Kurze Messbetrachtung

40. Teil

25. Die Entlassungsriten

a) Wie auch sonst jede vor allem größere und bedeutungsvollere Versammlung kennt die hl. Messe ebenfalls spezielle Zeremonien der Entlassung, die den Abschluss dieser sakral-liturgischen Handlung anzeigen. Und zwar kennt seit frühester Zeit eine ganze Reihe der apostolischen Liturgien einen solchen Entlassungsteil, wobei zwar die genauen Worte variieren, der Sinn aber im Prinzip immer derselbe ist.

Nachdem also der Priester das Postcommunio-Gebet, wovon es nach den Messrubriken manchmal auch mehrere sein können, beendet hat, wendet er sich zunächst wieder der Altarmitte zu und küsst diesen erneut zum Zeichen seiner tiefen Ehrfurcht vor dieser geheiligten Stätte. Denn hier wurde auch jetzt gerade das unblutige Opfer des Neuen und Ewigen Bundes vollzogen, durch welches nicht nur dem Haus des Zöllners Zachäus, sondern der ganzen Welt das wahre und eigentliche „Heil widerfahren ist“ (vgl. Lk 19,9)!

Danach dreht sich der Zelebrant zum Volk um und begrüßt es nun zum vierten und letzten Mal direkt mit dem frommen Segenswunsch: „Dominus vobiscum - der Herr sei mit euch“. Darauf antworten die Messdiener, die Gesinnung aller anwesenden Gläubigen ausdrückend: „Et cum spiritu tuo - Und mit deinem Geiste“. Diese Grußworte sollen für uns nie zu einer leeren Floskel verkommen, an die man sich zwar sehr gewöhnt hat, die aber einem inzwischen (fast) nichts mehr sagen. Nein, erhalten wir das Bewusstsein lebendig, dass an dieser Stelle zwischen Priester und Gemeinde ein Austausch an Herzlichkeit des Glaubens erfolgt, welche Worte ja geradezu symbolhaft von dem Ausbreiten der Arme des Priesters vor seiner Brust begleitet werden, dass hier der frömmste Wunsch in Worte gekleidet wird, den es unter den Gläubigen eigentlich geben sollte: der Herrgott selbst soll nämlich immer und in allen teilweise sehr wechselhaften Lagen unseres Lebens mit uns sein und uns auf allen unseren Wegen begleiten und beschützen!

b) Nun folgt die eigentliche Entlassungsformel, die in der Römischen Liturgie bereits seit dem 7.-8. Jahrhundert in der überwiegenden Zahl der Fälle wie folgt lautet: „Ite, missa est - Gehet, ihr seid entlassen“. „Als Antwort darauf sprach schon damals das Volk: ´Deo gratias´ (= ´Gott sei Dank´), in welchem in kurzer, bündiger Weise der Dank an Gott für alle Gnaden, deren Quelle das heilige Messopfer ist, zum Ausdruck kommt. Dankbare Freude soll Priester und Volk beseelen, wenn sie, bevor sie das Gotteshaus verlassen, rückschauend sich vergegenwärtigen, was sie im Gottesdienst empfangen: Belehrung durch Lesung und Predigt, Gnade für Zeit und Ewigkeit aus dem Gebet der Kirche und namentlich aus unmittelbarer Quelle in der heiligen Kommunion (und im Opfergeschehen! - Anm.). Passend schickt es sich darum zu dieser freudigen Stimmung, dass ´Ite, missa est´ und ´Deo gratias´ in freudig bewegter, reicher Melodie vorgetragen werden“ (Eisenhofer, L., Handbuch der katholischen Liturgik. Freiburg 1933, Band II, S.218), wenn sie, wie beim Hochamt, gesungen werden.

An Tagen, an welchen Bußcharakter herrscht (vor allem in der Advent- und Fastenzeit) oder auch aus einem anderen Grund kein Gloria trifft, wird allerdings vom Priester statt des „Ite, missa est“ eine andere Entlassungsformel gesprochen bzw. gesungen: „Benedicamus Domino - Lasset uns den Herrn preisen“. Die Antwort der Ministranten fällt aber gleich aus: „Deo gratias - Gott sei Dank“. „Gott soll gepriesen werden für Seine gnadenvolle Herablassung im heiligen Opfer. Immerhin darf aber das ´Benedicamus´ mit Rücksicht auf seine Verwendung an Tagen mit Bußcharakter oder weniger festlichem Gepräge auch als eine Mahnung aufgefasst werden, in solchen Zeiten mehr denn je auch außerhalb der Messe dem Lobe Gottes zu obliegen“ (Eisenhofer, ebd., S.219).

Interessant ist, dass der Priester, während er das „Ite, missa est“ spricht, noch dem Volk zugewandt ist, während er sich aber zum „Benedicamus Domino“ wieder dem Altar zuwendet. Der Micrologus, der vielleicht beste mittelalterliche Liturgiekommentar, welcher wohl gegen Ende des 11. Jahrhunderts entstanden ist, erklärt diesen Umstand damit, dass an Festtagen die Gläubigen sich allgemein an der Messfeier beteiligten, während sich an gewöhnlichen Tagen überwiegend nur Personen des geistlichen Standes zum Gottesdienst in der Kirche einfanden, die eben mehr geistlichen Dingen als weltlichen Geschäften obliegen sollten. Durch das „Ite, missa est“ zum Volk werde diesem das Ende der Messfeier angezeigt, während der Priester beim „Benedicamus Domino“, sinnvollerweise dem Altarkreuz zugewandt, sowohl sich selbst als auch die anwesende Geistlichkeit wie Mönchsschar zum Lobe Gottes ermunterte!

Es ist durchaus möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich, dass diese Erklärung den Kern der heutigen Anweisungen des überlieferten Missale Romanum (die Entlassungsformel betreffend) beleuchtet. Jedenfalls gilt im Messbuch die Regelung, dass das „Ite, missa est“ immer dann Verwendung findet, wenn in derselben hl. Messe auch das Gloria gebetet oder gesungen wird. In Messen ohne Gloria wird somit auf das „Benedicamus Domino“ zurückgegriffen.

Eine Ausnahme von dieser Rubrikenregelung bilden nur die so genannten Seelenmessen, jene hl. Messen also, in welchen eines der speziellen Messformulare für Verstorbene benutzt und die schwarze liturgische Farbe verwendet wird. Nach dem Beginn des Introitus („Requiem aeternam dona eis, Domine...“) wird eine solche Messe auch gern Requiem oder auch Requiemsmesse genannt. In einem solchen Fall lautet die Entlassungsformel ganz im Sinne der Messfeier für das Seelenheil der Verstorbenen: „Requiescant in pace - Sie mögen ruhen in Frieden“, wobei die Antwort der Altardiener heißt: „Amen“.

Unser fromme Gebetsgruß im Hinblick auf die betreffenden verstorbenen Gläubigen ist also, sie mögen nach dem ständigen Auf und Ab des irdischen Daseins, verbunden mit viel Unruhe und zahlreichen Sorgen, die ja nur das Gemüt belasten, nun (endlich) die ewige Ruhe im Frieden Gottes finden! Dies ist gewissermaßen unser brüderliche Wunsch, den wir ihnen in aller Aufrichtigkeit mit auf den Weg in die jenseitige Welt geben. Unterstreicht ja auch die Antwort des Volkes: „Amen“, welche ja so viel bedeutet wie: „So soll es geschehen“, dass wir ihnen diesen himmlischen Frieden von Herzen gönnen!

„Zur Einführung dieser Formel hat sicherlich viel beigetragen, dass am Schluss der Requiemsmesse sehr häufig die Absolutio ad tumbam folgte (ein spezielles Gebet für den betreffenden Verstorbenen, unter Anwesenheit des Leichnams - Anm.), bei welcher die Anwesenheit des Volkes erwünscht war. Ein ´Ite, missa est´ war darum nicht angängig, ebensowenig ein ´Benedicamus´“ (Eisenhofer, ebd., S.221).

g) Nach der Antwort („Deo gratias“ oder „Amen“) auf seine Entlassungsformel verrichtet der Priester vor dem Altarkreuz in geneigter Haltung das Gebet Placeat, welches sowohl als ein abschließendes Opfergebet als auch als eine Überleitung zum Segen durch den Priester angesehen werden kann: „Heiliger, dreieiniger Gott, nimm die Aufopferung Deines Dieners wohlgefällig an. Lass das Opfer, das ich Unwürdiger vor den Augen Deiner Majestät dargebracht habe, Dir wohlgefällig sein, und gib, dass es mir und allen, für die ich es darbrachte, durch Dein Erbarmen zur Versöhnung gereiche. Durch Christus, unseren Herrn. Amen.“

In feierlicher Form wird hier der „heilige, dreieinige Gott“ angegangen, Er möge Gefallen finden an dem vom Priester gerade vollzogenen Akt der höchsten Gottesverehrung. Und obwohl der Priester sich selbst wahrheitsgemäß als einen „Unwürdigen“ bezeichnet, soll das eucharistische Opfer selbst dennoch keine Minderung seiner Wirkung erleiden und somit wirklich bis vor die „Augen Deiner Majestät“ gelangen. Dann wird es sowohl für den Zelebranten selbst als auch für alle, für die er es darbrachte, zur Quelle des himmlischen Segens, indem nämlich der christgläubige Mensch durch das „Erbarmen“ Gottes immer und immer wieder „Versöhnung“ mit Ihm, dem dreifaltigen Gott, erlange!

Somit dient dieses Placeat-Gebet dem Priester vorzüglich dazu, sich noch einmal bewusst jener Personen zu erinnern, welcher er bei der Messfeier gedacht, und aller Anliegen zu gedenken, in welchen er das hl. Opfer dargebracht hatte. In gewisser Weise kann er auch dann alle diese Bitten und Opferanliegen gerade in die darauf folgende Segenspendung hineinlegen, wodurch dieser priesterliche Segen am Ende der hl. Messe als eine Art Kanal angesehen werden könnte, durch welchen den Menschen der göttliche Segen, welcher in der Opferfeier gewissermaßen generiert wurde, mitgeteilt würde! Und zwar wird dieser Segen von einem Priester nur mit einer einmaligen Kreuzeszeichnung erteilt. Dreimal bezeichnet das Volk an dieser Stelle mit dem Kreuz nur der Bischof, wobei dieser auch noch die folgenden zwei Versikel einfließen lässt: „Gepriesen sei der Name des Herrn - Von nun an bis in alle Ewigkeit“ und „Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn - der Himmel und Erde erschaffen hat“.

Zuvor aber küsst ein jeder Zelebrant zum Zeichen der Verehrung Christi, der Quelle aller Gnaden, noch den Altar. Während er dann auf das Kreuz (den gekreuzigten Heiland) als die Ursache allen Heiles blickt, breitet er seine Hände aus und schließt sie sofort nach einer Rundbewegung in Kopfhöhe, worin eben sein Verlangen nach reichlicher, vom Kreuz ausströmender Gnade zum Ausdruck gebracht wird. Danach spendet der Zelebrant den Segen mit der Formel: „Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater  und der Sohn und der Heilige Geist“, worauf die Antwort folgt: „Amen“. Vom Priester wird diese Segensformel immer nur gesprochen, wobei ein Bischof diese bei einem Hochamt zu singen hat. Zu den Eigenheiten der Requiemsmessen gehört, dass in ihnen dieser Schlusssegen immer ausfällt, da die Kirche die Früchte des Messopfers vor allem den Seelen der Verstorbenen zukommen lassen will. Der Zelebrant wenden sich da nach dem Altarkuss sofort der Evangelienseite zu, um das Schlussevangelium zu verrichten.


P. Eugen Rissling


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