„Wer aber ausharrt
bis ans Ende...“
Im Spätsommer und im Herbst feiert die katholische Kirche eine ganze Reihe
von Festen zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria. So begehen wir am
15. August das Fest Mariä Himmelfahrt (in Erinnerung an ihre leibliche
Aufnahme in den Himmel), welches sogar ein gebotener Feiertag ist und sich
des höchsten liturgischen Ranges erfreut. Am 22. August folgt dann das
Fest ihres Unbefleckten Herzens, bei welchem der außergewöhnlichen
Reinheit und der besonderen Liebe der Muttergottes gedacht wird.
Am 8. September steht dann das Fest Mariä
Geburt im kirchlichen Kalender, am 12. September das Fest ihres heiligsten
Namens. Am 15. September gedenken wir der Sieben Schmerzen Mariä und am
24. September des Festes der allerseligsten Jungfrau Maria vom Loskauf der
Gefangenen.
Der ganze Oktober gilt als ein so genannter Rosenkranzmonat, in welchem in
den Familien und Gemeinden eben dieser Rosenkranz gebetet wird. Wobei das
Rosenkranzfest selbst am 7. Oktober begangen wird, auf welches dann am 11.
Oktober das Fest der Mutterschaft der allerseligsten Jungfrau Maria folgt.
Und wenn wir uns besonders bei dieser Anhäufung von Marienfesten Gedanken
über ihre persönlichen Vorzüge und göttlichen Gnadenprivilegien machen,
dann darf dabei auch der Verweis darauf nicht fehlen, dass die Heiligkeit
der Muttergottes unter anderem auch und gerade in ihrer unerschütterlichen
Entschlossenheit im Guten besteht, in ihrer Beharrlichkeit, unbedingt und
unter allen Umständen nur den heiligen Willen Gottes zu tun!
Maria erhielt durch den Erzengel Gabriel von Gott den Auftrag, mittels der
Überschattung durch den Heiligen Geist „einen Sohn (zu) gebären. Dem
sollst du den Namen Jesus geben“ (Lk 1,31). Und Maria willigte ein,
nachdem sie sich über die Gottwohlgefälligkeit dieses Auftrages
vergewissert hatte: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach
deinem Wort“ (Lk 1,38). Und schon gleich ihre Base Elisabeth wusste die
grundsätzliche Haltung Marias im Hinblick auf den Herrgott zu würdigen:
„Selig bist du, da du geglaubt hast, dass in Erfüllung gehen wird, was dir
vom Herrn verkündet worden ist“ (Lk 1,45).
Und die Ereignisse bei der Beschneidung und der Darstellung des Knaben
Jesus im Tempel ließen sie spätestens da erahnen, welchen hohen Preis sie
für ihre Mutterschaft wird zahlen und was sie alles für ihr demütiges
„Fiat“ wird durchleiden müssen! Denn der Greis Simeon sagte ihr ja bei
dieser Gelegenheit im Hinblick auf ihren göttlichen Sohn ohne Umschweife
voraus: „Siehe, Dieser ist bestimmt zum Fall und zur Auferstehung vieler
in Israel und zum Zeichen des Widerspruchs. - Auch deine Seele wird ein
Schwert durchdringen. - So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar
werden“ (Lk 2,34f.)
Was dies bedeutet, hat Maria schon bald darauf erfahren müssen, als
Herodes „in Bethlehem und in dessen ganzem Gebiet alle Knaben von zwei
Jahren und darunter umbringen ließ, entsprechend der Zeit, die er von den
Weisen erforscht hatte“ (Mt 2,16). Man stelle sich also Marias Sorgen und
Bangen auf der Flucht nach Ägypten vor, zumal sie sich darüber im Klaren
war, dass vom Schicksal Jesu, des heißersehnten Messias, auch das
Schicksal der ganze Welt abhing!
Und man überlege sich, welche furchtbaren seelischen Peinen Maria
durchleiden musste, als sie dann später ihren Sohn für die Sünden des
Menschengeschlechtes hat schrecklich leiden und auf dem Holz des Kreuzes
elend sterben sehen! Zumal sie da ganz genau wusste, dass Er wahrer Sohn
Gottes ist, und nicht der geringste Schatten des Unrechts und der Sünde
auf Ihm lastet. Was muss also ihr feinfühlendes Mutterherz während der
einzelnen Stationen der Passion Christi ertragen haben!
Ganz zutreffend drückt die Sequenz aus der hl. Messe vom Fest der Sieben
Schmerzen der allerseligsten Jungfrau die entsprechenden Schmerzen ihres
reinen und mitfühlenden Mutterherzens aus: „Christi Mutter stand mit
Schmerzen bei dem Kreuz und weint von Herzen, als ihr lieber Sohn da hing.
Durch die Seele voller Trauer, seufzend unter Todesschauer jetzt das
Schwert des Leidens ging. Welch ein Weh der Auserkorenen, da sie sah den
Eingeborenen, wie Er mit dem Tode rang! Angst und Trauer, Qual und Bangen,
alles Leid hielt sie umfangen, das nur je ein Herz durchdrang. Wer könnt
ohne Tränen sehen Christi Mutter also stehen in so tiefen Jammers Not?
[...] Lass mit dir mich herzlich weinen, ganz mit Jesu Leid vereinen,
solange hier mein Leben währt. Unterm Kreuz mit dir zu stehen, dort zu
teilen deine Wehen, ist es, was mein Herz begehrt. [...] Lass mich Christi
Tod und Leiden, Marter, Angst und bittres Scheiden fühlen wie dein
Mutterherz.“
Aber Maria floh nicht wie die Apostel (vgl. Mt 26,56), noch weniger
verzweifelte sie wie Judas Iskariot (vgl. Mt 27,3-5), sondern harrte
geduldig und mitleidend unter dem Kreuz Christi aus! Ihre Liebe zu Jesus,
in welchem sie nicht (nach der Art einer jeden Mutter) nur ihr eigenes
Kind sah, sondern darüber hinaus auch ihren Gott und ihren Erlöser, hat
sich nicht in erster Linie in schönen und wohlklingenden Worten
bewahrheitet, sondern vor allem in dieser unbedingten Treue zu Ihm, in
diesem geduldigen Ausharren unter Seinem Kreuz!
Im Offertorium vom Fest Herz Jesu lässt die katholische Kirche den
leidenden Heiland die Worte des Psalmisten sprechen: „Nur Schmähung und
Leid hat Mein Herz zu erwarten. Da schaue Ich aus, ob einer Mitleid mit
Mir habe - niemand kommt. Einen Tröster suche Ich - keinen fand Ich“ (Ps
68,21). Da hat der Psalmist nicht gewusst, dass die Mutter des Erlösers
tatsächlich bei Ihm blieb, dass sie allein durch ihre Anwesenheit unter
Seinem Kreuz unerschütterlich zu Ihm stand, dass sie Ihm durch ihr
mitempfindendes Mit-leiden einen nicht geringen Trost bereitet hatte. Denn
eine treue Seele inmitten des Jesus umgebenden Ozeans von Ablehnung, Hass
und Gotteslästerung, war für Ihn sicherlich sehr viel wert!
Und vielleicht ist die Tatsache, dass Jesus,
in größter Not am Kreuz hängend, Seine Mutter der Obhut des Johannes
anvertraute (vgl. Joh 19,26f.), ein deutliches Zeichen der Anerkennung für
ihre Ihm auf Seinem Leidensweg geleisteten Dienste. Vielleicht ist die
Tatsache, dass Johannes ihr anstelle eines Sohnes übergeben wurde,
Ausdruck besonderer Wertschätzung und Liebe Jesu Christi zu Seiner
jungfräulichen Mutter!
Jedenfalls hat sich die Treue Marias gelohnt, zumal sie unter
schwierigsten und außergewöhnlichsten Bedingungen erwiesen wurde. Jener
nicht geringer Trost, welchen Jesus durch die mit-leidende Anwesenheit
Seiner Mutter bei Seinem Leidensweg sicherlich erfahren hat, ist jene
herrliche Frucht der unbedingten und bedingungslosen Gottesliebe, welche
das Herz der heiligen Jungfrau schon vorher erfüllte und welche nun noch
weiter wuchs!
Und wie sehr fehlt uns häufig diese
Entschlossenheit im Guten, dieses Ausharren auf dem eingeschlagenen guten
Weg! Wie oft nehmen wir uns denn irgend ein gutes Werk vor oder bemühen
uns auf irgend eine andere Art und Weise, geistigen Fortschritt zu
erzielen oder einen Nutzen vor allem für unser Seelenheil zu erlangen. Wir
beginnen dieses Werk, halten eine Zeitlang durch, trotzen dabei vielleicht
sogar etlichen widrigen Umständen. Aber weil uns die Ausdauer fehlt, weil
unser Wille nicht genügend geschult und gehärtet wurde im Guten, werden
wir schwach, halten es beim begonnenen guten Werk nicht bis zum Ende aus
und geben dann schlussendlich vielleicht sogar gänzlich auf.
Oder wir erkennen ganz deutlich die Notwendigkeit des Kampfes gegen den
bösen Feind: gegen die Anfechtungen und Versuchungen des Teufels, gegen
unseren leichtfertigen Umgang mit der sittlichen Gefahr, gegen die eine
oder andere unserer Verwicklungen in die Sünde. Und vielleicht quält uns
dabei die Stimme des eigenen Gewissens schon seit Jahren. Wir bäumen uns
dann auch endlich gegen dies alles auf und beginnen auch tatsächlich, das
eigene gute Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wir machen auch etliche
Schritte vorwärts und freuen uns über den erzielten Erfolg. Und dieser
beflügelt uns, weitere Zeichen der Besserung und der Umkehr zu setzen.
Aber wiederum gehen wir auf dem eingeschlagenen guten Weg nur eine
Teilstrecke voran und halten nicht bis zum guten Ende durch. Uns reicht in
diesem Kampf gegen die Sünde die sittliche Kraft nicht aus, wir werden
matt und fallen erneut entweder in die uns bereits bestens bekannten
Fallstricke des Widersachers Gottes hinein und wiederholen (zum eigenen
Nachteil) die früher begangenen Fehler und Sünden.
Und dadurch, dass von uns entweder das begonnene gute Werk oder der
eingeschlagene Weg der Besserung nicht zu Ende gegangen wird, erreichen
wir auch nicht das gewünschte Ziel, kommen wir nicht in den Genuss der
positiven Früchte dieser Bemühungen. Da die betreffenden Prozesse von uns
nicht abgeschlossen werden, können wir auch nicht die Ergebnisse erzielen,
die von uns intendiert wurden, bleiben viele unserer sittlich-relevanten
Mühen teilweise sogar gänzlich wirkungslos.
Also gleichen wir dabei bisweilen einem Bergsteiger, der einen hohen und
schönen Berg besteigen möchte (wozu er sehr wohl in der Lage ist!), um da
oben eine herrliche Aussicht genießen zu können. Wir begeben uns auf den
Weg und erfahren dann auch bald die Beschwernisse der Strecke. Der lange
und steile Pfad, die Hitze der Sonne, die ersten Ermüdungserscheinungen
usw. wecken in uns die ersten Gedanken ans Aufhören. Aber wir überwinden
sie und gehen weiter.
Aber irgendwann brechen wir dann doch den Aufstieg ab und kehren um, weil
uns die Widrigkeiten und Beschwernisse des Weges letztendlich zu viel an
persönlicher Überwindung kosten. Und dann ist es auch relativ unwichtig,
ob der eine, eine etwas längere und der andere eine etwas kürzere Strecke
zurückgelegt hat. Beide verzichten durch den Abbruch ihres Aufstiegs auf
den Gipfel, beide kommen nicht in den Genuss der herrlichen Aussicht, die
sich einem dort bietet, beide können in ihrem Inneren nicht die tiefe
Freude über das Erreichen eines guten Zieles erfahren!
Somit erkennen wir, wie wichtig für uns die Beharrlichkeit auf dem
eingeschlagenen guten Weg ist, wie sehr wir die gesunde Ausdauer bei einem
jeden guten Unternehmen brauchen. Wer auf den hohen Berg der Gottbegegnung
hinaufsteigen will, der darf sich weder durch die Lasten des Aufstiegs
noch durch widrige Umstände davon abbringen lassen. Denn ein nur zur
Hälfte oder zu irgend einem anderen Teil zurückgelegter Weg bringt uns
noch nicht zum Ziel. Denn nur wenn man den Gipfel selbst erstürmt, öffnet
sich einem (im vollen Umfang) die wunderbare Welt Gottes, die alles
menschliche Erkennen übersteigt (vgl. Eph 3,19! Nur der, der bereit ist,
voll umzukehren und Gott ganz und vorbehaltlos zu lieben, kann sich auch
der göttlichen Gnade erfreuen, Seine geistige Schönheit wahrzunehmen!
Somit gilt auch in dieser Hinsicht das Wort Christi: „Wer aber ausharrt
bis ans Ende, wird gerettet werden“ (Mt 10,22).
Und dies gilt in demselben Umfang auch im Hinblick auf die Bewahrung des
überlieferten katholischen Glaubens in unseren Herzen und Gemeinden. So
mancher Katholik hatte schon bei der nüchternen Analyse der
modernistischen Revolution der so genannten „Konzilskirche“ das
Verderbliche dieser Entwicklung durchschaut und sich zunächst in seinem
Herzen dagegen ausgesprochen. Aber weil weitere notwendige Schritte der
Lossagung von der „Konzilskirche“ und des öffentlichen Bekenntnisses zum
wahren Glauben und zur wahren katholischen Kirche fehlten, wurde er dann
doch auf die eine oder andere Weise in den Sumpf des Modernismus und
Liberalismus hineingezogen bzw. ließ sich hineinziehen.
Oder jenen von diesen Gläubigen gewonnenen Erkenntnissen folgten
tatsächlich erste praktische Schritte. Dann vielleicht sogar auch etliche
weitere. Aber sie verloren dann irgendwann leider doch den Mut (aus
Menschenfurcht oder Anpassungsdrang?) und blieben auf diesem guten Weg
stehen. Das Ergebnis bleibt schlussendlich dasselbe: faule Kompromisse mit
modernistischen Ideen bzw. „Hirten“, was dann in der Folge meistens auch
vom Verlust gültiger Sakramente und des katholisch-apostolischen Glaubens
begleitet wird!
Oder katholische Gläubige und Priester haben vielleicht sogar
jahrzehntelang der modernistischen Gefahr widerstanden, sind sowohl dem
Glauben als auch der überlieferten hl. Messe treu geblieben. Aber sie
haben sich dann, was besonders traurig ist (!), doch auf die eine oder
andere Weise z.B. mit (zum Teil sogar unseriösesten) Schismatikern und
Häretikern eingelassen, haben plötzlich begonnen, diese völlig unkritisch
als rechtmäßig katholisch anzuerkennen und mit ihnen
Sakramentsgemeinschaft zu pflegen. Ob nun dem defizitäre
Prinzipienklarheit oder ganz einfach schwacher persönlicher Wille zugrunde
liegt, als Ergebnis rutschen diese Gläubigen und Priester - nach vielen
Jahren Treue zur wahren katholischen Kirche! - leider selbst ins Schisma
bzw. in die Häresie hinein und fügen der guten Sache des katholischen
Widerstandes einen enormen Schaden zu.
Nein, besinnen wir uns auch hier ständig auf Christus, auf die klaren
Lehren des Evangeliums und der katholischen Kirche. Brechen wir auch nie
willkürlich das kanonische Recht, welches aus gutem Grund erlassen wurde.
Suchen wir stets unsere Zuflucht beim Gebet und pflegen wir somit eine
innige Gottesgemeinschaft! Denn nur so werden wir - mit Gottes Hilfe - in
der Lage sein, Ihm in allem treu zu bleiben und treu zu dienen, um auf dem
Weg der Absage an die Niederungen der Sünde und des Aufstiegs zur
herrlichen und beglückenden Höhe Gottes auszuharren!
P. Eugen Rissling
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