In Gottes Hand

■ Es unterhielten sich vor einigen wenigen Jahren einmal zwei Priester, die ausschließlich das überlieferte hl. Messopfer feiern und an den Glaubensinhalten festhalten, wie sie nämlich die katholische Kirche bis zum Tod von Papst Pius XII. (+ 1958) offiziell verkündet hatte, über die heutige konkrete kirchliche Situation. Da fragte der eine der beiden den anderen naturgemäß sehr besorgt, was er denn meine, wie denn die Zukunft der Kirche aussehen und was sie seiner Meinung nach bringen werde.
Nun, die Frage nach dem, was kommt, beschäftigt uns wohl alle auf die eine oder andere Weise intensiv. Dabei interessiert uns zunächst sicherlich unsere eigene Zukunft: werde ich morgen noch mein wirtschaftliches Ein- bzw. Auskommen haben, um nicht nur selbst über die Runden zu kommen, sondern um gegebenenfalls gerade auch für die eigene Familieund die Kinder sorgen zu können? Werden ich und die Meinen gesund bleiben oder werden wir uns mit einer unter Umständen sogar schweren und lebensbedrohlichen Krankheit auseinander setzen müssen und gegebenfalls schmerzlichen Verlust erleiden?
Und wie wird es mit der Erziehung und der geistigen Gesundheit sowohl der eigenen Kinder als auch der Jugend generell aussehen? In welche Richtung geht die geistige Entwicklung im eigenen Volk, Land, Staat und in der Gesellschaft? Wird das moralische, christlich-katholische Gewissen weiterhin ertötet werden oder gibt es vielleicht doch wieder einmal einen Schimmer der Hoffnung auf eine wenigstens beschränkte geistige Auferstehung bzw. auf die Befreiung von der moralischen und teilweise auch gesellschaftlich-politischen Versklavung der Völker durch die moderne liberale Welt, die den in sittlicher Hinsicht gebrechlichen Menschen an die Stelle des ewigen und heiligen Gottes setzen und somit verabsolutieren will?
Und wie wird es vor allem in der Kirche aussehen? Werden die Modernisten weiterhin ohne die sprichwörtliche Rücksicht auf Verluste ihre verderblichen Ideen durchzusetzen und den gesunden katholischen Glauben noch weiter zu verwässern, zu relativieren und “abzuschaffen” versuchen? Denn im Volk ist ja schon heute weitestgehend kaum etwas von einer echten katholischen Glaubensüberzeugung übriggeblieben. Werden der Vatikan und die modernen “Päpste” fortfahren, insofern als die von Jesus so genannten “Wölfe im Schafspelz” zu wirken, dass sie im “konservativen” Gewand erscheinend und eine überlieferte Terminologie benutzend darunter letztendlich doch ein modernistisches Gedankengut vertreten und somit die Menschen letztendlich doch in die Irre führen? Werden sie sich weiterhin nichtchristlichen Religionen, ja teilweise sogar eindeutigen antichristlichen Kräften gegenüber immer wieder anbiedernd verhalten und somit Verrat auf der ganzen Linie betreiben?
Werden zugleich die der Tradition und dem Lehramt der Kirche gegenüber treuen Gläubigen auch in der Zukunft letztendlich doch ein elendes Dasein führen und ständig ums geistige wie wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen oder gibt es auch auf diesem Gebiet Hoffnung auf Besserung der bestehenden Situation? Was bringt also die Zukunft auch für unsere Gemeinden?
■ Nun, der betreffende zweite Priester, von dem eingangs die Rede war, gab seinem Mitbruder zur Antwort, dass er doch erstens kein Prophet sei und somit beim besten Willen nicht wissen könne, was die Zukunft für die Kirche mit sich bringen werde. Und zweitens könne er doch nur in der Gegenwart das tun, was seine Pflichten und die gesamte Lebenssituation von ihm verlangen, und dann, was nämlich die Zukunft angeht, wolle er auf Gott vertrauen und zugleich hoffen, dass er dann ebenfalls die richtigen Entscheidungen treffen werde!
Und tatsächlich tragen wir ja die Verantwortung aktuell nur für die Gegenwart. Die Vergangenheit ist vorbei und in gewisser Weise abgeschlossen - sie ist von uns nicht mehr zu verändern. Gegebenenfalls können wir sie im Nachhinein entweder bedauern und bereuen, was nämlich unsere einzelnen Fehltritte und Sünden angeht, oder uns ihrer im Gegenteil erfreuen, sofern wir positive Leistungen erbracht und gute Taten begangen haben. Aber was geschehen ist, ist eben geschehen und somit nicht mehr rückgängig zu machen.
Die Zukunft dagegen befindet sich noch nicht im Bereich unseres persönlichen Entscheidungszugriffs. Wir können zwar für sie einiges erhoffen oder um ein bevorstehendes gutes Gelingen oder den Segen Gottes sogar ausdrücklich bitten. Wir können uns auf sie nach unseren eigenen Vorstellungen mental einstellen, sie aber beim besten Willen noch nicht konkret gestalten. Es wird noch der Zeitpunkt kommen, wo sie für uns dann zur Gegenwart wird, zu welcher dann auch unsere entsprechenden Entscheidung gefällt werden müssen. Jetzt aber verfügen wir noch nicht über sie - sie bleibt gewissermaßen noch Vorstellung, Erwartung, Phantasie.
■ Was sich aber im Prinzip nicht unserer Verfügungsgewalt entzieht, ist die (jeweilige) Gegenwart - hier können wir willensmäßig und objektiv sehr wohl etwas gestalten. Somit sollten wir uns - gerade im Hinblick auf unsere Sorgen und bisweilen vielleicht sogar auch Ängste um die Zukunft - auch auf die Gegenwart konzentrieren. Denn die Zukunft bewältigen wir in gewisser Hinsicht am besten heute, auf sie stellen wir uns sowohl am sinn- als auch am wirkungsvollsten ein, wenn wir uns heute überwiegend auf die Gegenwart besinnen und konzentrieren!
Ja, wir wissen nicht, was die Zukunft für die katholische Kirche bringt. Aber es wäre doch gänzlich falsch, wenn wir uns zwar massiv den Kopf über die Zukunft zerbrechen, dabei aber vernachlässigen würden, was die Gegenwart konkret an Pflichten und Aufgaben von uns erwartet. So kann und soll man sich zum Beispiel berechtigterweise fragen, ob unsere Jugend morgen den gesunden Glauben noch besitzen und unverfälscht und unverwässert an ihre eigenen Kinder weitergeben werde. Erreichen können wir aber dieses Ziel nicht allein durch viele Sorgen, sondern (neben dem Gebet!) vor allem und letztendlich dadurch, dass wir der Jugend von heute mit dem eigenen guten Beispiel einer ehrlichen und aufrichtigen katholischen Lebensführung vorangehen. Und da helfen nicht allein (sicherlich wohlgemeinte) Worte der Belehrung, Erklärung und Anleitung, sondern vor allem die eigene eifrige und gewissenhafte religiöse Praxis als katholische Christen!
Denn wenn man jemand für heute und die Zukunft die Werte des katholischen Glaubens und der christlichen Moral vermitteln will, muss man sie in der Gegenwart selbst möglichst vorbildlich (vor)leben! So unterstreicht man die Bedeutung des sonntäglichen Kirchenbesuchs vor allem durch das eigene regelmäßige Erscheinen zur hl. Messe, mag dies unter Umständen auch mit dem Opfer einer (zumutbaren) längeren Anreise oder mit sonstigen Einschränkungen oder bisweilen sogar Entbehrungen verbunden sein. Will man jemand zur inneren wie äußeren Umkehr, zu einer aufrichtigen Reue und heilsamen Beichte anleiten, gesteht man sich am besten auch selbst voll Reue die eigenen Sünden und Verfehlungen ein, korrigiert möglichst nachhaltig und dauerhaft die eigenen Fehler und übt die Praxis einer regelmäßigen Beichte ein.
Und wenn wir heute - leider berechtigterweise! - ziemlich über den Verlust einer ganzen Reihe von fundamentalen Werten der christlich-katholischen Moral, ja des allgemein-menschlichen Anstandes durch einen nicht geringen Teil gerade der gegenwärtigen jungen und mittleren Generation besorgt sein müssen, dann können wir diesem traurigen Missstand letztendlich nicht allein durch das fromme Zureden abhelfen, sondern auch und vor allem durch das eigene praktische Vorleben der Werte, die wir sozusagen predigen! Denn was z.B. die Werte der Gottesfurcht, der Ehe, der Treue, der Wahrhaftigkeit, des Anstandes, des Respekts usw. sind und bedeuten, sollen unsere Mitmenschen von uns nicht allein akustisch vernehmen, sondern vor allem an unserem praktischen Verhalten ablesen können.
Denn dann verhallen unsere Worte nicht einfach so wirkungslos in Raum und Zeit, sondern erhalten durch die eigene entsprechende Lebens- und Glaubenspraxis gewissermaßen Substanz und Überzeugungskraft - gerade ein solches Vorbild und Beispiel braucht die Jugend von heute vielleicht am allerdringendsten! Fielen ja auch die Christen der Urgemeinde in Jerusalem gerade durch ihr eigenes Lebensbeispiel auf - “sie standen beim Volk hoch in Ehren” (Apg 5,13) - und missionierten auf diese Weise sicherlich noch wirkungsvoller, als wenn sie dies allein mit bloßen Worten getan hätten!
Aber auch wenn dann die Abkehr von den falschen und leicht verführenden Idealen auf der einen und die Zuwendung zu Gott und der Wahrheit auf der anderen Seite von den Verirrten nicht sofort und unmittelbar erfolgen sollte (wovon in der Regel auch nicht unbedingt ausgegangen werden sollte), wird durch unser eigenes Lebensbeispiel eines unerschütterlichen und überzeugten Festhaltens am überlieferten katholischen Glauben und den ewigen moralischen Werten (die ja für jedermann gleichermaßen Geltung besitzen) doch ein gutes Samenkorn in ihr Herz ausgesät, welches sie dann zunächst zu einem intensiven Nachdenken und danach hoffentlich auch zum Erbringen entsprechender positiver Früchte führen möge.
Dasselbe gilt natürlich auch im Hinblick auf alle anderen dringenden Anliegen der wahren katholischen Kirche. So helfen wir zum Beispiel dem Problem der unzureichenden Einigkeit und Eintracht unter den traditionalistischen Gemeinden und Priestern - auch in Bezug auf die Zukunft - nicht dadurch ab, dass wir uns sogar auch selbst in eindeutiger Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu einer Art unfehlbarer Instanz aufspielen oder durch willkürliche Eigenmächtigkeiten “glänzen”. Nein, tiefe Demut vor Gott und persönliche Bescheidenheit, Gewissenhaftigheit in Glaubensfragen und Treue zu den Prinzipien, Sachlichkeit in Beurteilung der betreffenden Sachverhalte und Menschen und das Absehen von der eigenen Privatperson weisen den Weg sowohl zur inhaltlichen Klärung als auch objektiven Aufarbeitung der bestehenden Fragen und Probleme und gewähren dann zugleich auch gewisse Hoffnung für die Zukunft.
■ Aber auch wenn wir die Gegenwart heute nach bestem Wissen und Gewissen gestalten und uns dadurch auf die bestmögliche Weise auf die Zukunft einstellen, können wir sie dennoch nicht determinieren, das heißt im voraus fest und eindeutig bestimmen. Die Zukunft besitzt immer einen gewissen Unsicherheitsfaktor, weil sie ja unter anderem zu einem gehörigen Teil auch von den Entscheidungen der persönlichen Willensfreiheit zahlreicher Menschen abhängt, welche man ja nicht einmal im Falle der eigenen Person vorhersagen kann.
Somit wird von uns beim Gedanken an die Zukunft immer auch eine Art geistige Aktivität verlangt, welche man am zutreffendsten vielleicht mit den Worten “Vertrauen” bzw. “Hingabe an die göttliche Vorsehung” umschreiben könnte. “Vertrauen” in diesem Zusammenhang bedeutet, dass man sich sowohl der eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten bewusst ist, als auch seine ganze Hoffnung letztendlich auf Jemand setzt, der nicht nur alle Fäden in der Seiner Hand hält, sondern auch am besten weiß, wem was am besten zum Heil gereicht (wenn natürlich der Mensch den Willen Gottes erkennt, sich ihm fügt und ganz erfüllt)! Der wahrhaft gläubige Mensch vertraut Gott (er traut Ihm gewissermaßen “über den Weg”!), weil er zutiefst davon überzeugt ist, dass alles, was Er ihm schickt oder für ihn zulässt, ihn selbst nur noch weiter innerlich reinigen und geistig mit Ihm, dem Bräutigam seiner Seele, verbinden soll.
So entsteht aus dem Vertrauen Hingabe! Man überantwortet alles, was man ist und hat, darunter auch und gerade die Sorgen um die Zukunft, dem Herrgott und weiß sich bei Ihm trotz aller mächtigen Turbulenzen des irdischen Daseins letztendlich doch gut aufgehoben. Das heißt bei weitem nicht, dass man dann die Hände in den Schoß legen dürfte und sich überhaupt nicht mehr anstrengen müsste. Nein, man muss nach wie vor aktiv mit der Gnade Gottes mitwirken, damit sie sich nämlich (erst) als wirksam erweisen und entsprechende Früchte bringen kann. Aber man weiß nicht sich selbst, sein eigenes Ich als das letztendlich bewegende und befruchtende Element, sondern Den, der “das Wachstum gegeben hat. Darum kommt es weder auf den an, der pflanzt, noch auf den, der begießt, sondern auf Gott, der das Wachstum gibt” (1 Kor 3,6f). Und so sagt ein russisches Sprichwort zutreffend: “Auf Gott vertrau`, aber selbst nicht fehl`!”
Es kann bisweilen auch bei einer ganz treuen Seele durchaus vorkommen, dass sie mit Gott insofern wegen irgendeines wichtigen Problems “ringt” oder aufgrund einer großen Sorge “kämpft”, dass sie sich noch nicht ganz und unumstößlich zu der Einstellung durchgerungen hat: “Dein Wille geschehe!” Sie stellt die Frage nach dem letzten Sinn und findet noch keine entsprechende Antwort darauf. Es fehl ihr noch das letzte “Ja”, das endgültige demütige und hingebungsvolle Beugen unter den Willen und die Zulassung Gottes.
Aber wie quält sich denn da noch diese Seele?! Sie ist richtig wund, findet trotz vielfacher Mühen und mannigfacher Anstrengungen keine echte Ruhe und keinen inneren Frieden. Und erst wenn sie das betreffende Kreuz innerlich akzeptiert (und eben nicht mehr dagegen wie auch immer aufbegehrt), welches sie erwartet oder bereits auf ihre viel zu schmalen Schultern gelegt worden ist, kommt diese Seele endlich dazu, frei durchzuatmen und sowohl den inneren Halt als auch den Frieden des Herzens und die Ausgeglichenheit des Gemüts zu finden! Dann weiß sie im Grunde ihres Herzens, dass sie trotz allen Leids und Elends, welches sie vielleicht gerade durchmachen muss, doch nicht allein und verlassen ist, sondern sich im Gegenteil sogar in den Armen dessen befindet, der allem Sinn gibt! Dann bewahrheiten sich an ihr die Worte des hl. Apostels Petrus: “Der Gott aller Gnade, der euch durch Christus Jesus zu Seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit zu leiden habt, ausrüsten, stärken, kräftigen und befestigen” (1 Petr 5,10).
Und so entsteht dann aus dieser geradezu heldenhaften Hingabe an den Herrgott und Seine für uns, Menschen, letztendlich unbegreifliche Vorsehung umgekehrt wieder das tiefe und unerschütterliche Vertrauen zu Ihm, der ja “das Kranke stärken” (Ez 34,16) und keinesfalls verderben will. Man erkennt sich durchaus in Gottes Hand und wendet sich wiederum den Aufgaben und Pflichten der Gegenwart zu, um sich besser auf die Zukunft einzustellen und sie dann besser bewältigen zu können. Zugleich wird uns ebenfalls bewusst, dass wir logischerweise nur dann wirklich berechtigt sind, unser Vertrauen und unsere Hoffnung im Hinblick auf das Morgen auf Gott zu setzen, wenn wir heute gewissenhaft Seinen heiligen Willen erfüllen!

P. Eugen Rissling

 

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