England trennt sich von Rom


Mit diesem Aufsatz möchten wir eine Reihe beginnen, die unter dem Titel "Aus der Kirchengeschichte" erscheinen soll. Sie soll dem interessierten, einfachen Leser, der nicht die Zeit hat, lange Abhandlungen zu lesen, die Möglichkeit bieten, sozusagen kleine "Mosaiksteine" zu sammeln, die er dann mit der Zeit zu einem immer vollständigeren Bild zusammenfügen kann. Geschichte ist wichtig und interessant dazu. Sie gibt uns einen weiteren Horizont und hilft uns, Orte und Ereignisse lebendiger zu erleben. Sie lehrt uns, uns in bestimmten Situationen richtig zu verhalten, da viele Irrtümer und Fehler unserer Zeit schon früher einmal aufgetreten sind. Wenn wir wenigstens einen groben Überblick über die Geschichte haben, dann sind wir eher fähig, Ereignisse, über die wir hören oder lesen, in ihren richtigen geschichtlichen Zusammenhang zu bringen.

In unserer letzten Ausgabe zogen wir im Zusammenhang mit der Frage nach der Ungültigkeit der modernen Bischofsweihe zur Verdeutlichung das Beispiel der Weihen der anglikanischen Kirche heran. Dabei wurde auch kurz erwähnt, wie Heinrich VIII. sich zum Oberhaupt der Kirche Englands ernannte und somit von der Katholischen Kirche lossagte.

Angelegentlich dessen möchten wir hier etwas genauer auf den geschichtlichen Hergang dieser Trennung und des Abfalls Englands von der Katholischen Kirche eingehen.

Der hl. Alphons von Liguori sagt, man könne die Geschichte Englands nicht ohne Tränen lesen, wenn man sieht, wie die Nation, die in Europa einst am eifrigsten auf der Seite der Katholischen Kirche gestanden hat, nun zu deren Feind wird, wie ein Königreich, das so an den Glauben gebunden war, dass es das Land der Heiligen genannt wurde, nun in der Häresie versinkt. Sechsundzwanzig englische Könige und Königinnen haben die Welt verlassen und sind ins Kloster eingetreten. Zwölf Könige waren Martyrer. Zehn Könige sind im Kanon der Heiligen verzeichnet.

Umso erschütternder sind die Ereignisse, die sich im 16. Jahrhundert in England zugetragen haben und über die hier berichtet werden soll.

Es begann mit Heinrich VIII. Er regierte 1509-1547 und war achtzehn Jahre alt, als er den Thron bestieg. Anfangs war sein Eifer für die Kirche durchaus bemerkenswert. So forderte er den Kaiser und den verantwortlichen deutschen Kurfürsten dazu auf, Luther und seine Lehre von der Erde zu vertilgen und ließ die Schriften des Reformators öffentlich verbrennen. Außerdem zog er alle von der Kirche verbotenen Bücher ein. Er verfasste ein Werk, in dem er die sieben Sakramente der Kirche gegen die Lehre Luthers verteidigte, der mit der Behauptung aufgetreten war, Jesus selber habe nur zwei Sakramente eingesetzt (Taufe und "Abendmahl"), die restlichen seien später von der Kirche hinzugefügt worden. Dafür erhielt er vom Papst den Titel "Defensor fidei" (Verteidiger des Glaubens).

Heinrich VIII war mit Katharina von Aragon verheiratet, der Frau seines Bruders Arthur, der mit 14 Jahren verstorben war. Eine Ehe mir seiner Schwägerin ist einem Mann an sich verboten und macht diese Ehe ungültig. Es handelt sich bei diesem Ehehindernis aber "nur" um kirchliches, nicht um göttliches Recht. Das wird einsichtig, wenn man bedenkt, dass im Alten Testament der Patriarch Juda seinen zweiten Sohn Onan dazu veranlasste, Thamar, die Frau seines älteren Bruders, der ohne Nachkommen verstorben war, zu heiraten (Gen. 38). Dass ein Mann die Frau seines Bruders heirate, wenn dieser keine Kinder hinterlassen hatte, war im Alten Bund sogar nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich geboten (Deut. 25,5). Was aber im Alten Bund geboten war, kann nicht gegen das göttliche Recht sein. Es ist ein kirchliches Gesetz und kann daher von der Kirche auch wieder dispensiert werden.

Um diese Dispens nun hatte Heinrich vor seiner Hochzeit mit Katharina gebeten und sie auch von Papst Julius II. erhalten. Daher war an dieser Ehe Heinrichs mit seiner Schwägerin nichts auszusetzen. Dazu kam noch, dass Katharina eidlich bezeugen konnte, dass sie die Ehe mit Arthur nie vollzogen hatte.

Als Heinrich 25 Jahre mit Katharina verheiratet war (Katharina hatte ihm fünf Kinder geboren, von denen aber nur Maria, die spätere Königin, am Leben blieb) und die Zeichen des Alters sich an seiner Gemahlin allmählich immer deutlicher zeigten, schien der König plötzlich Gewissensbisse bezüglich der Gültigkeit seiner Ehe zu bekommen.

Der Hauptgrund dafür war aber eine der Damen Katharinas, Anne Boleyn, in die sich der König verliebt hatte, die ihm aber nur dann gehören wollte, wenn er sie heirate. So begann nun die Tragödie. Denn "[e]s war die hemmungslose Sinnlichkeit des ebenso verschlagenen wie brutalen Herrschers, die den Bruch mit dem Papsttum herbeiführte" (Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte, Band IV, S.343).

Ein zweiter Grund für Heinrichs Wunsch, Anne zu heiraten, mag in seiner Sorge um das Weiterbestehen seiner Herrscherdynastie gelegen haben. Wenn Heinrich verhindern wollte, dass seine Dynastie nach seinem Tod zu Ende sei, dann musste er etwas unternehmen, dass ihm ein männlicher Erbe geboren würde. Wie gesagt waren aber bis auf Maria alle Kinder aus seiner Ehe mit Katharina schon früh gestorben, und er fürchtete, dass sie ihm keinen Sohn mehr schenken würde.

Heinrich unternahm also jetzt erste Schritte, vom Papst eine Ungültigkeitserklärung seiner ersten Ehe zu erreichen, um Anne heiraten zu können. Der Papst sollte die Kardinäle Campeggio und Wolsey damit beauftragen, nach England zu kommen und die Scheidung zu untersuchen. Thomas Wolsey war als Erzbischof von York, Lordkanzler (hat die Leitung der inneren wie der äußeren Politik in der Hand) und Kardinal Campeggio, einer der mächtigsten Männer nach dem König, zumal er bei diesem sehr beliebt war.

Dennoch befanden sich die zwei Gesandten nun in einer sehr misslichen Lage. Auf der einen Seite waren sie sich dessen bewusst, was für einen großen Schaden sie für Kirche und Religion anrichteten, wenn sie nach dem Willen des Königs die Ehe mit Katharina für ungültig erklärten, auf der anderen Seite aber mussten sie damit rechnen, dass sie beim König in Ungnade fallen würden, wenn sie nicht in seinem Interesse entschieden. Daher zögerten sie mit dem Urteil und schoben eine Entscheidung immer wieder hinaus. Das war ganz im Sinne des Papstes. Auch er wollte Zeit gewinnen und hatte Campeggio schon vor seiner Abreise angeordnet, auf dem Weg nach England möglichst kurze Tagesetappen zu nehmen. Er hoffte, die Leidenschaft des Königs für Anne würde mit der Zeit wieder abklingen und der König würde selbst von seinem Vorhaben abstehen.

Katharina hatte ihrerseits Einspruch gegen das "Untersuchungskomitee" des Papstes erhoben, da beide Gesandten aufgrund ihrer Abhängigkeit vom König als nicht unparteiisch angesehen werden müssten, was ganz besonders der Fall war, da sie sich am Hof des Königs aufhielten. Als daher keine Entscheidung fiel, rief der Papst die beiden Kardinäle nach Rom zurück, um den Fall dort zu entscheiden.

Da sah der König, dass er aufgrund der Zögerlichkeit seines Lordkanzlers sein Ziel nicht mit der erwarteten Leichtigkeit und Schnelle erreichen konnte. Es kam also, wie Wolsey befürchtet hatte. Er fiel beim König in Ungnade und wurde für sein “Versagen” bitter bestraft. Er wurde des Kanzleramtes enthoben und auf den Stuhl von York verbannt. Später erging gegen ihn der Befehl zur Festnahme. Als er aber nach London gebracht werden sollte, versagte sein Körper aufgrund der körperlichen und seelischen Belastung. Er konnte London nicht erreichen und starb in Leicester mit den Worten:

"Hätte ich nur Gott so fleißig gedient, wie ich dem König gedient habe, er würde mich mit meinen grauen Haaren nicht verlassen haben; aber das ist der gerechte Lohn dafür, dass ich bei meinen Mühen und bei meinem Nachsinnen nicht meinen Dienst gegen Gott, sondern nur meine Pflicht gegen meinen Fürsten im Auge hatte!"

Inzwischen hatte Heinrich seinen Kaplan Cranmer nach Rom geschickt, um dort den Papst von der Ungültigkeit seiner ersten Ehe zu überzeugen. Dieser musste aber feststellen, dass dieses Unterfangen praktisch unmöglich war. Daher rief ihn Heinrich nach England zurück und ernannte ihn zum Erzbischof von Canterbury, allerdings unter der Bedingung, dass er ihn von seiner Bindung an Katharina befreie.

Dass Cranmer nun Erzbischof von Canterbury wurde, hatte großen Einfluss auf die weitere Entwicklung in England, denn das Amt dieses Erzbischofs (von Canterbury) ist eine der einflussreichsten Positionen. Obwohl Cranmer es unter Heinrich VIII. nie offen sagte, war er in seinem Herzen doch Lutheraner. Das brachte ihn allerdings in so manche verzwickte Lage. So hatte er sich trotz seines Priestertums dazu hinreißen lassen zu heiraten. Er wusste aber, dass sein König, der von den Klerikern verlangte, zölibatär zu leben, damit nicht einverstanden sein würde. Daher musste er diese Hochzeit möglichst geheim halten. Ein schwieriges Unterfangen, zumal seine "Ehefrau" eine Deutsche war und nun nach England gebracht werden musste. Da kam Cranmer auf die geniale Idee, sie in einer Kiste zu verstecken und so in England einzuschiffen. Trotzdem blieb dies beim König nicht unbemerkt, und Cranmer musste seine Frau wieder aufs Festland zurückschicken.

Cranmer hielt sein Versprechen und erklärte bald die erste Ehe Heinrichs für ungültig - mit der Begründung, sie sei gegen das göttliche Recht geschlossen worden. Und obwohl der Papst dem König die Exkommunikation angedroht hatte, ließ dieser sich 1533 heimlich mit Anne Boleyn trauen. Ein Grund für diese heimliche Hochzeit war wohl, dass Aussicht darauf bestand, Anne würde ihm bald einen Erben gebären, denn uneheliche Kinder waren illegitim und konnten daher das Erbe ihres Vaters nicht antreten. Um jeden Zweifel auszuschließen, verlangte er von seinen Untertanen einen Eid, den so genannten "Sukzessionseid", mit dem sie die Sukzessionsfähigkeit des Kindes anerkennen mussten, indem sie sagten, Annes Kind könne als Erbe den Thron Englands besteigen.

Nun sah sich der Papst genötigt, einzugreifen. Er erklärte die Ungültigkeit der Ehe Heinrichs mit Anne und die Illegitimität ihrer Nachkommen, bestätigte die Ehe- und königlichen Rechte Katharinas und exkommunizierte den König.

Durch die geheime Heirat mit Anne gewann nun auch ihr Günstling, Thomas Cromwell, an Einfluß und wurde, obwohl Lutheraner und nur Laie, zum Vikargeneral für kirchliche Angelegenheiten ernannt. Zusammen mit dem Erzbischof Cranmer und dem Kanzler Audley (Thomas Morus hatte das Kanzleramt niedergelegt, als er merkte, dass der König die Scheidung mit Gewalt durchsetzen würde) regelte er nun diese Angelegenheiten der Kirche nach seinen Interessen. Unter anderem ordnete er auch an, dass die Kleriker einen Eid leisten müssten, mit dem sie dem König denselben Gehorsam schwuren, den sie vorher dem Papst gegenüber verpflichtet gewesen waren.

1534 ernannte sich Heinrich VIII. offiziell zum "only supreme head in earth of the Church of England" ("auf Erden das einzige Oberhaupt der Kirche von England"). Wegen des Ausdrucks "supreme" heißt dieser Erlass des Königs auch "Suprematsakte". Verbunden damit war der "Treason Act" (treason = Verrat, Hochverrat), nach dem jede Verweigerung oder Bestreitung des neuen königlichen Titels als Hochverrat galt.

Erste Opfer dieses Erlasses waren drei Kartäuserprioren, der Gelehrte Richard Reynolds und die bekannteren Fälle John Fisher (Bischof von Rochester, der als einziger Bischof den Eid verweigerte) und Thomas Morus. John Fisher wurde noch im Gefängnis vom Papst zum Kardinal ernannt. Als dies dem König zu Ohren kam, sagte er: "Mag ihm auch Paul III. den Kardinalshut schicken, ich werde dafür sorgen, dass er keinen Kopf mehr hat, ihn aufzusetzen!" Als Heinrich VIII. dieses Versprechen wahr machte und Fisher zum Schafott geführt wurde, warf der 77jährige seinen Stock, auf den er sich stützen musste, weg und rief: "Mut, meine Füße, ihr werdet wohl doch das bisschen Weg zurückzulegen im Stande sein, das euch noch übrig ist!"

Nicht weniger heldenhaft nahm Thomas Morus das Martyrium auf sich. Als er noch im Kerker lag, ließ man seine Tochter Margareta und seine Frau zu ihm kommen, um ihn zur Leistung des Eides zu überreden. Seiner Frau entgegnete Thomas: "Wie lange glaubst du wohl, dass ich noch leben werde?", worauf sie antwortete: "Wenigstens noch einige 20 Jahre!". Da erwiderte er: "Wahrlich, hättest du einige tausend Jahre gesagt, so wäre das noch etwas gewesen; und doch muss derjenige ein schlechter Kaufmann genannt werden, welcher Gefahr läuft, wegen tausend Jahren die Ewigkeit zu verlieren!"

Ein andermal kritisierte er das Verhalten der Menschen mit folgenden Worten: "Viele erkaufen sich in diesem Leben die Hölle mit soviel Anstrengung, dass die Hälfte davon genügen würde, den Himmel zu verdienen!"

Wenn auch mit Heinrich VIII. die Protestantisierung Englands ihren Anfang nahm, so ist doch fraglich, inwieweit es ihm selber wirklich um den Protestantismus ging, oder inwieweit er die Religion nicht eher benutzte, um seine politischen Ziele zu erreichen. Zum Oberhaupt der Kirche in England machte er sich ja auch hauptsächlich deswegen, weil er dann die Ehescheidung durchsetzen konnte, ohne auf die Stimme der Kirche hören zu müssen.

Weiter oben wurde schon erwähnt, dass Heinrich vor dem Scheidungsprozess so katholisch war, dass er vom Papst sogar den Titel "Verteidiger des Glaubens" erhielt. Später aber, als er Oberhaupt der Kirche von England war und als solcher auch die religiösen Angelegenheiten regeln und bestimmen konnte, verfasste er Glaubensnormen, die mehr oder weniger protestantische Ideen an die Oberfläche treten ließen, welche sich in der Zwischenzeit auch schon in England verbreitet hatten.

So verraten die "Zehn Glaubenssätze", die er 1536 erließ, ein Bestreben, den Protestanten entgegenzukommen. Das lutherische Prinzip wird anerkannt, dass allein die Hl. Schrift (ohne die Erhellung durch die Tradition) genüge, uns den Glauben darzustellen. Die Rechtfertigung des Menschen, d.h. wie er vor Gott wieder rein dastehen kann, wird auf eine Art und Weise erklärt, wie es auch Melanchthon in einem seiner Werke getan hat. Nur drei der sieben Sakramente der Kirche sind ausdrücklich erwähnt. Auch wenn die Verehrung der Heiligen und der Bilder nicht (wie im Protestantismus) verboten wird, so wird doch gesagt, dass sie die Ursache vieler Missstände sei. Auch habe das Fegfeuer angeblich keine Grundlage in der Schrift.

1539 dagegen, als es Heinrich gerade für nützlich hielt, als katholisch zu gelten, und als er die protestantischen Fürsten nicht mehr als Verbündete brauchte, verkündete er in seinen "sechs Artikeln", dass die Transsubstantiation Inhalt des wahren Glaubens sei, dass also nach der Wandlung in der hl. Messe das Brot und der Wein nicht mehr Brot und Wein, sondern wahrhaft Leib und Blut unseres Herrn sind, wie es die katholische Kirche in klarem Gegensatz zum Protestantismus lehrt. Er verlangt weiter, auch wieder im Gegensatz zu den Protestanten, dass der Zölibat beobachtet werde, und vertritt gegen Luther die katholische Lehre, dass Privatmessen nicht nur nützlich, sondern sogar nötig sind.

Auch das "Königsbuch" (1543) weist sowohl katholische wie protestantische Züge auf. Auf der einen Seite zeigt es, was die Lehre von der Rechtfertigung angeht, Ähnlichkeit mit den Wittenberger Artikeln, auf der anderen Seite betont es aber die Notwendigkeit guter Werke und die Willensfreiheit.

Hatte Heinrich einmal seiner Leidenschaft nachgegeben und seinen Willen über den Gottes gestellt, so war er nun ein hilfloses Opfer dieser Leidenschaft und seiner Willkür waren praktisch keine Grenzen gesetzt.

Er fühlte sich jetzt zu Jane Seymour hingezogen. Daher klagte er Anne an, mehrere Geliebte und sündhaften Umgang mit ihrem Bruder gehabt zu haben und verurteilte sie zum Tod durch Feuer oder Schwert. Sie bat, noch einmal vor dem König sprechen zu dürfen, doch wurde ihr diese Gnade verwehrt. Das einzige Zugeständnis, das ihr gemacht wurde, war, dass sie geköpft und nicht verbrannt wurde. Am Tag nach Annes Hinrichtung heiratete Heinrich Jane.

Diese starb allerdings bei der Geburt Eduards, des späteren Nachfolgers seines Vaters. Daher sah er sich nach einer neuen Gattin um, und als er etwa zwei Jahre gesucht hatte, vermählte er sich, auf Anraten Cromwells, mit Anna von Cleve, Glied einer der edelsten Familien in Deutschland und Lutheranerin. Er hoffte, durch diese Heirat Zutritt in den Schmalkaldischen Bund zu gewinnen, dessen protestantische Mitglieder ihm bisher nicht getraut hatten.

Nach einer Weile aber verliebte er sich in eine der Damen Annas, Katharina Howard. Er verlor auch das Interesse, dem protestantischen Bündnis beizutreten. Das brachte Cromwell in eine schwierige Lage, denn die Schmalkalder hatten bereits Gesandte geschickt, um Heinrich in ihr Bündnis aufzunehmen. Cromwell befürchtete, bei Anna in Ungnade zu fallen, wenn die Gesandten abgewiesen würden und unterschrieb den Vertrag kurzer Hand selber. Das hatte zur Folge, dass der König ihn in den Tower werfen und ohne Prozess hinrichten ließ.

Nun musste Cranmer, der Erzbischof, wieder seines Amtes walten, Heinrichs Ehe mit Anna für ungültig erklären und ihn mit Katharina verheiraten. Anna von Cleve zog sich still zurück und entging so dem Schicksal Anne Boleyns.

Nicht so Katharina Howard, die bald hingerichtet wurde, wegen angeblicher Verhältnisse zu anderen Männern und wegen Ehebruch. Um sich vor weiteren Frauen solcher Art zu “schützen”, erließ der König ein Gesetz, welches einer Frau verbot, den König zu heiraten, wenn sie vorher gegen die Keuschheit gesündigt hatte. Andernfalls mache sie sich des Hochverrates schuldig.
Es fand sich aber doch noch eine Frau, Heinrichs sechste und letzte, die den Mut fand (bzw. so dumm war), den König zu heiraten. Sie hatte das Glück, ihren Gatten zu überleben.

Heinrich nämlich, erst 56jährig, musste nun sein Ende nahen sehen. Um seinen Primat über die Kirche von England zu errichten, hatte er nach Angaben des hl. Alphons von Liguori mehr als 1000 Menschen hingerichtet.

Manche sagen, er habe jetzt den Bischöfen gegenüber geäußert, er wolle sich wieder mit der Kirche aussöhnen, aber es fand sich keiner, der den Mut gehabt hätte, dem König offen zu sagen, was zu tun sei. Fürchtete doch jeder, in letzter Minute noch auf dem Scheiterhaufen oder dem Schafott sein Leben beenden zu müssen. Nur einer legte dem König nahe, das Parlament zusammenzurufen, um alles wieder rückgängig zu machen. Als aber die Staatssekretäre diesen Befehl vernahmen, fürchteten sie, die Güter, die zu ihren Gunsten der Kirche entwendet worden waren, wieder zurückgeben zu müssen. Daher zögerten sie mit der Einberufung so lange, bis es zu spät war. So starb Heinrich, ein Opfer seiner Leidenschaft, im Jahre 1547.

Nun trat sein Sohn Eduard (VI.) das Erbe an. Da er aber noch keine zehn Jahre alt war, hatte Heinrich testamentarisch ein Gremium von 16 Männern bestimmt, das für ihn regieren sollte. Die meisten davon waren Katholiken, einer von ihnen aber, Eduard Seymour, Herzog von Somerset, war Zwinglianer, wenn er sich auch nach außen katholisch gab. Dieser ging nun zu den Adeligen Englands und erweckte in ihnen die Befürchtung, dass sie wohl bald ihre Güter an die Kirche zurückgeben müssten, wenn die katholischen Vormunde ihren Einfluss auf Eduard weiterhin ausüben könnten. Um sich der lästigen Katholiken zu entledigen, fälschte er das Testament Heinrichs und erklärte sich zum alleinigen Regenten und Beschützer des Reiches, neben Eduard als König und Haupt der Kirche von England.

Da er nun freie Hand hatte, bekannte er sich offen zum Protestantismus und schleuste auch in andere wichtige Positionen, wie die Universität von Oxford und die Erziehung des jungen Königs, Protestanten ein.

Er schaffte die Glaubensdekrete Heinrichs VIII. ab, erlangte noch 1547 die Zustimmung des Parlaments, die Messe als Opfer, die Verehrung der Bilder und ganz allgemein den Katholizismus abzuschaffen, und konfiszierte die hl. Geräte und den Altarschmuck.

Nach zwei Jahren wurde er vom Herzog von Northumberland gestürzt, der an seiner Stelle die Regierung für den jungen König in die Hand nahm.

In diese Zeit der Regierung Eduards VI., genau genommen in das Jahr 1550, fällt auch die Änderung der Worte für die Weihe der Bischöfe und Priester der englischen (anglikanischen) Kirche, über die wir in unserer letzten Ausgabe der „Beiträge” im Zusammenhang mit der Frage nach der Gültigkeit der modern-katholischen Bischofsweihe berichteten.

Außerdem wurde das Verbot für Priester zu heiraten, aufgehoben, die Altäre wurden durch hölzerne Tische ersetzt, der bisher verwendete Ritus für die Krankenölung, die Salbung bei der Taufe und das Gebet für die Verstorbenen beim Begräbnis wurden abgeschafft. Die Teilnahme an der neuen Liturgie wurde verpflichtend gemacht. Wer an katholischen Riten teilnahm, musste beim ersten Mal mit einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten, beim zweiten Mal von einem Jahr und beim dritten Mal mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe rechnen.

Wir sehen also, die Protestantisierungswelle war unter Eduard VI. rasend schnell über England hinweggebraust. Der Protestantismus war so weit eingedrungen, dass es Maria Tudor, genannt die Katholische, der Nachfolgerin Eduards, nicht mehr möglich war, in ihrer kurzen Regierungszeit den Katholizismus wieder herzustellen.

Eduard starb nach nur sechsjähriger Regierungszeit im Jahre 1553, also mit etwa 16 Jahren, an der Schwindsucht. Seine letzten Worte fassen in aller Kürze das Motto seiner Regierungszeit zusammen: „Herr, rette dein erwähltes Volk Englands, bewahre dieses Reich vor dem Papsttum und erhalte den rechten Glauben".

Obwohl der Herzog von Northumberland, der bis zuletzt des Königs Berater gewesen war, versucht hatte, Eduard dazu zu bewegen, seine eigene Schwiegertochter als Erbin einzusetzen, gelang es ihm doch nicht, diesen Plan gegen Maria Tudor (nicht zu verwechseln mit Maria Stuart, Königin von Schottland), Tochter der Katharina von Aragon und damit rechtmäßige Erbin, durchzusetzen, denn das Volk stellte sich auf Marias Seite. So trat sie also 1553 die Regierung an. Ihr Leitsatz lautete: "Ich will lieber zehn Kronen verlieren, als meine Seele in Gefahr bringen."

Sie versuchte, England mit der Kirche auszusöhnen und wieder dem Katholizismus zuzuführen. Um diesen Schritt leichter zu machen, verzichtete die Kirche sogar auf die Rückerstattung der Güter, die ihr unter Heinrich VIII. und Eduard VI. genommen worden waren.

Maria weigerte sich, den Titel "Oberhaupt der Kirche" anzunehmen und widerrief alle Dekrete ihres Vaters und ihres Halbbruders.

Von Anfang an führte sie die Restauration des Katholizismus mit einer Strenge durch, welche, nebenbei bemerkt, auch von katholischer Seite kritisiert wurde. Elisabeth, die ihr später auf dem Thron folgte, musste sie in Haft nehmen, da diese zweimal versucht hatte, sich gegen sie zu verschwören. Cranmer, der ehemalige Erzbischof, wurde zum Feuertod verurteilt. Er widerrief zwar seine Irrtümer, als er aber sah, dass dies nichts half, widerrief er wiederum seinen Widerruf und starb als Kalvinist.

Als Maria eine Verschwörung aufdeckte, bestrafte sie 200 Menschen mit dem Tod. Die insgesamt 273 Hinrichtungen brachten ihr den Namen "Bloody Mary" (Maria die Blutige) ein, wobei man sagen muss, dass die Regierung Elisabeths, zumal nach 1570, nicht weniger blutig war.

Nach fünf Jahren Regierung, die wie gesagt zu kurz waren, um wiederherzustellen, was Eduard VI an Katholizismus zerstört hatte, starb sie 1558 in ihrem 44. Lebensjahr an der Wassersucht.

Nun trat Elisabeth die Regierung an. Im Gegensatz zu Maria soll sie gesagt haben, sie würde gerne auf den Himmel verzichten, wenn Gott ihr nur eine Regierungszeit von 40 Jahren schenke.

In ihrem Herzen war sie protestantisch, gab sich aber unter Maria Tudor katholisch und hätte möglicherweise so weitergemacht, wenn nur der Papst sie als Königin anerkannt hätte. Zu Beginn ihrer Herrschaft erlaubte sie noch der gesamten Bevölkerung freie Religionsausübung und schwur sogar den alten Krönungseid, in dem sie versprach, den Glauben zu verteidigen und die Freiheit der Kirche zu bewahren.

Elisabeth war ein Kind aus Heinrichs zweiter und unrechtmäßiger Ehe. Da sie noch zu Lebzeiten von Katharina, seiner ersten Frau, geboren war, war sie ein illegitimes Kind und als solches nicht fähig, die Nachfolge ihres Vaters anzutreten. Als rechtmäßige Thronerbin galt den Katholiken Maria Stuart, die Königin von Schottland, da sie die Urenkelin Heinrich VIII. war. Tatsächlich bestieg nach Elisabeths Tod der Sohn Maria Stuarts, James (I.), den englischen Thron. Als sie nun dem Papst ihre Ehrerbietung bot und ihn um seinen Segen bat, äußerte er diese Zweifel. Als Elisabeth dessen gewahr wurde, sah sie ihre Position gefährdet, zog den englischen Gesandten aus Rom zurück und bekannte sich offen zum Protestantismus.

1559 erließ sie die Supremats- und Uniformitätsakte und setzte damit die zehn Kirchengesetze ihres Vaters und ihres Halbbruders wieder in Kraft. Das hieß, sie war wieder Haupt der Kirche von England. Als solche verbot sie erneut die hl. Messe und führte neue Zeremonien für die Spendung der Sakramente ein.

Jeder Kleriker musste ihre Stellung in der Kirche Englands durch den Suprematseid anerkennen. Wer sich weigerte, wurde beim ersten Mal enteignet und ins Gefängnis geworfen, beim zweiten Mal mit dem Tod bestraft.

Unter den Opfern dieser Zeit befand sich auch Edmund Campion, ein englischer Priester, der sich in Rom aufhielt. Als er die Not seiner Landsleute sah, eilte er nach England und wirkte dort im Geheimen für das Seelenheil der Gläubigen. Für den Fall, dass die Häuser der Gläubigen durchsucht wurden, in denen sich die Priester aufhielten, hatte man mit Hilfe von falschen Wänden versteckte Räume errichtet, in denen sich die Priester verkriechen konnten. Noch heute kann man diese so genannten "priest holes" ("Priesterlöcher") besichtigen. In ein solches Loch musste sich auch Campion verkriechen, als ein Haus nach ihm durchsucht wurde. Unvollendeter Dinge wollte die Patrouille schon abziehen, als sie am unteren Ende der Treppe zufällig die Wand durchbrachen, hinter der er versteckt war.

Paul IV. hatte, wie schon erwähnt, Elisabeths Recht auf die Thronnachfolge in Abrede gestellt. Als nun 1570 Pius V. sie auch noch offiziell in einer Bulle des englischen Thrones verlustig erklärte, da kannte ihre Rachsucht keine Grenzen mehr. Katholische Priester wurden zu Hochverrätern erklärt, Bischöfe wanderten ins Gefängnis und wurden mit neuen Foltermethoden gequält.

Die Reaktion der Katholiken auf Elisabeths Regime war zum Teil indifferent, da man sich daran gewöhnt hatte, seinen Glauben mit dem Herrscher zu wechseln. Man leistete den Suprematseid aus Furcht und Not. Viele aber blieben ihrer Religion treu. Für die Krönung der Königin fand sich nur ein Bischof, der ihr die Krone aufsetzte. Alle Bischöfe erhoben einstimmig Widerspruch gegen den Eid und keiner leistete ihn.

In den letzten 20 Jahren wurden 142 Priester getötet, teils ausgeweidet, teils gevierteilt. 90 Priester starben im Gefängnis. 62 Laien starben als Martyrer, in Irland wurden allen, die die Tonsur trugen, die Köpfe eingeschlagen, 204 Männer wurden hingerichtet, entweder weil sie den Eid nicht leisten wollten, weil sie Priester waren, oder weil sie zum Katholizismus übergetreten waren. Unter den Opfern war auch Maria Stuart, Königin von Schottland. Um nicht den Anschein zu erwecken, sie trage für die Hinrichtung Maria Stuarts die Verantwortung, tat Elisabeth vier Tage lang, als wüsste sie nichts von dem Todesurteil.
Nach 45jähriger Regierungszeit starb Elisabeth im Jahre 1603.

Seither hat sich England nicht wieder aus dieser Nacht des Protestantismus befreit und hat nicht wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückgefunden.

Wenn wir im Alltag mit anderen Religionen oder Sekten konfrontiert werden, sei es weil wir mit ihren Anhängern zu tun haben, sei es weil wir von Außenstehenden nach unserer Meinung über sie gefragt werden, so ist es für die Beurteilung dieser Sekten immer sehr hilfreich, auf ihre Anfänge zu schauen und zu fragen, woraus sie eigentlich entstanden sind. Wenn wir uns daher bewusst machen, was die Ursache für das Entstehen der anglikanischen Kirche ist, und wie sie ihren Anfang genommen hat, dann müssen wir sagen, dass ihre Entstehung einen klaren Bruch mit der Kirche Jesu Christi darstellt. Es ist daher unmöglich zu sagen, in ihr würde der Glaube an den Sohn Gottes und somit an Gott reiner verkündet als in der katholischen Kirche. Das ist aber gerade der Anspruch vor allem der protestantischen Sekten. Sie behaupten, die katholische Kirche habe im Laufe der Zeit den Glauben Jesu Christi verfälscht, und nur in ihnen finde man die wahre Lehre, so wie sie Jesus verkündet hat. Wenn wir uns aber in der Geschichte ein wenig auskennen, sehen wir deutlich, wie falsch diese Behauptung ist. Bemühen wir uns also immer um eine klare Sicht der Dinge. Dann werden ihre Ansprüche uns auch nicht beunruhigen und ihre scheinbaren Erfolge werden nicht den erwarteten Eindruck auf uns machen. Wir können vielmehr ruhig den Weg fortsetzen, den wir als den wahren erkannt haben, auch wenn er äußerlich gesehen weniger von Erfolg gekrönt zu sein scheint.

Nehmen wir uns ein Beispiel an den Martyrern dieser Zeit, die keinen Kompromiss eingegangen sind, auch wenn es sich in den Augen der Welt scheinbar um Kleinigkeiten handelte - wie das Festhalten an der Gültigkeit einer Ehe. Sie wussten, dass diese „Kleinigkeiten“ ihre Bedeutung im Gesamtbild der katholischen Religion haben, und dass eine Leugnung dieser „Kleinigkeiten“ in ihrer Konsequenz eine Leugnung des gesamten Glaubens bedeutet.

So wollen auch wir uns nicht einschüchtern lassen, wenn uns vorgeworfen wird, wir betrieben Wortklauberei oder Haarspalterei oder wir sähen die Dinge zu eng. Wenn die Christen der damaligen Zeit bereit waren, für die Wahrheit freudig den Tod zu erleiden, so wollen auch wir mit Freude die täglichen Kreuze auf uns nehmen, die das Bekenntnis der Wahrheit für uns mit sich bringt.


P.Johannes Heyne


Bibliographie:
August Franzen, Kleine Kirchengeschichte, Herder, 2000 (5. Auflage)
Hubert Jedin (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte (Band IV): Reformation Katholische Reform und Gegenreformation, Herder, 1985
Alphonsus M. Liguori, The history of heresies and their refutation; or, the Triumph of the Church (translated by Rev. Dr. Mullock), published by James Duffy, 1857, reprint by St. Athanasius Press, Potosi, WI
Joseph Kardinal Hergenröther, Dr. Franz Kaulen (Hrg.), Kirchenlexikon, Herder, 1888
Anton Ender, Die Geschichte der Katholischen Kirche, Benziger, 1913 (3.Auflage)

 

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