Sich des Glaubens schämen?

  ■ Es ist bereits einige Male vorgekommen, dass mich plötzlich völlig fremde Menschen, offensichtlich Katholiken, kurz auf der Straße oder in einem Geschäft angesprochen und darüber ihre Freude zum Ausdruck gebracht haben, dass sich ein Priester durch sein entsprechendes klerikales Gewand in der Öffentlichkeit erkenntlich zeigte. Und praktisch jedes Mal wurde dann seitens dieser Menschen noch hinzugefügt: Ich habe den Eindruck, dass sich unsere Priester schämen, in der Öffentlichkeit als Priester zu erscheinen!
Nun, sicherlich macht das klerikale Gewand allein noch nicht einen Priester aus. Wie viele Priester und Bischöfe gab und gibt es denn, die zwar äußerlich sehr wohl als solche gekleidet sind oder waren, tatsächlich aber nicht oder kaum eine wahre priesterliche Gesinnung besitzen bzw. besaßen. Man sagt zwar im Volksmund, dass die Kleider Leute machen, wohl kaum aber gewinnt man durch das Anlegen eines Kleides automatisch die entsprechende mentale Einstellung.
Dennoch muss man jenen Menschen, die mich angesprochen haben, vollkommen Recht geben, dass sich nämlich viele der Pfarrer und Kapläne der modernistischen “Konzilskirche” anscheinend deshalb dessen schämen, was sie eigentlich sind oder sein sollten, weil sie in der Öffentlichkeit lediglich in ziviler Kleidung erscheinen. (Die Frage nach der Gültigkeit der betreffenden Weihen wollen wir hier unberücksichtigt lassen. Siehe dazu: “Ist der Ritus der Bischofsweihe von 1970 noch gültig?” in “Beiträge”/71 bzw. auf unserer Internetseite!) Man gewinnt den Eindruck, als ob sie unbedingt vermeiden wollten, in der heutigen Zeit auf der Straße als Priester erkannt zu werden (die zu sein sie ja vorgeben). Zumal es heute unter der postkonziliaren Pfarrerschaft teilweise schon als viel gilt, wenn sie an ihrem Hemd oder Anzug ein kleines Kreuzchen anbringen. Und wer sogar das schwarze Hemd mit dem Priesterkragen (Clergyman) anlegt, gilt als jemand, der aus der Reihe tanzt. Ganz zu schweigen von denen, die es wagen, eine Soutane zu tragen...!
Es liegt ein tiefer geistlicher Sinn darin und hat für den Priester selbst eine große schützende sowie für die Gläubigen und die Öffentlichkeit eine enorme pädagogische bzw. aufrufende und ermahnende Bedeutung, wenn die geweihten Kirchendiener nicht nur innerhalb der Kirchengebäude, sondern auch in der Öffentlichkeit ein entsprechendes klerikales Gewand tragen. Ich selbst erinnere mich, wie mich früher als Abiturient der gelegentliche Anblick eines Franziskaners oder Kapuziners im Habit auf der Straße wirksam an höhere bzw. himmlische Dinge erinnerte und in mir in geistiger Hinsicht etwas enorm Positives hervorrief! Und einmal wurde ein glaubenstreuer Priester, wie mir bekannt, auf der Straße von einem jungen Menschen zufällig getroffen und zu einem sterbenden Angehörigen gerufen, weil er ihn an der Soutane bereits von hinten als Priester erkannte. Und warum sollen auf der anderen Seite Menschen, die sich im Hinblick auf die Ewigkeit in einem so genannten lethargischen Schlaf befinden und oft nur noch dem “Konsumgott” frönen, nicht durch einen inzwischen extrem selten gewordenen Anblick eines Priesters in Soutane aufgeweckt bzw. sogar auch aufgeschreckt werden?
Jedenfalls schreibt die katholische Kirche ihrem Klerus das Tragen der geistlichen Tracht (je nach der Landessitte) ausdrücklich vor (can. 136 des für uns gültigen Kirchenrechts von 1917) - wer ohne einen rechtmäßigen Grund zuwiderhandelt und das klerikale Gewand in der Öffentlichkeit ablegt (so zum Beispiel in den Ländern und Gegenden, in denen es keine Christen- bzw. Kirchenverfolgung gibt), verliert (nach can. 188 n.7) sogar sein betreffendes kirchliches Amt!
■ Nun geht es uns hier hauptsächlich und in erster Linie nicht um die Frage nach der priesterlichen Kleiderordnung. Das Phänomen der zivilen Kleidung der großen Mehrheit des postkonziliaren Klerus ist nur Ausdruck einer generellen Entwicklung in der westlichen Christenheit bzw. es weist auch auf eine Tendenz innerhalb des gegenwärtigen offiziellen Katholizismus hin, die an vielem festzumachen ist und nicht wenige Lebensbereiche erfasst hat. Zusammenfassend und in aller Kürze kann man feststellen, dass man sich heute in unseren Breitengraden doch ziemlich scheut, über Religion und Glauben zu reden bzw. nicht selten eben schämt, sich zu den Glaubensinhalten und den Werten des katholischen Glaubens zu bekennen! Und so wird das Christentum immer mehr heruntergefahren - es spielt eine immer geringere bis überhaupt keine Rolle mehr sowohl in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit als auch im privaten Leben vieler nomineller Christen.
So finden es heute in den deutschsprachigen Gesellschaften praktisch alle ganz normal, dass sich auch die hier lebenden Moslems an die verschiedenen Vorschriften des Koran, wie zum Beispiel das Gebet und Fasten, halten und regelmäßig in die Moschee gehen. Das verbindet man einfach mit dem Islam und wundert sich nicht darüber. Auf der anderen Seite wird aber in nicht wenigen Gegenden Deutschlands ein Christ inzwischen als eine Art Außenseiter beäugelt und belächelt, wenn bekannt wird, dass er bestrebt ist, nach den Geboten Gottes zu leben und regelmäßig in die Kirche geht. Man ist heute eher überrascht, wenn ein Moslem seine Religion nicht lebt, als wenn ein Christ seinen Glauben insofern aufgibt, dass er nicht mehr zu ihm steht und ihn dann auch nicht mehr praktiziert - dies nimmt man in der Regel schon wie selbstverständlich auf!
Kürzlich erzählte mir ein Bekannter, dass er auf der Straße vier Nonnen begegnete und sie mit dem frommen katholischen Gruß begrüßte: “Gelobt sei Jesus Christus”. Die Nonnen hätten ihn daraufhin voll Verwunderung angeschaut ...und zunächst geschwiegen. Und erst als er sie fragte, ob sie denn nicht mehr wüssten, wie man darauf zu antworten habe, reagierten sie endlich: “In Ewigkeit. Amen.” Haargenau dasselbe passierte einer bekannten Katholikin, als ihr in einem Krankenhaus ein “katholischer” Pfarrer über den Weg lief - auch er wusste nicht mehr auf Anhieb die richtige Antwort! Und auf ihre darauffolgende zweite Frage, warum er denn in ziviler Kleidung herumlaufe, antwortete er, die Leute sollten nicht Angst bekommen, wenn sie ihn schwarz gekleidet sehen! Somit scheut sich ein vermeintlicher Priester, die Leute in einem Krankenhaus an die Ewigkeit und die so genannten Letzten Dinge zu erinnern!
Einen gewissen Höhepunkt bildet der Fall, den ein bekannter deutscher Schauspieler einmal in einer Talkshow erzählte. Als er nämlich in einer “evangelischen” Kirche heiratete, fragte ihn zuvor der betreffende Pfarrer, ob er denn einverstanden sei, wenn von ihm im Zusammenhang mit den entscheidenden Fragen der Trauungszeremonie auch Gott erwähnt werde. Denn jener Pfarrer habe gewusst, dass der betreffende Schauspieler Atheist sei, und dann gemeint, er würde die Erwähnung Gottes ganz auslassen, wenn er, der Bräutigam, sich dadurch belastet fühlen und es eben so wünschen würde!
Da darf es uns dann letztendlich auch nicht mehr wundern, wenn die moderne Pfarrerschaft eher aufbegehrt und sich - politisch “korrekt”! - empörend zu Wort meldet, wenn irgendwo in den Medien der Islam oder eine andere nichtchristliche Religion auf den Arm genommen oder belächelt werden, als wenn da sonst massenweise Spott und Lästerung der christlichen Religion und speziell der katholischen Kirche anzutreffen sind. Im ersten Fall redet man - eben von den Kanzeln - häufig von “Intoleranz”, “Respektlosigkeit”, “Fremdenverachtung”, mangelnder Nächstenliebe oder ähnlichem; im zweiten Fall hüllt man sich entweder ganz in Schweigen oder erteilt den “klugen” Rat, lieber überhaupt nicht auffallen und nicht “provozieren” zu sollen.
So ist die moderne Christenheit praktisch wehrlos geworden! Die Moslems und die Juden schreien schon bei der minimalsten Kritik an ihren jeweiligen Religionen und Verhaltensweisen sofort, man würde rassistisch, fremdenfeindlich, rechtsradikal bzw. antisemitisch sein. Und die Christen lassen praktisch alles mit sich geschehen und teilweise sogar den übelsten historischen Unfug über sich erzählen! Und durch ihre falsch verstandene Nachgiebigkeit und die um sich greifende einseitige Entschuldigungstendenz (für dies, jenes und alles) fördern sie geradezu auch noch selbst, dass man sie letztendlich nicht ernst nimmt und auf ihnen in der Folge auch nur noch “herumtrampelt”. Denn wer seinen Glauben nicht verteidigt und für ihn nicht einsteht, dem ist er leider auch nicht (mehr) viel wert!
Und so vollzieht sich parallel dazu auch noch der Prozess der Verweltlichung bzw. Entchristlichung des Christentums. Dies erkennt man schon allein daran, dass man im regulären Handel inzwischen zum Beispiel kaum eine Weihnachtskarte mit einem entsprechenden religiösen Motiv findet, wenn man sie sucht. Entweder sind da größtenteils Weihnachtsbäume, Tiere oder vor allem der so genannte Weihnachtsmann abgebildet (ohne irgendein christliches Symbol), oder “bestenfalls” eine brennende Kerze - die begleitenden Wünsche und Sprüche beinhalten äußerst selten einen spezifischen religiös-christlichen Gedanken. So wird Weihnachten heutzutage in den Medien meistens lediglich als ein Familienfest präsentiert, an dem man sich trifft, gut isst und sich gegenseitig beschenkt. Die furchtbare Kommerzialisierung der Advents- und Weihnachtszeit tut dann das übrige.
Gut karikiert diese Entwicklung die folgende Anekdote: eine Frau geht in New York zur Weihnachtszeit die Einkaufsmeile entlang. Als sie in einem der Schaufester eine Krippe entdeckt, regt sie sich plötzlich auf und ruft: “Jetzt bringen die Christen ihre Religion frecherweise schon mit Weihnachten in Verbindung”!
Und wenn demnächst Ostern kommt, werden wir im Handel wohl wieder nur Postkarten mit einem Osterhasen oder den Ostereiern vorfinden - vom auferstandenen Heiland Jesus Christus oder wenigstens von einem frommen christlichen Segenswunsch weitestgehend keine Spur! Auf diese Weise entchristlicht man ebenfalls die christliche Religion im Bewusstsein der Menschen und entsakralisiert bzw. verweltlicht ihre Glaubensinhalte!
■ Aber was können wir dagegen tun? Scheinbar nicht viel bzw. kaum etwas. Aber dennoch sollten wir uns aufgerufen fühlen, wenigstens die Chancen und Gelegenheiten zu nutzen, die sich uns bieten. Denn dafür sind wir dann sowohl vor dem Herrgott als auch vor unserer Umgebung auch verantwortlich!
So sollten wir zunächst einmal damit anfangen bzw. umso bewusster damit fortfahren, unseren Mitmenschen an Weihnachten und Ostern eben zum Beispiel nicht nur ein “frohes”, sondern vor allem auch ein “gesegnetes” Fest zu wünschen. Durch diese scheinbare Kleinigkeit wird den Angesprochenen dennoch in gewisser Weise der religiöse Charakter der christlichen Hochfeste in Erinnerung gerufen.
Ähnliche Wirkung kann erzielt werden, wenn wir die Menschen wenigstens in Gegenden, wo es früher üblich war (so in Süddeutschland, Österreich und teilweise auch in der Schweiz), eben bewusst mit einem herzlichen “Grüß Gott” begrüßen, statt wie viele gänzlich auf das profane “Guten Tag” umzusteigen. Und auch wenn das “Grüß Gott” für viele, die es noch benutzen, lediglich zu einer inhaltsleeren Gewohnheitsformel verkommen sei, sollten wir nicht vom Missbrauch einer Sache ausgehen, sondern uns an ihrem sinnvollen und richtigen Gebrauch orientieren!
Und scheuen wir uns ebenfalls nicht, in Anwesenheit eines nichtkatholischen Besuchs oder zum Beispiel im Restaurant oder in einem sonstigen Lokal das Tischgebet zu verrichten. Zwar sollen wir dabei auf keinen Fall aufdringlich wirken oder unseren Glauben äußerlich zur Schau stellen. Aber es wäre ebenfalls falsch, wenn wir auf ein solches Gebet aus Scheu oder aus falscher Rücksicht auf andere Menschen gänzlich verzichten würden. Denn sollten unsere Tischnachbarn mitbekommen, dass wir das Kreuzzeichen machen und zu Tisch beten, so würde ihnen diese Erinnerung daran, dass man für Speise und Trank stets dankbar sein sollte, alles andere als schaden!
Aber vor allem sollten wir im Maße unserer Möglichkeiten bzw. im Rahmen unserer Pflichten dafür Sorge tragen, dass das religiös-christliche Bewusstsein in dem uns wie auch immer anvertrauten Umfeld erhalten bleibt. So ist es die heilige Pflicht der Eltern und anderer Erzieher, ihre Kinder bzw. Anempfohlenen bewusst im katholischen Glauben zu erziehen, indem sie ihnen sowohl das entsprechende notwendige Glaubenswissen vermitteln als auch mit ihnen regelmäßig (vielleicht gerade gemeinsam!) beten und sich mit ihnen im gesunden Umfang auch über die entsprechenden Fragen der Religion und der Moral sachlich und ergebnisorientiert unterhalten. So lernen die Kinder und Jugendlichen am besten, dass der Glaube wesensmäßig zum Leben gehört, dass man sich Gottes und der eigenen Glaubensüberzeugung nicht zu schämen braucht, dass man solche Fragen bei Bedarf auch vor den Freunden oder auch in der Schule bewusst ansprechen sollte, mag man dabei von den anderen gelegentlich auch belächelt werden! “Was nichts kostet, ist auch nichts wert”, lautet ein Sprichwort. Und gerade unsere junge Generation sollte die wichtige Lektion lernen, dass der Glaube heilig ist und dass man für den Herrgott auch einen gewissen Einsatz zu erbringen hat!
Schämen wir uns also auch und gerade als Erwachsene unseres heiligen katholischen Glaubens nicht und scheuen wir uns nicht, entsprechend Farbe zu bekennen. Man vernimmt ja in Gesprächen immer wieder einmal gewisse Sticheleien und falsche Behauptungen gegen den Glauben, die Kirche oder den Klerus. Wenn wir dazu gänzlich schweigen sollten, würde das von der behauptenden Person und den Zuhörern in der Regel ja als ein Zeichen der Zustimmung interpretiert ...und sie in ihrer falschen Meinung sogar bestärken. Wenn wir aber den Mut aufbringen würden, wenigstens (!) durch ein klares Kopfschütteln unseren Widerspruch dazu einzulegen, würden wir dadurch nicht nur ein klares und notwendiges Zeichen setzen, sondern die Anwesenden vielleicht sogar zum ernsthaften Nachdenken bewegen.
Nicht wenige Leute besitzen anscheinend nicht den Großmut und die Ehrlichkeit, ihre eigenen Zweifel an dem von ihnen selbst Behaupteten zuzugeben. Fürchten wir uns daher umso weniger davor, dass sie uns wegen unserer auf dem überlieferten katholischen Glauben basierenden Ansichten vielleicht lächerlich machen oder als sonderbare Fremdlinge darstellen oder verschreien könnten. Da der Mensch, solange er sich in einer Gruppe befindet, ebenfalls nicht selten dem so genannten “Rudeleffekt” unterliegt, ist es nicht unbedingt 100%-ig sicher, dass unsere Kritiker im stillen Kämmerlein tatsächlich dasselbe denken, was sie vor den anderen nach außen hin artikulieren. Denn das Phänomen, dass man nämlich nicht den Mut aufbringt, gegen den so genannten main stream zu schwimmen, ist nicht nur unter Jugendlichen verbreitet, sondern auch bei nicht wenigen Erwachsenen anzutreffen. Man will halt möglichst dem entsprechen, was vom “Rudel” momentan als “cool” und “modern” vorgegeben wird, und tut dann eben seinem Gewissen einen gewissen Zwang an.
Umso mehr bedürfen dann solche Menschen eines klaren und unmissverständlichen Zeichens gegen die offizielle “öffentliche Meinung”, welches eben von jemand anders gesetzt wird! Dadurch würde man ihnen durch das eigene Bekenntnis unter Umständen vielleicht sogar helfen, die Fesseln der kleinkarierten Menschenfurcht zu sprengen und dem Teufelskreis der übertriebenen Konformität zu entkommen!
Jedenfalls wollen wir in diesem Zusammenhang auch die folgenden ernsten Worte Jesu beherzigen, mit welchen Er uns sowohl eindringlich warnt als auch Mut zuspricht: “Wer immer vor den Mensch sich zu Mir bekennt, zu dem werde auch Ich mich bekennen vor Meinem Vater im Himmel. Wer Mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch Ich verleugnen vor Meinem Vater im Himmel.” (Mt 10,32f.) Denn nicht irgendein Mensch, sondern letztendlich Gott allein ist unser Richter, und Ihm allein werden wir eines Tages Rechenschaft über unser Tun und Lassen ablegen müssen!

P. Eugen Rissling

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