubens an die Gegenwart Christi zu erwecken“ (Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Band II, Freiburg 1933, S. 183f.). 

Indem wir Christus in der Hostie und im Kelch sehen, bringen wir Ihm hingebungsvoll den Ihm geschuldeten Lobpreis, den aufrichtigen Dank und die tiefe Verehrung unseres Herzens dar und versuchen, alles das in unsere seelische Regung hineinzulegen, was einst der hl. Apostel Thomas zum Ausdruck bringen wollte, als er nach einer Woche Zweifelns den auferstandenen Heiland sehen durfte: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28)! Eingedenk aber unseres mangelhaften sittlichen Vermögens senken wir auch unser Haupt, schlagen etwa auf die Brust und bitten Ihn um die Vergebung unserer zahlreichen Sünden, wie in unseren Gegenden das gläubige Volk zu beten pflegt(e): „Jesus, sei mir gnädig; Jesus, sei mir barmherzig; Jesus, verzeihe mir meine Sünden“. Die große Stille, die währenddessen im Kirchenraum herrscht (bzw. herrschen soll), soll sich ehrfurchtgebietend auf unser Gemüt legen, diesen erhabenen Augenblick heiligen, die Selbsteinkehr und die Andacht fördern. 

In feierlichen Hochämtern sieht der Römische Messritus auch bei der Erhebung der konsekrierten Gestalten die Verwendung von Weihrauch vor. Parallel zum jeweils dreimaligen Betätigen des Glöckchens, das mit seinem hellen Klang die Feierlichkeit des Moments noch weiter steigert, wird von den Altardienern auch das Rauchfass jeweils dreimal in Richtung der erhobenen eucharistischen Opfergaben geschwungen. Der Weihrauch, der verglüht und nach oben steigt, symbolisiert eindrucksvoll die innere Haltung, die von den Gläubigen in diesem erhabenen Augenblicken eingenommen werden soll! Es ist ja hier, bei der Konsekration des Weines, die Rede vom „Kelch Meines Blutes, des Neuen und Ewigen Bundes, [...] das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“. Das Blut stellt nach dem Verständnis der biblischen, d.h. jüdisch-christlichen liturgischen Tradition den Sitz des Lebens dar. Indem also das betreffende Opfer sein Blut vergießt, soll es stellvertretend die Schuld derer tilgen, welche opfern bzw. für welche das Opfer dargebracht wird, wodurch es auch neues, von Schuld befreites Leben schafft! 

Natürlich besitzen alle vor- bzw. außerchristlichen Opfer keine sündentilgende bzw. lebenschaffende Kraft, weil nur der Gottmensch Jesus Christus das wahre „Lamm Gottes ist, das hinweg nimmt die Sünden der Welt“ (Joh 1,29.36): weil nur Er - als wahrer Gott - die grundsätzliche Fähigkeit bzw. sittliche Qualität besitzt, gültige Sühne zum Zweck der Erlösung zu vollbringen, und weil nur Er - da wahrer Mensch geworden - diese „Vergebung der Sünden“ auch für uns, Menschen, durch Sein stellvertretendes Leiden und Kreuz erwerben konnte. Wenn es aber von der Zelebration Jesu am Gründonnerstag heißt, dass es sich dabei um jenes Blut handelt, das von Christus mehrere Stunden später am Kreuz „vergossen wird“ („effundetur“ - Futurform), dann wird es eben bei den zeitlich danach erfolgenden Gegenwärtigsetzungen des Opfers Christi - den hl. Messen - ebenfalls „vergossen“! (Im ersteren Fall wird es von Christus bloß zeitlich vorweggenommen, in den anderen Fällen wird es lediglich danach aktualisiert.) Und wenn es im hl. Messopfer der Kirche hier und jetzt „vergossen wird (zur Vergebung der Sünden)“, dann wird eben hier und jetzt (!) der „Neue und Ewige Bund“, der den Alten und somit nichtigen Bund überholt, mit allen jenen wirksam konstituiert bzw. erneuert, die mittels eigener Einwilligung in das Opfer Christi (d.h. Mitopfern!) Anteil am sündentilgenden Blut Christi erlangen. „Der Sinn dieser Worte kann nur sein: der Neue Bund ist durch das Blut Christi begründet, und dieses Blut ist in dem dargereichten Kelch enthalten“ (Eisenhofer, ebd., S. 183). 

„Für euch und für viele“ bezieht sich auf die bei der Feier der ersten hl. Messe anwesenden Apostel und auf alle jene, die auf gerade geschilderte Weise über sich das Blut Christi sakramental werden fließen lassen. Es ist nämlich in den Wandlungsworten über den Kelch („... das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“) nicht die Rede vom allgemeinen Heilswillen Gottes, den Christus am Kreuz besaß, und der sich natürlich auf alle Menschen erstreckt, sondern von jenen Menschen, die in der Menschheitsgeschichte diesen „Neuen und Ewigen Bund“ konkret (!) mit sich schließen lassen, d.h. die durch ihren Hinzutritt zu Jesus Christus (Glaube, Sakramente und Messopfer!) in der Tat wirksam die „Vergebung der Sünden“ erlangen! Die präzisierende Hinzufügung „zur Vergebung der Sünden“ will nämlich so verstanden werden, dass diese „Vergebung“ wirksam-konkret erfolgt und nicht bloß allgemein für die Zukunft erhofft wird. Auch wird ja der „Neue und Ewige Bund“ effektiv-wirksam (!) nicht automatisch mit „allen“ Menschen geschlossen, ob sie nun dies wollen oder sich sogar bewusst dagegen sträuben. Sondern nur mit jenen „vielen“, die zum „Opferaltar“ Christi (vgl. Hebr 13,10) und „zum Thron der Gnade“ hinzutreten (vgl. Hebr 4,16)! 

Der Römische Katechismus lehrt dazu: „Wenn Er aber beifügte: ´für viele´, so wollte Er darunter die übrigen Auserwählten aus den Juden und Heiden verstanden wissen. Es ist also mit Recht geschehen, dass nicht gesagt wurde ´für alle´, da hier bloß von den Früchten des Leidens die Rede war, welches doch nur den Auserwählten die Frucht des Heiles gebracht hat“ (Cat. Rom. II. 4,24). Daher müssen die entsprechenden Worte in der sogenannten „neuen Messe“ Pauls VI. („für euch und für alle zur Vergebung der Sünden“) als sowohl der hl. Schrift1 und der katholischen Messtheologie als auch der ganzheitlichen liturgischen Tradition der Kirche in Ost und West widersprechend in aller Klarheit und Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Da sie den Konsekrationsworten Christi einen anderen Sinn verleihen (Begünstigung der zur Zeit populären modernistischen Allerlösungsthese), müssen sie nach der allgemeinen Lehre der katholischen Kirche als die Messzelebration ungültig machend bewertet werden! Denn in jenem Abschnitt der Rubriken des überlieferten und vom hl. Papst Pius V. promulgierten Missale Romanum, der über die Fehler bei der Messzelebration handelt, heißt es diesbezüglich unmissverständlich: „Wenn jemand von der Konsekrationsform des Leibes und Blutes aber etwas wegnehmen oder verändern würde, und bei dieser Wortveränderung die (geänderten - Anm.) Worte nicht mehr dasselbe bedeuten würden, so würde er das Sakrament nicht vollbringen.“ 

Außerdem ist es äußerst traurig, immer wieder feststellen zu müssen, dass nicht nur Gläubige, sondern sogar amtskatholische Religionsdiener nicht mehr wissen (oder oft nicht mehr wissen wollen!), dass bei den Wandlungsworten über den Kelch nicht die Rede vom allgemeinen Heilswillen Gottes ist, sondern dass es sich hier nach katholischem Verständnis um die konkrete Zuwendung der Erlösungsgnaden handelt. 

Die Konsekrationsworte des Römischen Missale über das Opferbrot („Denn das ist Mein Leib“) sind mit Ausnahme des von der Kirche angefügten erläuternden Zusatzes „enim - denn“ wortwörtlich allen vier darüber berichtenden Zeugnissen des Neuen Testamentes (Mt 26,26; Mk 14,22; Lk 22,19; 1 Kor 11,24) entnommen. Lukas und Paulus fügen lediglich den Zusatz: „der für euch hingegeben wird“ an. Die Konsekrationsworte über den Opferwein sind in ihrem ersten Teil („Denn das ist der Kelch Meines Blutes, des neuen und ewigen Bundes“) aus allen vier gerade erwähnten und untereinander unwesentlich differierenden Stellen der hl. Schrift zusammengesetzt. Der zweite Teil („das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“) stimmt wortwörtlich mit dem Text bei Matthäus und Markus überein. Die ebenfalls erläuternde Zwischenworte „Geheimnis des Glaubens“ stehen schon „im römischen Kanon des Missale von Bobbio (7. Jahrh.), im Sacramentarium Gregorianum und Sacramentarium Gelasianum. Sie mögen aus der privaten Frömmigkeit der Liturgen, die sich ganz und gar in die Tiefen des Geheimnisses der Konsekration versenkten, allmählich in den Text des Kanons Eingang gefunden haben“ (Eisenhofer, ebd. S. 183). 

Die erste Angabe über den genauen Zeitpunkt der von Jesus gefeierten hl. Messe ist in den Worten des Kanons enthalten: „Er nahm am Abend vor Seinem Leiden...“, welche sich ihrerseits an das Zeugnis des hl. Paulus anlehnen: „In der Nacht, da Er überliefert wurde“ (1 Kor 11,23). Eine weitere Präzisierung bieten die Worte: „In gleicher Weise nahm Er nach dem Mahle...“, - d.h. nach dem an diesem Tag der Ungesäuerten Brote bei den Juden üblichen Paschariten -, die so bei Lukas (Lk 22,20) und Paulus (1 Kor 11,25) stehen. Im Gebet Quam oblationem betet ja die Kirche unmittelbar vor der Konsekration der eucharistischen Opfergaben zu Gott um deren Segnung („Beiträge“/39, S. 18). Beachten wir in diesem Zusammenhang noch eine nicht unbedeutende Nuance. Es heißt ja dort, die Opfergabe möge von Gott zu einer „gesegneten, eingetragenen, gültigen, geistigen und angenehmen“ werden, „damit sie uns werde Leib und Blut Deines vielgeliebten Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus“. 

Diese Formulierung (vor allem die Finalkonjunktion „damit“) lässt erkennen, dass die Konsekration der Opfergaben, die Wesensverwandlung von Brot und Wein in den heiligen Leib und das kostbare Blut Jesu Christi von der katholischen Kirche als der absolute Höhepunkt des liturgischen Opfergeschehens angesehen wird! Erst durch die hl. Wandlung erhält demnach auch die vorangehende Opferung der Opfergaben ihren Sinn und tiefe Bedeutung. Denn ohne das Handeln, die Aktivität Gottes, ohne Sein gnädiges Eingreifen, die in der Konsekration der hl. Messe sichtbar werden, bliebe jegliche Mühe und Anstrengung des Menschen, sollte sie noch so gut gemeint sein, vergeblich und in gewisser Weise lediglich Menschenwerk. Außerdem erscheint hier die Wandlung als jenes Moment, welches bestätigt, dass die Opfergaben von Gott letztendlich angenommen werden, dass sie ihren Zweck erfüllen und ihre Bestimmung erreichen. Denn wenn Er sie schon in Seinen verklärten Leib und in Sein teures Blut verwandeln lässt, dann will das wohl auch bedeuten, dass sie Ihm durchaus wohlgefällig sind! 

 

P. Eugen Rissling



1Sämtliche Zeugnisse der Evangelisten (Matthäus, Markus, Lukas) und des Apostels Paulus verwenden „viele“ oder „euch“ und keines „alle“!

 

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