Der Mythos Galileo

Er entdeckte, dass sich die Erde um die Sonne dreht (heliozentrisches System.) Eine böse, mittelalterliche Kirche/Inquisition verurteile und bestrafte ihn als Ketzer und damit die gesamte aufklärerische Wissenschaft. Ein Muster und Präzedenz für die Rückwärtswendung und Ignoranz von Kirche und Religion. So der Mythos. Wie war es wirklich?
Galileo war nicht der Erste!
Der Papst, die Bischöfe und sogar die Heilige Inquisition wussten, dass die Theorie von der Bewegung der Erde um die Sonne – die lang vor Galileo Galilei vertreten wurde – mit einer gesunden Theologie und mit der hl. Schrift vereinbar ist. Deshalb hatten Erasmus von Rotterdam († 1536) und Nikolaus Kopernikus († 1543) – um nur die bekanntesten zu nennen – die früher vermutete Unbeweglichkeit der Erde in Frage stellen können. Die Kirche antwortete weder mit Sanktion noch mit Beanstandungen. Mons. Brandmüller (Präsident der Historischen Kommission des Vatikans) erklärt, dass das Christentum die Vernunft stets ernst genommen hat: „Durch den biblischen Schöpfungsglauben ist die Welt entgöttert und vernünftig geworden.“ So habe die Kalenderreform unter Papst Gregor XIII. († 1585) auf der Basis kopernikanischer Berechnungen beruht. Also lange vor der Verurteilung von Galileo Galilei(† 1642)!
Die Kirche war auch kein Verhinderer von Fortschritt...wie man an der Karriere von Galileo Galilei erkennen kann: In Wahrheit war Galileis Werdegang untrennbar mit der Kirche verbunden. Er absolvierte einen Teil seiner Schulbildung in einem Benediktinerkloster nahe Florenz. Dort wollte er auch Novize werden. Doch sein Vater schickte ihn zum Medizinstudium nach Pisa, wo Galilei seine Liebe zur Mathematik entdeckte. Der oberste Mathematiker der Jesuiten in Rom, Pater Christopher Clavius, unterstützte ihn bei der Bewerbung um einen Universitätslehrstuhl. „Galilei bleibt zeit seines Lebens ein überzeugter Anhänger seiner Kirche“ – fasst de Padova (Berliner Wissenschaftspublizist und Autor Thomas de Padova, Biograph) zusammen: „Sein Glaube an mathematisch streng gültige Naturgesetze gewinnt die volle Überzeugungskraft gerade aus dem christlichen Schöpfungsgedanken.“
Die Kirche feierte Galileo Galilei!
Er war also kein Feind der Kirche - im Gegenteil - er war ein Günstling. Die Jesuiten feiern Galileis Entdeckungen im Frühjahr 1611 in Gegenwart mehrerer Kardinäle als Pionierleistung. Im Jahre 1613 veröffentlichte Galileo seine „Briefe über die Sonnenflecken“. Darin unterstützte er zum ersten Mal das Planeten-System des Kopernikus. Zahlreiche kirchliche Würdenträger beglückwünschten den Astronomen zu seinem Werk. Unter den Gratulanten befand sich auch Kardinal Maffeo Barberini, der später als Urban VIII. († 1644) den päpstlichen Thron bestieg. Kardinal Barberini verfasste zu Ehren des Galileo sogar einen Lobgesang. Dann Urban VIII. († 1644) empfing er Galilei bei dessen Rombesuch im Jahr 1624 innerhalb weniger Wochen sechsmal zu langen Gesprächen. Er beschenkte und ermunterte ihn zur Publikation seiner Erkenntnisse. Das Ergebnis der triumphalen Romreise fasst Kardinal Francesco Maria del Monte († 1627) so zusammen: „Wären wir noch in der alten römischen Republik, dann wäre ihm auf dem Kapitol ein Denkmal errichtet worden.“ Der Zorn des Papstes traf Galilei erst neun Jahre später!
Warum wurde er dann verurteilt?
Doch Galilei besaß schwere Charaktermängel: „Eitel, wie er ist, lässt er niemanden neben sich gelten, weder Tycho Brahe noch Johannes Kepler“ – erklärt de Padova. Dadurch schaffte er sich zahlreiche Feinde. Er führte erbitterte Wortgefechte mit den Jesuiten, die ihm bei der systematischen Beobachtung der Sonnenflecken und der Kometen zuvorgekommen waren. Persönlich war er eine kontroverse und polemische Figur. Gleichzeitig war er Kritiken seiner Person gegenüber sehr empfindlich. Galileo erfuhr, dass sein Werk am Hofe des Großherzogs der Toskana zur Sprache kam und dass es dagegen Einwände gegeben hätte, die von der heiligen Schrift her begründet wurden.
Galileo war beleidigt.
Schließlich legte sich Galilei mit den Theologen an: Er behauptete, dass die Bibel nur Aussagen über das Seelenheil der Menschen mache. Sie sei nicht wörtlich zu nehmen, wenn es um den Lauf der Gestirne gehe. Galilei wird von Kardinal Roberto Bellarmino († 1621) ermahnt, die kopernikanische Sichtweise künftig nur noch als Hypothese zu vertreten. Sorgfältig formulierte der Kardinal: „Wenn es einen wirklichen Beweis dafür gäbe, dass sich die Sonne im Zentrum der Welt befindet, dann bedürfte es eines sehr bedachten Vorgehens, um jene Schriften zu erklären, die dem entgegenzustehen scheinen.“ Galilei glaubt, in seiner Theorie über die Entstehung von Ebbe und Flut ein solches Argument zu besitzen. (Diese Theorie hat sich im Nachhinein ja als gänzlich absurd erwiesen...) Er antwortete mit seinem berühmten Brief an Castelli, der 1615 zum Brief an die Großherzogin Christina wurde. In diesem Schreiben war mehr von Theologie als von Wissenschaft die Rede. Was Galilei dort zur Auslegung der Heiligen Schrift sagt, ist vernünftig und annehmbar. Aber der Astronom spricht der Kirche das Recht ab, in wissenschaftlichen Fragen, die in Verbindung mit dem Glauben stehen, Entscheidungen zu treffen. Das widersprach der gesunden Lehre und widerspricht ihr immer noch, wie Papst Pius XII. in seiner berühmten Enzyklika „Humani Generis“ in anderem Kontext feststellte! Der Verantwortliche der Heiligen Inquisition – der Heilige Robert Kardinal Bellarmin († 1621) – erklärte 1615 im Streit mit Galilei ohne Umschweife, dass man bei der Bibelauslegung vorsichtig sein müsste, wenn ein Beweis für das heliozentrische System in der Tat vorliegen würde. Dann wäre man eher bereit zuzugeben, die Bibel nicht zu verstehen, als eine Meinung für falsch zu erklären, die als wahr erwiesen worden sei – so der damalige Glaubenshüter.
Verurteilt wurde letztlich sein persönlicher Absolutheitsanspruch!
Nach dem Brief des Galileo sah die Kirche die Autorität der heiligen Schrift in Gefahr. Das war schwerwiegend. Galileo wurde beim Heiligen Offizium angezeigt. Das Ergebnis? Das Heilige Offizium wies zwei aufeinanderfolgende Klagen ab. Einige Behauptungen des Galileo klängen zwar schief. Es sei aber möglich, sie in einem annehmbaren Sinn zu verstehen. Damit wäre die Sache eigentlich beendet gewesen. Doch Galileo beeilte sich, Öl ins verlöschende Feuer zu gießen. Er setzt sich mit dem Papst und den Kardinälen in Verbindung und begann zu behaupten, dass es seine – des Astronomen – Aufgabe sei, die Grundsätze der katholischen Bibelexegese zu revidieren. Jetzt schritt das heilige Offizium erneut und zurecht ein. 1616 wurde das „heliozentrische System“ – nicht als solches, sondern in der unhaltbaren Leseart des Galileo – als der Schrift widersprechend verurteilt. 1633 traf der kirchliche Bannstrahl Galileos Buch „Dialogus“. Letztlich wurde er also verurteilt, weil er seine Hypothese als absolute Wahrheit verstanden wissen wollte und so auch dem heutigen Wissenschaftsverständnis wiedersprach.
Schmachtete Galileo nach seiner Verurteilung in den finsteren Verliesen der Inquisition? Keine Spur. Der Astronom forschte in seiner Villa bzw. im Palast eines Freundes eifrig weiter und entdeckte die Schwankungen des Mondes. Überall in Italien wurde die Stichhaltigkeit des heliozentrischen Systems inner- und außerhalb der Kirche offen und gerne diskutiert.
Was können wir daraus lernen?
Seit vier Jahrhunderten instrumentalisieren kirchenfeindliche Kreise den Fall des Astronomen Galileo Galilei, um eine angeblichen Erbfeindschaft zwischen Kirche und Naturwissenschaft zu beweisen. Für diesen Betrug gilt das Wort von Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller in ihrem gemeinsam verfassten Werk ‘Xenien’:
„Liegt der Irrtum nur erst, wie ein Grundstein, unten im Boden, immer baut man darauf, nimmermehr kommt er an Tag.“

Es lebe die Wahrheit.

Markus Lang

 

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