Zeichen des Widerspruchs“


Im Lukasevangelium vernehmen wir, wie Simeon, der „gerecht und gottesfürchtig war“, der „auf den Trost Israels harrte, und Heiliger Geist ruhte auf ihm“ (Lk 2,25), bei der Darstellung Jesu im Tempel zu Jerusalem sehr ernsthafte Worte zu Maria sagte: „Siehe, dieser ist bestimmt zum Fall und zur Auferstehung vieler in Israel und zum Zeichen des Widerspruchs“ (Lk 2,34). Bald nach der Geburt Jesu wird hier in einer Prophetie klargestellt, was den „neugeborenen König der Juden“ (Mt 2,2) in Seinem Leben auch erwarten wird. 

Bei der Geburt Christi selbst hat noch das Element der Freude eindeutig überwogen: den Hirten auf dem Feld wurde „von einem Engel des Herrn“ „eine große Freude“ verkündet, „die allem Volk zuteil werden soll“ (Lk 2,9f.), dass nämlich „in der Stadt Davids der Heiland geboren“ wurde, „der Messias und Herr“ (Lk 2,11). Alsbald sang „eine große himmlische Heerschar“: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen Seiner Huld“ (Lk 2,13f.)! 

Aber schon vierzig Tage danach, bei der Darstellung im Tempel eben, wird Seiner Mutter in aller Klarheit mitgeteilt, dass sich an ihrem Kind die Geister scheiden werden: auf der einen Seite werden zwar viele in Ihm ihren Erlöser finden, denen Er sozusagen „zur Auferstehung“ gereichen wird, auf der anderen Seite aber werden ebenfalls nicht wenige an Ihm zur gleichen Zeit auch Anstoß nehmen, Ihm widersprechen, Ihn ablehnen, und somit angesichts Seiner Person und Seines Lebens zu „Fall“ kommen! Denn der Mensch ist ja vom Schöpfer bekanntlich mit der Willensfreiheit ausgestattet worden, mit der ihm angeborenen Fähigkeit, sich frei für oder gegen einen Wert zu entscheiden. Und nicht jeder, der im Lauf der Zeit mit dem Evangelium Jesu Christi konfrontiert wurde und mit Seiner Lehre in Berührung kam, war auch tatsächlich bereit, Christus die eigene Gefolgschaft auszusprechen und sich Seinem sanften Joch (vgl. Mt 11,30) zu unterwerfen. 

Die inzwischen 2000-jährige Geschichte der Christenheit und der Kirche liefert genügend entsprechende Anschauungsbeispiele hierfür. Haben denn wirklich alle, die jemals Kunde von Christus vernahmen, Ihm auch tatsächlich freudeerfüllt zugejubelt? Gab (und gibt) es denn nicht auch solche zahlreiche Fälle, in denen sich die Menschen nicht nur nicht zu einem klaren Ja zu Ihm durchringen konnten, sondern sich auch noch für ein bewusstes Nein zu Ihm entschieden haben? 

Man darf nicht naiv sein zu meinen, die fehlende positive Zustimmung zur christlichen Religion beruhe ausschließlich auf einem Mangel an adäquatem Wissen um die Person und Sendung Christi. Zwar sind nicht wenige jener, die fernab vom christlichen Glauben stehen, tatsächlich falschen Behauptungen über den christlichen Glauben und Fehlinterpretationen seiner Lehren zum Opfer gefallen, so dass sie sich fälschlicherweise für berechtigt halten, das Christentum abzulehnen. Aber dennoch würde man damit nicht die Gesamtheit des Phänomens der Ablehnung Christi erklären können. Denn neben solchen Fällen gibt es auch solche, in denen das Fehlen christlicher Überzeugung keinem anderen Umstand zuzuschreiben ist als der bewussten Feindschaft zu Gott! Hier liegt es nicht daran, dass das Wissen um die zentralen Heilsgeheimnisse des Christentums nicht (mehr) vorhanden sind, sondern dass man ganz einfach nicht willens ist, Gott über sich anzuerkennen, Ihm seine eigene Willensfreiheit zu unterwerfen! 

Somit ist die Ablehnung der Person Christi gelegentlich wohl auch der bewussten Bosheit, der voll absichtlichen Gegnerschaft und Feindschaft zu Gott, wie Er sich eben in der Menschheitsgeschichte in Jesus Christus offenbarte, zuzuschreiben! Und erst im Lichte dieser Feststellung sind bisweilen einige Ereignisse im Lauf der Geschichte zu verstehen und zu erklären. Man betrachte z.B. nur die Schuld und die Verlogenheit jener, die für das furchtbare Verbrechen der Verurteilung und Kreuzigung Jesu verantwortlich waren. Seine Äußerung: „Jerusalem, Jerusalem! Du mordest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft wollte Ich deine Kinder sammeln, wie eine Henne ihre Küchlein sammelt; aber ihr habt nicht gewollt!“ (Mt 23,37), ist eine klare Bewertung deren Interessen und Motive aus dem Munde Christi selbst. Und man kam darin überein, „Jesus mit einer List festzunehmen und zu töten“ (Mt 26,3-5), und man war bereit, sich dabei eines falschen Zeugnisses zu bedienen (vgl. Mk 14,55-59), und man hatte es für angebracht gehalten, sich plötzlich für besondere Freunde des sonst verhassten (heidnischen) Römischen Kaisers auszugeben (Joh 19,12-16) und das Volk gegen Jesus aufzuwiegeln (vgl. Joh 15,11). Bis man dann für kein sachliches Argument mehr zugänglich war und nur noch vor lauter Wut blind um sich herumschrie: „Ans Kreuz mit ihm!“ (Joh 15,14f.) Und diese Ablehnung Christi hat sich von verschiedenen Seiten auch später im Leben und in der Geschichte Seiner Kirche fortgesetzt. Wie oft sind denn nach Christi Himmelfahrt in verschiedenen Ecken des Erdkreises heftige Verfolgungen der Christenheit seitens deren Feinde ausgebrochen; wie viele Gläubige, Priester, Ordensleute sowie Laien, mussten denn verschiedenartigste Benachteiligungen um der Wahrheit Christi willen in Kauf nehmen und nicht selten sogar auch ihr Leben lassen; wie zahlreich sind denn kirchliche Gotteshäuser und Einrichtungen profaniert oder dem Boden gleichgemacht worden... Und alles wohlgemerkt aus Hass der christlichen Religion! 

Und man darf nicht meinen, der Name Christi sei heute in der westlichen Welt sowohl in jeglicher Hinsicht als auch im vollen Umfang frei verkündbar. Denn welch ein starker Wind bläst einem entgegen, bekennt man sich in der Gegenwart ohne Abstriche zu überlieferten dogmatischen Glaubensaussagen des Christentums und der katholischen Kirche? Denn was heute von der Gesellschaft noch geduldet wird, ist lediglich eine irgendwie geartete religiöse Praxis, die sich im Fahrwasser der modernen „aufgeklärten“ Weltanschauungen bewegt bzw. darin zu bewegen habe. Sogar die sogenannten eigenen „Brüder und Schwestern“ machen sich vielerorts für ein „Christentum“ stark, das nicht anders als eine (von der Freimaurerloge unterminierte) humanistische Verbrüderungsgemeinschaft ohne absolut geltende Wertvorstellungen zu definieren ist! Diese Realität ist nicht nur daran abzulesen, dass das Christentum heute von der Politik und der breiten Öffentlichkeit gern als ein lediglich karitativtätiger Sozialverband postuliert wird, sondern auch daran, wie fleißig und emsig in der Gegenwart von vielen Seiten am Pantheon aller Religionen gebastelt wird! 

Bekanntlich hat ja der römische Staat des Altertums die Verehrung seiner vielen heidnischen Götzen gefördert. „Den besiegten Völkern wurde die Beibehaltung ihres Kultes zwar in der Regel gestattet, ihren Gottheiten sogar Aufnahme in den Kreis der römischen Götter gewährt. Den Anhängern der monotheistischen Religionen (die nur von der Existenz eines einzigen Gottes ausgingen, also den Juden und Christen - Anm.) ward freilich letzteres Zugeständnis nicht zuteil, da sie nicht gleich den heidnischen Untertanen die Götter Roms neben ihrem Gotte verehren konnten. Doch bewies der römische Staat den Juden gegenüber im allgemeinen Toleranz, da ihre Religion eben doch überwiegend auf nationaler Grundlage beruhte und die Zahl der jüdischen Proselyten geraume Zeit verhältnismäßig gering war.“ (Bihlmayer, Tüchle, Kirchengeschichte, Band I, Paderborn 1962, S. 73f.) „Bei den Christen lagen die Dinge aber grundsätzlich anders als bei den Juden. Ihre Religion war keine alte und nationale wie die jüdische, sondern neu und universal gerichtet; sie hatte Bekenner aus den verschiedensten Nationen und Völkern, ja sie machte einen Anspruch darauf, die ganze Welt (geistig - Anm.) zu erobern und alle anderen Religionen zu verdrängen“ (ebd., S. 73). Und dieser Umstand, dass das Christentum im Wissen um die Heilsnotwendigkeit des Glaubens an Jesus Christus als den göttlichen Erlöser nämlich alle anderen Religionen ablehnte und somit in der Konsequenz auf dem ganzen damals bekannten Erdkreis missionarisch tätig wurde, ist der eigentliche springende Punkt, weshalb es vom römischen Imperium systematisch massiven Verfolgungen ausgesetzt wurde! 

Und symbolisch kamen diese historischen Verhältnisse in dem „Pantheon“ genannten römischen Tempelbauwerk (27 v. Chr., erneuert 115-125) zum Ausdruck, in dem zwar mehrere Altäre zu Ehren verschiedener heidnischer Götzen standen, ein christlicher Altar dagegen fehlte, was - wie wir oben sahen - nicht zufällig war! Hätten die Christen den Absolutheitsanspruch damals nicht so konsequent und entschieden aufrechterhalten, hätte die Kirche ihre Missionstätigkeit eingeschränkt, wenn nicht sogar gänzlich eingestellt, d.h. hätte sie wie auch immer am Pantheon aller Religionen des Altertums mitgemacht, wäre sie, wie eben das Judentum, wohl in Ruhe gelassen worden. Weil aber die junge Kirche nicht den menschgewordenen göttlichen Erlöser Jesus Christus verleugnen konnte, weil sie unbedingt am Bekenntnis des unveränderbaren heiligen katholischen Glaubens festhalten wollte, musste sie auch bereit sein, Anstoß zu erregen, Widerspruch hervorzurufen und gegebenenfalls auch Verfolgungen seitens der Feinde bzw. der Gegner des Namens Christi auf sich zu nehmen. „Der Jünger steht nicht über dem Meister und der Knecht nicht über seinem Herrn. Der Jünger muss zufrieden sein, wenn es ihm geht wie seinem Meister, und der Knecht, wenn es ihm geht wie seinem Herrn. Hat man den Hausherrn Beelzebub geschmäht, um wieviel mehr seine Hausgenossen“ (Mt 10,24f.) Und wollen wir heute aus Liebe zu Gott ebenfalls die Treue zu Christus halten, muss unser Glaube gleichfalls felsenfest, unsere Hoffnung gleichermaßen unerschütterlich und unsere Liebe zu Gott gleichstark lebendig sein. 

Seltsamerweise ist heute häufig genug die Auffassung anzutreffen, der Inbegriff und das Ideal des Christseins bestehe darin, sich nicht unbedingt auseinandersetzend zu betätigen, der abweichenden Meinung von Mitmenschen möglichst mit Verständnis und Wertschätzung zu begegnen, einen jedweden Konflikt um jeden nur denkbaren Preis zu schlichten, bei Bedarf sogar um den Preis der Relativierung der eigenen Position. Dem muss klar widersprochen werden! Es gehört auch heute noch zu den Aufgaben und Pflichten der Christenheit, eine zwar anständige und persönlich nicht verletzende, aber dennoch klare und unmissverständliche Sprache zu führen, d.h. sowohl die von Gott in Jesus Christus geoffenbarte Wahrheit ohne Abstriche und faule Kompromisse sachlich beim Namen zu nennen, als auch, ohne falsche Rücksichten, Furcht und Scheu Unrecht als Unrecht und Sünde als Sünde zu bezeichnen. Also darf, ja muss bisweilen auch ein klares Nein zum Vokabular eines Christen gehören, auch auf die Gefahr hin, dass unüberwindliche Meinungsverschiedenheiten zu Tage treten! 

Trotz aller Besonnenheit und Umsicht darf ein katholischer Christ grundsätzlich nicht davor zurückschrecken, gelegentlich auch zu widersprechen. Denn was kann von einem gottsuchenden und gottliebenden Menschen anderes als Maßstab aller Dinge in Betracht gezogen werden als Gott allein? Und bei weitem nicht alles, was die Menschen von sich geben, steht in Entsprechung zum göttlichen Willen und Gebot. Vor allem muss unsererseits ein klares Nein auch zu den inzwischen ziemlich weit fortgeschrittenen Versuchen fallen, einen neuzeitlichen Pantheon aller Religionen zu errichten! (Vgl. dazu auch „Beiträge“/34, S. 5-11.) Parallelen zur historischen Situation der jungen Christenheit sind ja unverkennbar. Denn es ist nach wie vor „kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir das Heil erlangen sollen“ (Apg 4, 12) als der Jesu Christi, mag wer auch immer (im Prinzip gelegentlich auch Johannes Paul II.!) das Gegenteil davon behaupten. 

Und sollten wir darüber hinaus für „würdig befunden“ werden, „um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden“, wollen wir uns darüber gleich den Aposteln sogar aufrichtig freuen (vgl. Apg 5, 41). „Wer immer vor den Menschen sich zu Mir bekennt, zu dem werde auch Ich mich bekennen vor Meinem Vater im Himmel. Wer Mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch Ich verleugnen vor Meinem Vater im Himmel“ (Mt 10, 32f.)! Und nur durch dieses kompromisslose Festhalten an den genuinen Glaubensaussagen der christlichen Offenbarung werden wir allen Widerständen zum Trotz nicht vom rechten Weg abirren, sondern durch den Geist Christi „mit Kraft innerlich stark“ werden und in Seiner „Liebe festgewurzelt und festgegründet“ sein (vgl. Eph 3,16f.) Nur so werden wir in aller Bescheidenheit und Demut „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“ (Mt 5,13.14) darstellen können. Nur so werden wir in die Lage versetzt werden, die göttliche Sendung Christi fortzusetzen, indem wir Seine Wahrheit tapfer und mutig in eine Welt hinein verkünden, die „in Finsternis und Todesschatten sitzt“ (Lk 1,79). Nur so werden wir es vermögen, jenen Menschen, die im eigenen Erfahren um das Ungenügen des rein Irdischen auf der Suche nach Gott sind, Orientierung zu vermitteln. Und nur so kann dem allmächtigen und barmherzigen Gott von der Kirche die Ihm gebührende Ehre dargebracht werden! 

 

P. Eugen Rissling


Zurück Hoch Startseite