Geistige Mitgift


Vor einigen Wochen hat der Schreiber dieser Zeilen ein Gespräch geführt mit einer Frau, die vor etwa 6 Jahren im Alter von über 40 Jahren zum katholischen Glauben zurückgefunden hatte. Zwar als Neugeborenes noch getauft, ist sie in einer ganzheitlich nicht religiösen, ja atheistischen Umgebung aufgewachsen. Und erst als sie sich vor eben einigen Jahren beruflich verändern wollte und deshalb einen Englischkurs belegte, ergab sich dort ein Kontakt zu einem gläubigen Menschen, der sie auf den überlieferten katholischen Glauben aufmerksam machte und sie dann auf dem Weg der Konversion auch begleitete. 


Und während des genannten Gesprächs brachte die betreffende Frau deutlich ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass sie überhaupt den Weg zum Glauben und zur Kirche finden sollte. Denn in ihrer Kindheit und in der Zeit danach hat sie kaum etwas bzw. nichts von der katholischen Religion mit auf den Weg bekommen, ja sie ist unter glaubenswidrigen Umständen erzogen worden. 
Aber im Lauf dieses Gesprächs kam ebenfalls zum Vorschein, dass es in der betreffenden Familie auch eine Oma gab, die noch eine tiefgläubige Katholikin war und, wie es sich herausstellte, sehr viel betete. Und wenn man diese kurze Lebensgeschichte eines Menschen hört, dann zwingt sich einem beim Nachdenken unwillkürlich die Frage auf, ob denn nicht ein innerer Zusammenhang bestanden haben konnte zwischen dem intensiven Gebet dieser Großmutter und der Rückkehr ihrer Enkelin zu Gott und zur Kirche. 

Natürlich ist jede Konversion sowohl ein göttliches Geheimnis als auch eine Art Wunder, zumal sie in unseren Breiten alles andere als alltäglich ist. Selbstverständlich kann niemand von uns, unvollkommenen Menschen, Einblick in die Vorsehung Gottes nehmen und Seine Gedanken ausforschen: „O Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind Seine Ratschlüsse, wie unergründlich Seine Wege! Wer hat erfasst die Gedanken des Herrn? Wer ist Sein Ratgeber?“ (Röm 11,33) Niemand kann auch das Wirken der Gnade Gottes in der Seele eines Menschen adäquat nachvollziehen. Denn sonst müssten wir selbst gottgleich sein, auf der gleichen Stufe stehen wie Er. 

Aber trotzdem scheinen manche Ereignisse so offenkundig zu sein, dass wir aus christlicher Sicht der Dinge berechtigt sind, hier Zusammenhänge zu vermuten. Zumal der Herr selbst die Wichtigkeit und Dringlichkeit des inständigen Flehens des Menschen zu Ihm betonte und uns auf die Wirksamkeit des beharrlichen Gebetes aufmerksam machte: „Bittet, und es wird euch gegeben; sucht, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan. Denn jeder, der bittet, empfängt; wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan“ (Mt 7,7f.) So ist es auch in unserem vorliegenden Fall nicht vermessen anzunehmen, dass das Gebet der betreffenden älteren Frau die Rückkehr ihrer jüngeren Familienangehörigen zu Gott mitverursacht hat. Jeder, der dies sieht, hat dem Herrn zu danken, dass das Gebet um die Bekehrung der Sünder hier auf eine anschauliche Weise erhört wurde, auch wenn nicht zu vergessen ist, dass sich sonst viele Gebetserhörungen gänzlich im Verborgenen vollziehen, bzw. wir persönlich davon niemals eine Kunde vernehmen. 

Der geschilderte Fall soll uns ermuntern, in unseren Gebets- und Opferbemühungen tapfer fortzufahren. Es ist nichts vergebens, kein einziger Gebetsseufzer bleibt von Gott unbemerkt. Denn was auch immer der Mensch zur Ehre Gottes, zum Zweck der Ausbreitung Seines Reichs hier auf Erden (in Entsprechung zu Seinem heiligen Willen) tut, bleibt nicht ohne entsprechende Folgen, ohne dass Sein göttlicher Segen - in welcher Form auch immer - darauf ruht! 

Der Monat Oktober, der ja in besonderer Weise dem Rosenkranzgebet geweiht ist, soll für uns ein zusätzlicher Ansporn sein, den Himmel mit unseren flehentlichen Bitten zu bestürmen. Ruhen ja auf dem hl. Rosenkranz besondere Verheißungen, legt uns die Muttergottes ja selbst dringend ans Herz (z.B. die Erscheinung von Fatima), für die Bekehrung der Sünder zu beten! So wollen wir auch weiterhin voll Vertrauen und Zuversicht in allen berechtigten Anliegen und für das Heil der Welt die Gebetsworte der Kirche wiederholen: „Heilige Maria, Muttergottes, bitte für uns, Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.“ 

Beachten wir in diesem Zusammenhang auch Folgendes. Die meisten von uns haben das Privileg erhalten, in einer katholischen Familie geboren worden zu sein, eine katholische Erziehung genossen zu haben. Das ist ja nicht selbstverständlich. Auch wurde uns in den turbulenten Zeiten des kirchlichen Umsturzes, der modernistischen Revolution, von wem und wie auch immer der Weg gewiesen, wie wir die Treue zu unserem heiligen katholischen Glauben, dem Glauben unserer Vorfahren und der Apostel, bewahren können und sollen. 

Ebenfalls wurde für uns - seitens unserer Eltern, Großeltern, Seelsorgern und anderer gottergebenen Seelen - gebetet und vielleicht auch so manches freiwilliges oder auch Entbehrungsopfer übernommen und erduldet. Das alles hat sicherlich in ähnlicher Weise dazu beigetragen, dass wir trotz aller äußeren Widrigkeiten wie auch trotz eigener sittlicher Unzulänglichkeiten gelernt haben, Gott im Maße des momentan Vorliegenden zu erkennen und auch zu lieben! 

Mit anderen Worten: unseren Glauben haben wir zum Teil vielleicht auch unseren Müttern und Vätern, Omas und Opas zu verdanken, die uns in ihr Gebet einschlossen und für uns so manche Widrigkeit aufopferten. 

In ähnlicher Weise sind nun auch wir gefordert! Bereiten wir im Rahmen des Möglichen auch unseren Kindern und Erziehungsbefohlenen einen entsprechend günstigen Rahmen, die Glaubenserkenntnisse zu gewinnen und zu vertiefen. Weisen wir der jüngeren Generation durch erklärendes Wort und eigenes gutes Beispiel ebenfalls den „Weg“, der zwar „schmal ist“, und den „wenige finden“, der aber trotzdem oder gerade deshalb „zum Leben führt“ (vgl. Mt 7,14)! 

Und eben das Gebet darf nicht fehlen, welches sowohl durch Aufopferungen der gelegentlich doch nicht unbeträchtlichen Unannehmlichkeiten und Widrigkeiten des Alltags als auch durch freiwillige Opferleistungen nur eine zusätzliche Anreicherung erhalten kann. So werden wir der nächsten Generation im Rahmen des für uns in der konkreten Lage Möglichen ebenfalls eine Art geistige Mitgift mit auf den Weg geben können, damit auch sie sich hoffentlich günstig im Glauben entwickele! 

 

P. Eugen Rissling



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