Was ist Autorität ?


Teil 3

Die Tradition 

Die frühe Kirche hat die Treue zum überlieferten Glaubensgut (depositum fidei) sehr ernst genommen. Man war geradezu durchdrungen von der Tatsache, daß der den Aposteln anvertraute Glaube ein lebenspendender Glaube ist, der dem Menschen das ewige Leben verbürgt. Man dachte überhaupt nicht daran, ihn zu verändern, den sog. „Erfordernissen der Zeit“ anzupassen oder sonst irgendwie neu zu deuten. Da in Jesus Christus als wahrer Gott der „Urheber des ewigen Heiles“ (Hebr 5,9) gesehen wurde, verstand es sich von selbst, daß der Glaube an Ihn nicht durch menschliche „Interpretationen“ verfälscht werden durfte, und so blieb er unangetastet! „´Bewahre das anvertraute Gut´ (1 Tim 6,20). Was ist ´das anvertraute Gut´? Was dir anvertraut, nicht von dir erfunden ist, was du empfangen, nicht selber ausgedacht hast. Sache nicht des Genies, sondern der Lehre, nicht eigenmächtiger Aneignung, sondern öffentlicher Überlieferung. Etwas, was dir überkommen, nicht von dir hervorgebracht ist, weshalb du nicht Urheber, sondern Wächter sein sollst. Worin du nicht Meister, sondern Schüler, nicht Führer, sondern Jünger bist. ´Bewahre das anvertraute Gut´, hüte unverletzt und unbefleckt das Talent des katholischen Glaubens!“ (hl. Vinzenz von Lerin, Merkbuch 2;22) 

Wenn Irrlehrer auftraten und ihre Ideen verbreiteten, dann versuchte man seitens der katholischen Kirche vielfach dadurch inhaltliche Klärung herbeizuführen, daß man auf bischöfliche Sukzessionslinien der jeweiligen Lokalkirchen verwies. Diese Vorgehensweise der frühen Kirche wird heute nicht ohne weiteres verstanden. Der Hintergrund ist der, daß die unverbrüchliche Treue (der Hierarchie) zum überlieferten Glauben als so selbstverständlich betrachtet wurde - geradezu im Gegensatz zur heutigen Zeit -, daß der apostolische Ursprung des betreffenden Bischofssitzes zugleich als die sicherste Garantie für die Rechtgläubigkeit des bis in die jeweilige Zeit tradierten Glaubens betrachtet wurde! Aus diesem Grund genossen die von den Aposteln gegründeten Bischofssitze besonderes Ansehen in der Kirche. Wohl deshalb bezeugen wir, die Katholiken, im Glaubensbekenntnis unseren Glauben u. a. auch an die „apostolische Kirche“. Am Beispiel des hl. Bischofs und Märtyrers Irenäus von Lyon (+ um 202), der ein Schüler des hl. Polykarp war, der seinerseits als ein Schüler des hl. Apostels Johannes betrachtet wird, soll dieser Gedankengang der Kirche exemplarisch dargestellt werden. In seinen Schriften „Wider die Irrlehren“ finden wir entsprechende Ausführungen. „Die von den Aposteln in der ganzen Welt verkündete Überlieferung kann jeder in jeder Kirche finden, der die Wahrheit wirklich sehen will. Und wir können die von den Aposteln eingesetzten Bischöfe und ihre Nachfolger bis auf unsere Tage aufzählen“ (3,3,1). 

„Nachdem also die heiligen Apostel (gemeint sind Petrus und Paulus)1 die Kirche (von Rom) gegründet und errichtet hatten, übertrugen sie dem Linus die Verwaltung des Episkopates. ... Auf ihn folgt Anakletus, nach ihm erlangt an dritter Stelle das Bischofsamt von den Aposteln Klemens, der die heiligen Apostel noch sah und mit ihnen verkehrte. Er vernahm also noch mit eigenen Ohren ihre Predigt und hatte ihre Überlieferung vor Augen, wie überhaupt damals noch viele lebten, die von den Aposteln unterrichtet waren. ... In dieser Ordnung und Reihenfolge ist die apostolische Überlieferung in der Kirche und die Verkündigung der Wahrheit auf uns gekommen, und vollkommen schlüssig ist der Nachweis, daß es derselbe lebenspendende Glaube ist, der in der Kirche von den Aposteln bis jetzt gehütet und bewahrt worden ist in der Wahrheit“ (3,3,2). „Den Glauben haben wir von der Kirche empfangen und wir bewahren ihn rein. Er ist ... ein kostbarer Schatz in einem guten Gefäß. ... Er ist der Kirche anvertraut, ein Geschenk Gottes gleichsam zur Beseelung des Geschöpfes, auf daß alle Glieder, die ihn aufnehmen, belebt werden. In ihm ist die Gemeinschaft mit Christus verliehen, d.h. der Heilige Geist, das Pfand der Unvergänglichkeit, das Mark unseres Glaubens, die Leiter des Aufstiegs zu Gott“ (3,24,1). 

„Den Priestern der Kirche muß man gehorchen, die die Nachfolge der Apostel haben, ... sie haben mit der Nachfolge des Bischofsamtes die zuverlässige Gnadengabe der Wahrheit, nach dem Wohlgefallen des Vaters, empfangen. Allen anderen, die sich von der katholischen Nachfolge fernhalten ... muß man als Irrlehrern ... mit Mißtrauen begegnen. ... Sie alle sind von der Wahrheit abgefallen“ (4,26,2). „Das Kennzeichen des Leibes Christi hat man in der Nachfolge der Bischöfe, denen die Apostel die ganze Kirche allerorts übergeben haben. Hier ist die (Heilige) Schrift in unverfälschter Überlieferung bewahrt, nichts ist hinzugetan, nichts fortgenommen. Hier wird sie ohne Fälschung verlesen und richtig, echt, sorgfältig, gefahrlos und gottesfürchtig erklärt“ (4,33,8). 

 

Die Praxis

Nun entstanden leider in der Christenheit im Laufe der Zeit mehr als genügend an verschiedensten Irrlehren, unser Herr hat es in Seiner Allwissenheit ja vorausgesagt. Zu den Begründern und Vertretern dieser Häresien zählten nicht nur Laien, sondern auch Priester und besonders Bischöfe als rechtmäßig eingesetzte Hirten. Die Kirche mußte sich nun mit diesem höchst unerfreulichen Phänomen auseinandersetzen. Wie hat sie reagiert? 

In Entsprechung zu der im letzten Heft („Beiträge“, 6/96, S.13f.) bereits zitierten Stelle des Galaterbriefes (1,8f.) sind nun die Fälle dieser Amtsträger auf den eigens zu diesem Zweck einberufenen Bischofssynoden behandelt worden. Verharrte der Betreffende hartnäckig in seiner Irrlehre, dann ist er mit dem kirchlichen Bann belegt, d.h. exkommuniziert worden. Durch diese mit der Exkommunikation verbundene Amtsenthebung (speziell der Bischöfe) sind die unter deren Autorität stehenden Gläubigen von ihrer Verpflichtung zum kirchlichen Gehorsam automatisch entbunden worden. An die Stelle der abgesetzten Amtsträger traten nun rechtgläubige Würdenträger. Die Zahl der Beispiele dafür ist in der Kirchengeschichte enorm. Es sei nur die Absetzung des Bischofs Paulus von Samosata auf der zweiten großen Synode zu Antiochien im Jahre 268 erwähnt. Als Vertreter einer Lehre, die Jesus für einen bloßen Menschen hielt, in dem die Weisheit Gottes „wie in einem Tempel“ wohnte, ist er in einer Konzilsdisputation der Häresie überführt und schließlich exkommuniziert worden. An seine Stelle wurde ein rechtgläubiger Kandidat bestellt. Übrigens verhielten sich die Gegner der katholischen Lehre nach demselben Muster, so daß man von einem allgemeinen Prinzip und einer allgemeinen Praxis reden kann. 

Nicht anders als zu den übrigen Hierarchen hatte man sich auch zu den Inhabern von altkirchlichen Patriarchensitzen verhalten, die im Osten noch bis heute ein besonderes Ansehen genießen. So wurden z.B. der Bischof Macedonius von Konstantinopel im Jahre 360, sein späterer Nachfolger Nestorius auf dem 3. allgemeinen Konzil zu Ephesus (431), der Patriarch Dioskur von Alexandrien auf dem 4. allgemeinen Konzil zu Chalcedon (451) exkommuniziert und abgesetzt. Auch der Papst als Bischof von Rom, dessen besondere Stellung innerhalb der Kirche immer anerkannt war, erfuhr keine spezielle Behandlung. Hat ja der hl. Paulus weder für sich noch für die Engel eine Ausnahme gemacht! 

Für viel Diskussionsstoff sorgte und sorgt der Fall des Papstes Honorius, der beschuldigt wurde, die Häresie des Monotheletismus1 begünstigt zu haben. Bei der Behandlung unseres Themas über die kirchliche Autorität wollen wir nicht der Frage nachgehen, ob er tatsächlich häretisch war oder nicht - die Theologen streiten sich darüber. Was uns interessiert, ist die historische Feststellung, daß auf dem 6. allgemeinen Konzil zu Konstantinopel (680/681) u. a. auch Honorius mehr als 4 Jahrzehnte nach seinem Tod noch als Irrlehrer verurteilt wurde. Papst Leo II. (682-683) bestätigte die Beschlüsse der genannten Synode. „In dem feierlichen Glaubensbekenntnis, das die mittelalterlichen Päpste eine Zeitlang bei ihrem Amtsantritt ablegten, wird Honorius ... als einer angeführt, ´qui pravis eorum adsertionibus fomentum impendit´ (der das Aufkommen ihrer falschen Behauptungen begünstigte). Immerhin ward seine aus Nachlässigkeit hervorgehende Schuld auch in Rom als so schwer angesehen, daß er in jenem Glaubensbekenntnis mit den Häretikern verurteilt wurde.“ 1 Man wußte, die kirchliche Autorität kommt letztendlich von Gott und nicht von den Menschen, deshalb dürfe sie nicht mißachtet werden! Die Apostel empfingen ihre Vollmachten direkt von Christus und setzten ihrerseits Hirten der Kirche ein. Und so alle Jahrhunderte hindurch. Die hierarchische Struktur der Kirche ist ja auch auf dem Prinzip des Gehorsams aufgebaut. Aber dennoch fand die Autorität ihre Grenzen am groben Verschulden des (höheren) Klerus. Leider ist das Bewußtsein davon in der neueren Zeit fast dem Verschwinden nahe. 

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde der Templerorden, der bis dahin durch seine aufopferungsvolle Tätigkeit ziemlich großes Ansehen und Macht gewonnen hatte, kirchlicherseits aufgehoben. Der Motor der Vernichtung dieses Ordens war der französische König Philipp IV., der sich eher von niedrigeren Motiven bewegen ließ - er liebäugelte mit dessen großen Reichtümern. Wie dem auch sei, ob sich nun der Templerorden tatsächlich etwas hat zuschulden kommen lassen oder nicht, wollen wir hier nicht behandeln. Wichtig für uns ist: die Vorwürfe, die gegen die Templer hervorgebracht wurden und schließlich für deren Vernichtung ausschlaggebend waren, erstreckten sich von Unzucht bis Häresie und Blasphemie. Bei solchen schwerwiegenden Vergehen - vorausgesetzt, es handelt sich nicht bloß um böswillige Gerüchte und Verleumdungen - bleibt der Kirche nichts anderes übrig: sie muß um der Reinheit des Glaubens und der Sitten willen reagieren! 

Das Konzil von Trient hat den Lehrausführungen zu bestimmten behandelnden Glaubenspunkten noch cánones folgen lassen, in denen der katholische Glaube von irrgläubigen Auffassungen abgegrenzt wurde. Jeder dieser cánones wurde mit „Wer sagt, ...“ eingeleitet. Nach der Darlegung der falschen Lehre heißt es zum Schluß dieser cánones immer: „... der sei ausgeschlossen“. Es ging nicht nur darum, die Irrlehre als solche zu verwerfen, auch die Vertreter und Befürworter dieser Häresien wurden aus der Gemeinschaft der katholischen Kirche ausgeschlossen. Von einer Ausnahmeregelung für den (höheren) Klerus ist dabei keine Rede. 

In seiner Bulle „Cum Ex Apostolatus Officio“3 vom 15.03.1559 führt Papst Paul IV. aus: 
„Sollte zu irgendeinem Zeitpunkt an den Tag kommen, daß ein Bischof, ... oder gar der Römische Pontifex vor seiner Beförderung (zum Bischof usw.) ... vom katholischen Glauben abgewichen sei oder irgendeine Irrlehre übernommen habe, so ist die Beförderung bzw. die Amtsübernahme, auch wenn alle Kardinäle ihr einmütig zugestimmt haben, null und nichtig. Sie kann weder durch die Amtsübernahme, die Weihe ... noch durch die Inthronisation ... Gültigkeit erlangen. Sie darf auch nicht für teilweise legitim gehalten werden. Sie überträgt solchen Personen, die zu Bischöfen ... befördert ... oder auf den Stuhl Petri berufen wurden, keine Befehlsgewalt in geistlichen oder weltlichen Dingen. Vielmehr haben alle ihre Worte, Taten, Handlungen und Verfügungen mitsamt ihren Folgen nicht die geringste rechtliche Wirksamkeit noch verleihen sie irgendjemand ein Recht. Die so beförderten oder berufenen Personen selbst verlieren eo ipso und ohne weitere Deklaration ihre Würde, Stellung, ... Autorität, Amt und Gewalt samt und sonders“ (§6). Für die untergebenen Gläubigen ergeben sich dadurch weitreichende Folgen: „Alle Untergebenen von so Beförderten oder Berufenen ..., sie alle haben ... das Recht, jederzeit Gehorsam ... gegenüber diesen so Beförderten oder Berufenen ungestraft zu verweigern und sie ... zu meiden. Doch bleiben eben diese Untergebenen trotzdem zu Treue und Gehorsam gegen die künftigen Bischöfe, Erzbischöfe, Patriarchen, Primaten, Kardinäle und gegen den künftigen rechtmäßig angetretenen Papst verpflichtet“ (§7). 

Paul IV. behandelt hier den Fall eines Amtsträgers, der schon vor der Amtsübernahme vom wahren Glauben abgewichen war. Der Fall, daß der Abfall vom Glauben sich nach der erfolgten Amtsübernahme ereignet, wird hier nicht (ausdrücklich) berücksichtigt. Dennoch wäre es ein theologischer Nonsens, wollte man behaupten, ein Hirte der Kirche behalte sein Amt und die ihm für einen ganz bestimmten Zweck verliehene Autorität, wenn er - zeitlich gesehen - erst nach der Amtsübernahme irrgläubig werde. Dadurch würde man das kirchliche Amt seiner gottgegebenen Bestimmung berauben und es ungebührlich verabsolutieren! Daß das kirchliche Amt keinem Selbstzweck zu dienen hat, zeigt uns die gesamte Kirchengeschichte. 

Im 4.Abschnitt seines 2.Buches „De Romano Pontifice“ behandelt der hl. Robert Bellarmin den Sonderfall der Häresie eines bereits amtierenden Papstes. Nach eingehender Untersuchung, in deren Verlauf er verschiedene Ansichten der Theologen zu diesem Thema beurteilt, kommt er zum Ergebnis, ein „offenbar ketzerischer Papst höre von selbst auf, Papst und Haupt der Kirche zu sein“. Dabei beruft er sich auf Cyprian, Ambrosius, Augustinus, Thomas von Aquin, die Päpste Cölestin I. und Nikolaus I., denen zufolge die Irrlehrer aller Jurisdiktion und Macht entbehren. Wer ausführlicher die Argumentation dieses Theologen mitverfolgen möchte, sei auf die Ausführungen in den SAKA-Informationen, Jan.1987 verwiesen. 

In seinem Motu proprio „Praestantia Scripturae“ vom 18.11.1907 führt der hl.Pius X. nach der Feststellung, daß die Modernisten „allem und jedem seine Bedeutung und seine Wirksamkeit zu rauben“ versuchen, aus: „Daher, kraft Unserer Apostolischen Autorität, wiederholen und bekräftigen Wir sowohl jenes Dekret der Hl. Römischen Kongregation („Lamentabili Sane Exitu“ vom 03.07.1907) als auch Unsere Enzyklika („Pascendi Dominici Gregis“ vom 08.09.1907) durch Hinzufügung der Strafe der Exkommunikation gegen die Widerspenstigen. Und Wir erklären und ordnen an: Wenn jemand - was Gott verhüten möge - so weit in seiner Verwegenheit gehen würde, daß er irgendeine von den Thesen, Meinungen und Lehrsätzen, welche in einem von beiden der von Uns oben genannten Dokumente getadelt worden ist, verteidigen wollte, so ist seine Strafe die ... auferlegte, die auf vollbrachte Tat von selbst folgende Zensur der automatisch eintretenden Exkommunikation“ (Karl Haselböck, Freude an der Wahrheit. Nr.14, S.23). Also spricht Pius X. die „ipso facto“ (mit der Tat) eintretende Exkommunikation aus. Mit der Irrlehre werden immer die „Verbreiter und Verteidiger von Häresien“ (so der Papst) verurteilt, was allein dem Wesen eines Ausschlusses entspricht. 

 

Gesetzgebung

„Kraft göttlichen Rechtes sind eigenberechtigte Träger hoheitlicher Lehrgewalt der Papst und die Bischöfe (vgl. Kirchenrecht von 1917, cc.1326-1328). ... Der hoheitliche Charakter der Lehrgewalt leitet sich her aus der Hirtengewalt.“30 Die Amtsübernahme durch die zum Papst Gewählten bzw. zu Bischöfen Ernannten ist an den Empfang der Bischofsweihe gebunden. Zu einer Weihe aber, um welche auch immer es sich dabei handeln mag, kann grundsätzlich nur zugelassen werden, wer frei ist von Weihehindernissen, zu denen laut CIC u. a. auch Glaubensabfall, Häresie und Schisma (can.985, n.1) gehören. Bezeichnenderweise wird nach dem (überlieferten) Römischen Ritus bei der Bischofsweihe ein ausführliches Examen der Bischofskandidaten durchgeführt, das in der Befragung zu einzelnen Glaubenspunkten besteht. Nach katholischen Prinzipien wäre es völlig undenkbar, jemand zu weihen oder kirchliche Ämter - gerade die höheren oder das höchste - zu übertragen, der nicht den vollen katholischen Glauben teilt! 

So sagt auch das „Lexikon für Theologie und Kirche“: „Wählbar (als Papst) ist jeder rechtgläubige männliche Katholik mit Ausnahme der unmündigen Kinder und der Geisteskranken. ... Natürlich müssen die für den Empfang der Priester- und Bischofsweihe erforderlichen wesentlichen Bedingungen erfüllt sein“5. Außerdem: „Papst ist natürlich nur der, der rechtmäßig gewählt ist ..., der die Wahl angenommen hat, solange er Glied der Kirche ist, also nicht durch offenkundige Häresie oder Schisma sich von ihr trennt, und der handlungs- und zurechnungsfähig ist“6. Daher „gilt ein Kirchenamt ohne weiteres als erledigt, ohne daß es einer Erklärung des Amtsinhabers oder des zuständigen Oberen bedarf, wenn einer der folgenden Tatbestände vorliegt: ... 
d) wenn der Amtsinhaber öffentlich vom katholischen Glauben abgefallen ist; 
e) wenn er eine Ehe, wenn auch nur eine sog. Zivilehe, geschlossen hat;
g) wenn er die geistliche Tracht eigenmächtig ohne gerechten Grund abgelegt ... hat; ...
In diesen Fällen wird zwingend angenommen, daß der Amtsinhaber durch schlüssige Handlung auf das Amt verzichtet habe, weil er die Amtspflichten nicht mehr erfüllt, nicht mehr erfüllen will oder kann, oder sich vom geistlichen Stand losgesagt hat. Das Amt ist ohne weiteres erledigt.“7 

„Ein Kirchenamt kann nur einem Kleriker übertragen werden (can.153 §1). Für die meisten Kirchenämter, besonders für die Ämter, die im inneren oder äußeren Bereich der Seelsorge dienen, ist der Besitz der Priesterweihe zwingend vorgeschrieben (can.154)“8. So wird selbstverständlich auch für die angehenden Priester das Freisein von den vorhin genannten Weihehindernissen verlangt! Legen sie ja auch bei der Priesterweihe das Apostolische Glaubensbekenntnis als Zeichen ihres ungeteilten katholischen Glaubens ab. In Entsprechung dazu verpflichtete der hl. Papst Pius X. im Jahre 1910 angesichts der zunehmenden Gefahr der modernistischen Bewegung: 
- jeden angehenden Subdiakon;
- alle Priester, bevor sie die Vollmacht zum Beichthören und Predigen erhalten;
- alle Pfarrer, Kanoniker usw., wenn sie ihr Amt antreten;
- alle Beamten der bischöflichen und päpstlichen Kurie und 
- alle Ordensoberen und -lehrer vor Übernahme ihres Amtes, 
nach vorhergehender Ablegung des Glaubensbekenntnisses den „Eidschwur gegen die Irrtümer des Modernismus“ abzulegen. Bezeichnenderweise ist dieser „Antimodernisteneid“ von Paul VI. abgeschafft worden, obwohl die Gefahr des Modernismus keinesfalls gebannt war, sondern eher bedrohlichere Ausmaße angenommen hatte! 

Eine prägnante Zusammenfassung diesbezüglicher kirchenrechtlicher Bestimmungen finden wir im can.2314 §1: „Alle, die vom christlichen Glauben abgefallen sind, und alle Häretiker oder Schismatiker:

1. verfallen ipso facto der Exkommunikation;

2. wenn sie sich trotz erhaltener Warnung nicht bekehren, sind die von ihnen etwa bekleideten ... Ämter, die ihnen verliehenen Würden ... zu entziehen, sie sind als kirchlich ehrlos zu erklären, und bei den Klerikern ist nach erneuter Warnung die Absetzung auszusprechen.“ 

„Wer in irgendeiner Weise freiwillig und wissentlich zur Verbreitung einer Irrlehre beiträgt, oder wer (aktive) gottesdienstliche Gemeinschaft mit den Irrgläubigen pflegt, verfällt dem Häresieverdacht“ (can.2316). „Unterstützung der Häresie ist ein Verhalten, wodurch die Ausbreitung der Häresie begünstigt wird. Sobald das Verhalten dahin geht, daß die Häresie selbst bejaht wird, liegt nicht mehr bloßer Häresieverdacht, sondern Häresie selbst vor. Die Unterstützung kann in einem Tun ... oder auch in einem Unterlassen bestehen ... . Das Tun oder Unterlassen muß objektiv geeignet sein, die Ausbreitung der Häresie zu fördern; der Täter muß darum wissen und es aus freien Stücken wollen.“9 

„Wer sich der Häresie verdächtig gemacht hat und nach erhaltener Ermahnung den Verdachtsgrund nicht beseitigt, kann keine rechtskräftigen Jurisdiktionsakte vollbringen. Gegen einen Kleriker ist nach wiederholter nutzloser Ermahnung darüberhinaus noch die Suspension a divinis auszusprechen. Wenn er nach Ablauf von sechs Monaten seit der Verhängung (dieser) Kirchenstrafe den Häresieverdacht nicht beseitigt, ist er als ein Irrgläubiger zu betrachten, als jemand, der den Strafen eines Irrgläubigen verfallen ist“ (can.2315). 

Die Kirche verhängt keine Kirchenstrafe allein um der Strafe willen. Den kirchlichen Amtsinhabern kann es letztendlich nur um das ewige Heil der ihnen von Christus anvertrauten Gläubigen gehen, für die sie große Verantwortung übernommen haben. Um aber möglichst einen Schaden von den Gläubigen abzuhalten, ist die kirchliche Obrigkeit gegebenenfalls sogar verpflichtet, geeignete Schritte zwecks der Reinhaltung der göttlich geoffenbarten Religion einzuleiten, wobei diese Schritte unbedingt von Klugheit, Verantwortungsbewußtsein und Umsicht begleitet werden müssen! Dieser kurze Verweis auf die Zeugnisse der Tradition, auf die Praxis und die Gesetzgebung der Kirche läßt uns neben den Bedingungen für das Zustandekommen der kirchlichen Autorität auch ihre Grenzen erkennen. 

 

P. Eugen Rissling



1 Ergänzungen und Hervorhebungen in den Zitaten sind überwiegend vom Autor dieses Aufsatzes. 
2 Der Monotheletismus lehrt, Christus habe zwar zwei Naturen besessen, die göttliche und die menschliche, aber nur einen Willen. Der menschliche Wille sei gänzlich im göttlichen Willen aufgegangen. 
3 Bihlmeyer, Tüchle, Kirchengeschichte. Paderborn 1962. Teil I, S.309. 
4 Aus: Codicis Iuris Canonici Fontes, hrsg. von Pietro Gasparri. Vol. I, Rom 1947. 
5 Mörsdorf,K., Lehrbuch des Kirchenrechts. 1953. II.Band, S. 377. 
6 LThK, 1935, VII.Band, Sp.941; vgl. LThK, 1963, VIII.Band, Sp.62. 
7 LThK, 1963, VIII.Band, Sp.47. 
8 Mörsdorf, I. Band, S.311 zu can.188. 
9 ebd. S.291. 
10 ebd., III. Band, S.420.

 

 

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