Das „Sakrileg“ – Verrat an der Wahrheit

Bereits über 40 Millionen mal wurde der Weltbestseller Sakrileg, der im März 2003 in den USA unter dem Titel The Da Vinci Code erschienen ist, weltweit verkauft. Mit diesem Buch führt der Autor Dan Brown weltweit die Bestsellerlisten an. Verstärkt wurde der Erfolg noch durch die Verfilmung des Buches, die seit einiger Zeit in den Kinos präsentiert wird.

Ganz knapp zusammengefasst handelt es sich bei Sakrileg um einen Kriminalroman, in dem ein Mordfall aufgeklärt werden soll. Nach Dan Brown existiert eine Geheimgesellschaft Priorat von Zion, die als einzige Kenntnisse vom letzten Geheimnis der Nachkommen Jesu besitzt, Kenntnisse, die von der Kirche streng geheim gehalten worden seien. Das Geheimnis: Jesus war mit Maria Magdalena verheiratet und hatte ein Kind mit ihr. Die Nachfahren Jesu leben jetzt in Frankreich, da Maria Magdalena nach Jesu Tod dort bei ihren jüdischen Stammesgenossen Zuflucht gefunden habe. Dieses Geheimnis darf die Kirche natürlich nicht an die Öffentlichkeit gelangen lassen. Denn wenn es herauskommt, dass Jesus nur ein normaler Mensch war, verliert die Kirche ihre ganze Daseinsberechtigung.

Überhaupt, so behauptet Dan Brown in Sakrileg, sei es in der frühen Kirche keinesfalls allgemeines Glaubensgut gewesen, dass Jesus wirklich Gott war. Erst als Kaiser Konstantin (gest. 337) ein Konzil zusammenrief (Nizäa, 325), um Jesus zu Gott zu erklären, habe man per Abstimmung mit knapper Mehrheit beschlossen, Jesus sei Gott. Aber davor wurde Jesus durchaus als ganz normaler Mensch angesehen. Um das zu beweisen, beruft sich Brown auf gewisse alte Kodices und Schriftrollen, wie zum Beispiel die Funde von Qumran, die angeblich Jesus als bloßen Menschen darstellten. Diese seien aber nur ein kleiner Rest der Unmenge an Texten mit derselben Aussage, die von Konstantin vernichtet worden seien.

Was hat nun Leonardo Da Vinci mit all dem zu tun (der englische Titel lautet ja The Da Vinci Code)? Nach Brown war Da Vinci Mitglied der Geheimgesellschaft Priorat von Zion und wusste als solcher um Jesu Heirat mit Maria Magdalena und Jesu Nachkommen. Dieses Wissen habe er verschlüsselt in seine Werke eingebaut (so zum Beispiel in Das Letzte Abendmahl, das angeblich zu Jesu Rechten nicht den heiligen Johannes den Evangelisten darstelle, sondern Maria Magdalena zeige – ein versteckter Hinweis auf das Verhältnis zwischen Jesus und Maria). (Schick, 7-9)

Viele Leser werden vielleicht sagen „na und, ist doch nur ein Roman, da ist doch ohnehin nicht alles als bare Münze zu nehmen“. Das Problem ist nur: unter der Überschrift „Fakten und Tatsachen“ schreibt Brown in seinem Roman:

„Sämtliche in dem Roman erwähnten Werke der Kunst und Architektur und alle Dokumente sind wirklichkeits- bzw. wahrheitsgetreu wiedergegeben“ (Sakrileg, 9; zit.n. Schick, 9/10). Aber selbst wenn Brown diese Behauptung nicht gemacht hätte, so besteht doch ein Unterschied zwischen der fiktiven Handlung des Romans und dem historischen und realen Hintergrund, vor dem sie spielt. Denn wenn auch die Handlung vom Autor erfunden ist, so wird doch von der „Kulisse“ angenommen, dass sie auf wahren Tatsachen beruht. Und so bekommen Menschen wirklich Zweifel, ob denn der christliche Glaube überhaupt auf Tatsachen beruhe. Oder sie verlieren durch das Buch beinahe ihren Glauben. Oder sie sehen die geläufige Meinung bestätigt, es sei unmöglich, dass die Bibel rein und ohne Fälschungen überliefert worden sei. (Gumbel, 6)

Dieser Artikel soll einen kleinen Beitrag leisten, die wichtigsten „Fakten und Tatsachen“ in Sakrileg auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen und so ins rechte Licht zu rücken.

Dabei werden wir uns auf folgende Fragen konzentrieren: Wer war Leonardo Da Vinci? Wie gut ist die Bibel überliefert worden? Gibt es wirklich Dokumente, die sagen, Jesus sei nur Mensch? Was wurde auf dem Konzil von Nizäa festgelegt? Hat Konstantin Dokumente verbrannt? Wurde auf dem Konzil von Nizäa der Kanon des NT zusammengestellt? War Jesus wirklich mit Maria Magdalena verheiratet?


Leonardo Da Vinci

Zunächst ist festzuhalten (gemäß den Angaben des Leonardoforschers Prof. Frank Zöllner), dass Da Vinci der Wissenschaft ausführlich bekannt ist. Es ist aber nichts Außergewöhnliches an ihm festzustellen, zumindest keine Mitgliedschaft bei irgendwelchen Geheimorganisationen.

Abgesehen davon ist die Existenz einer Geheimgesellschaft Priorat von Zion (oder eines ähnlichen Namens) sowieso unhistorisch. Falsch ist auch, dass Leonardo, wie Brown behauptet, alchemistisches Geheimwissen besessen oder Folterinstrumente von bis dahin ungekannter Grausamkeit erfunden habe.

Dass von der Behauptung, Da Vinci habe in seinem Bild Das Letzte Abendmahl nicht Johannes den Evangelisten sondern Maria Magdalena darstellen wollen, nichts zu halten ist, wird jeder selber sehen können, wenn er nur einmal einen Blick auf das Gemälde wirft. Brown hat hier angefangen, willkürlich Dinge „hineinzuinterpretieren“, für die man keinerlei Anhaltspunkte finden kann. Der hl. Johannes ist hier einfach so dargestellt, wie es für Da Vincis Zeit üblich war.

Genauso phantastisch ist die Deutung der Lücke zwischen Jesus und Johannes. Da sich Johannes zu Petrus nach links beugt und Jesus ein wenig nach rechts gelehnt ist, entsteht natürlicherweise eine Lücke, die an ein „V“ erinnert - nach Dan Brown ein Symbol für den Gral, der wiederum ein Zeichen ist für den weiblichen Schoß, den Schoß Maria Magdalenas, aus dem angeblich die Nachfahren Jesu hervorgegangen sind.

Diese Lücke entsteht aber nur dadurch, dass das Gemälde den Moment darstellt, da Jesus seinen Aposteln mitteilt, einer von seinen Tischgenossen werde ihn verraten und diese sich nun in besorgtem Fragen aneinander wenden. (Schick, 34-42)


Jesus in den alten Dokumenten

Ein weiterer Punkt, der verdient, kritisch betrachtet zu werden, ist die Tatsache, dass sich Brown zur Belegung seiner Thesen bezüglich der Person Jesu und überhaupt des Neuen Testaments auf alte Quellen beruft. Vergessen wir nicht, wie oben bereits erwähnt, dass der Autor zu Beginn seines Buches bezeugt, die in seinem Roman genannten Dokumente seien wahrheitsgetreu wiedergegeben worden.

Wir begegnen heute oft Menschen, die die Authentizität der Bibel in Frage stellen. Es sei seit Jesus schon so viel Zeit vergangen und überhaupt sei es doch leichtgläubig, zu behaupten, die Abschreiber hätten nicht aus Versehen oder in böser Absicht die Texte verändert. Daher halten sie es für unmöglich oder doch wenigstens für äußerst unwahrscheinlich, dass die Texte besonders des Neuen Testamentes, die wir heute in Händen halten, nach so langer Zeit noch dieselben sind wie die von den Evangelisten verfassten. (Wir wollen also bei den folgenden Überlegungen auch diesen Gesichtspunkt im Auge behalten.)

Wie gesagt – nach Dan Brown hat Kaiser Konstantin alle Dokumente vernichtet, die Jesus als Menschen darstellen, damit niemand auf die Idee kommt, das Fundament der christlichen Religion, die er aus politischen Gründen zum Grundstein seines Reiches gemacht hatte – die Göttlichkeit Jesu nämlich – zu hinterfragen. Bei dieser Razzia seien ihm allerdings ein paar alte Manuskripte entgangen, unter anderem die Schriftrollen von Qumran am Toten Meer.

Aber die Qumranrollen enthalten keinerlei Informationen zur Person Jesu! Es handelt sich dabei vielmehr um Texte des alten Testaments und andere vorchristliche Manuskripte, und ironischerweise sind es gerade diese alten Quellen und Texte von Qumran, die uns zeigen, wie unversehrt die biblischen Texte überliefert worden sind!

So wurde unter anderem eine Rolle mit dem (bis auf ein paar Buchstaben) gesamten Text des Buches Isaias vom 2. Jahrhundert v. Chr. gefunden. Als Forscher nun spätere Texte des Isaias mit diesen Funden verglichen, stellten sie fest, dass die Überlieferung ganz ausgezeichnet ist.

Funde in einer anderen Höhle brachten dann Abschriften aller Bücher des Alten Testamentes ans Tageslicht (ausgenommen das Buch Esther). Diese konnten wiederum mit dem Text der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes von etwa 200 v. Chr., verglichen werden. Auch hier musste man wieder zugeben, dass die Septuagintaübersetzung korrekt und verlässlich das hebräische Original wiedergibt. (Schick, 45-64)

Aber auch das Neue Testament ist uns in alten Handschriften überliefert. So gibt der Codex Vaticanus (benannt nach seinem Aufbewahrungsort, dem Vatikan) neben beinahe dem gesamten Alten Testament auch große Teile des Neuen Testamentes wieder. Er wurde geschrieben ungefähr in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts. Von 350 n. Chr. stammt der Codex Sinaiticus (gefunden im Katharinenkloster am Fuß des Mosesberges Sinai). Er enthält neben großen Teilen des Alten das gesamte Neue Testament. Wir können also mit Sicherheit sagen, dass unser NT heute dasselbe ist wie das aus der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts. Damit haben wir schon mal die „kritische“ Zeit des „dunklen Mittelalters“ überbrückt, die doch für so viele voll von Betrug und Verrat am echten Glauben steckt. (Schick, 89-98)

Aber wir können noch weiter zurück gehen, denn in Kairo wurden Handschriften gefunden, die auf das zweite bis vierte nachchristliche Jahrhundert zurückgehen. Sie geben griechische Texte des Alten sowie des Neuen Testamentes wieder. (Schick, 101)

Ganz nebenbei sei hier nur kurz erwähnt, wie derartig alte Text überhaupt datiert werden können. Sehr naheliegend ist natürlich, dass man die Art der Schrift, die sich immer leicht geändert hat, mit der anderer Texte vergleicht, deren Verfassungszeit man aus ihrem Inhalt schließen kann. Man kann den Text aber auch anhand des Materials, auf dem er geschrieben ist, datieren – von anderen Manuskripten weiß man ja, wann man welches Schreibmaterial verwendet hat. Oder man untersucht das Leder oder den Papyrus selber direkt im Labor auf sein Alter. Was aber noch faszinierender ist – manche Texte wurden später zur Herstellung von Mumienhüllen oder Mumienmasken verwendet. Sie müssen also vor dem Tod dieser Person, vor oder um die Zeit der Existenz des entsprechenden Friedhofs entstanden sein. (Schick, 99)

Dann haben wir noch ein Fragment des Johannesevangeliums von 100 bis 125 n.Chr. Es enthält zwar nicht viel Text, aber was es enthält, stimmt genau mit späteren Texten überein. Außerdem ist es ein wichtiger Zeuge gegen die, die behaupten, das Johannesevangelium sei erst nach dem Tod des Evangelisten, etwa in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts entstanden und daher gar nicht von Johannes selber verfasst worden. (Schick, 102-105)

Andere Papyri von etwa 200 n.Chr. geben uns wieder mehr Information. (Schick, 108) Besonders wichtig sind in unserem Zusammenhang die Stellen aus dem Johannesevangelium, die Jesus als Gott bezeugen. So der Prolog „Im Anfang war das Wort ... und das Wort war Gott“. Oder die Stelle Jo 19,7, wo die Pharisäer Jesus anklagen, er habe sich selber zu Gott gemacht.

Oder Jo 10,33: die Juden wollen Jesus steinigen, weil er sich für Gott ausgibt.

Es ist also Unfug von Brown zu behaupten, erst seit Konstantin sei Jesus als Gott gepredigt worden. Und erst recht ist es Unfug zu sagen, die in Qumran gefundenen Schriftrollen enthalten Texte, die Jesus in ein ganz anderes Licht rücken, die ihn als bloßen Menschen darstellen. Sie sind ja, wie wir oben gesehen haben, vor der Zeit des Wirkens Jesu verfasst worden.


Konstantin und das Konzil von Nicäa

Nach Dan Brown habe Kaiser Konstantin gespürt, aus dem Christentum als der „Religion der Zukunft“ sei finanzieller Nutzen zu ziehen. Daher habe er 325 das Konzil von Nicäa zusammengerufen, welches die verschiedenen Religionen seines Reiches vereinigen sollte. Im Rahmen des Konzils habe auch darüber abgestimmt werden sollen, ob Jesus Gott sei oder nicht. Bis dahin sei ja Jesus von seinen Anhängern nur als sterblicher Prophet betrachtet worden. Die Abstimmung habe nur mit knapper Mehrheit jene Partei gewonnen, die für die Gottheit Jesu gestimmt habe. Da dies das Fundament ist, auf dem der christliche Glaube ruht, haben alle Schriften, die Jesus als bloßen Menschen darstellten, eingesammelt und vernichtet werden müssen – angeblich seien sie verbrannt worden. Die Schriften, die zu dieser Agenda passten, seien kanonisiert und verbindlich erklärt worden – sie sind unsere heutige Bibel! (Sakrileg, 319-322, zit.n. Schick, 126,137)

So lesen wir in Sakrileg:

„Hier stoßen wir auf die grundlegende Ironie des Christentums! Das Neue Testament, wie wir es heute kennen, geht auf den heidnischen römischen Kaiser Konstantin den Großen zurück“ (Sakrileg, 318; zit.n. Schick, 127);

„Keine jener Darstellungen (durfte) aufgenommen werden..., in denen Jesus als Mensch gesehen wurde, während alles, was ihn in ein göttliches Licht rückte, besonders hervorzuheben war. Die früheren Evangelien wurden geächtet, konfisziert und verbrannt.“ (Sakrileg, 322; zit.n. Schick, 126)
Was ist nun wirklich passiert?

Tatsache ist, dass Konstantin wirklich das Konzil berufen hat. Tatsache ist auch, dass einer der Punkte, die auf dem Konzil behandelt werden sollten, die Göttlichkeit Jesu war. Nicht richtig ist, dass Jesus von den Christen vor Nizäa nur als Prophet angesehen und dann sozusagen per Abstimmung zu Gott erklärt wurde. Es war vielmehr so, wie so oft bei Dogmatisierungen bestimmter Glaubenssätze, dass Jesus schon immer als wahrer Gott verehrt wurde. Als dann Arius auftrat und sagte, Jesus sei Gott nur ähnlich gewesen, nicht aber Gott gleich, dann musste die Kirche, nachdem schon entsprechend viel Schaden angerichtet worden war, für Klarheit sorgen und autoritativ-feierlich erklären und dogmatisieren, was immer schon Glaubensgut der Kirche gewesen war.

Falsch ist auch, dass Konstantin irgendwie an der Entstehung unserer heutigen Bibel beteiligt war. Für eine Bücherverbrennung unter ihm gibt es in der Wissenschaft keinerlei Anhaltspunkte. (Schick, 114, 128-137)

In Wirklichkeit war der Kanonisierungsprozess der Bibel ein sehr langer, und die Kirche war praktisch von Anfang an bemüht klarzustellen, welche Bücher wirklich von den Aposteln geschrieben wurden und welche nur diesen Anspruch erhoben, um ihren falschen Lehren Autorität zu verleihen.

So überliefert uns Eusebius (265-339) in seiner Kirchengeschichte eine Episode aus der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Serapion, Bischof von Antiochien, besuchte eine seiner Gemeinden und erfuhr dabei, dass in dieser Gemeinde ein Evangelium verwendet wurde, das angeblich von Petrus geschrieben sei. Er nahm das zunächst einfach zur Kenntnis. Als ihm aber mitgeteilt wurde, dass dieses Evangelium gar nicht von Petrus sei und häretische Lehren enthalte, sah er sich genötigt, einzuschreiten und verbot der Gemeinde, dieses „Evangelium“ weiter zu benutzen. (Schick, 129/130)

Dieser Prozess war auch nicht mit Konstantin zu Ende, sondern dauerte noch bis in die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts fort. (Schick, 135/136)


Jesus und Maria Magdalena

Dan Brown gibt uns in Sakrileg ein Zitat aus dem sogenannten Philippus-Evangelium, das lautet: „die Gefährtin des Erlösers war Maria Magdalena. Christus liebte sie mehr als seine Jünger und küsste sie oft auf den Mund“, was dann von einem fiktiven Spezialisten kommentiert wird mit den Worten: „Jeder, der des Aramäischen mächtig ist, wird Ihnen bestätigen, dass das Wort „Gefährtin“ in jenen Tagen nichts anderes als Ehefrau bedeutet hat“. (Sakrileg, 337/338; zit. n. Schick, 151).

An anderer Stelle lesen wir:

„Die Ehe zwischen Jesus und Maria ist historisch verbürgt (Hervorhebung des Autors)... es ist weitaus sinnvoller anzunehmen, dass Jesus ein verheirateter Mann gewesen ist, als der üblichen Aussage des Neuen Testaments zu folgen, die ihn als Junggesellen hinstellt“. (Sakrileg, 336; zit. n. Schick, 18)

Die Behauptung Browns, Jesus sei mit Maria Magdalena verheiratet gewesen und habe ein Kind mit ihr gehabt, ist so abwegig und so unverschämt, um nicht zu sagen gotteslästerlich, dass man sich fast schämt, darauf weiter einzugehen.

Dennoch sind hier ein paar Zeilen angebracht, besonders da Brown seine wilden Theorien wieder einmal auf angeblich historische Dokumente baut und, obwohl es sich bei Sakrileg um einen Roman handelt, der Leser auch hier wieder versucht ist zu glauben, der Autor stelle verbürgte und glaubwürdige Tatsachen dar.

Die Behauptung Dan Browns, ein zölibatäres Leben sei nach jüdischem Brauch undenkbar, ist schlichtweg aus der Luft gegriffen. Das bezeugen sogar nicht-christliche Autoren wie Philo v. Alexandrien, Josephus Flavius und Plinius, wenn sie uns von den unverheiratet lebenden Essenern berichten. (Schick, 149)

Was das Zitat aus dem so genannten Philippus-Evangelium betrifft, so ist dazu zu bemerken:

Erstens handelt es sich bei diesem Text um eines der so genannten „apokryphen“ Evangelien, welche von der Kirche als unzuverlässig eingestuft wurden, und das mit gutem Grund, denn nicht alles, was sie behaupten, ist historisch. Sie sind oft beeinflusst von gnostischen Ideen, die die Wahrheit zum Teil verstellen. (Schick, 119)

Abgesehen davon verschweigt der Autor, dass die zitierte Stelle lückenhaft ist (gerade das Wort „Mund“ fehlt). Und selbst wenn es an dieser Stelle „Mund“ heißen müsste, so ist damit noch nicht das Geringste ausgesagt. Erinnern wir uns nur, dass der Kuss in der frühen Christenheit Geste des Grußes war. (Schick, 152/153) (vgl. Röm 16,16: „Grüßt einander mit heiligem Kusse.“)

Die Behauptung, das Wort „Gefährtin“ komme aus dem Aramäischen ist falsch. Vielmehr handelt es sich hier um ein Lehnwort aus dem Griechischen. Das griechische Wort für „Gefährtin“ (koinonos) bezeichnet aber nicht eine Ehefrau, sondern eine Kameradin. (Schick, 119)

Wenn Jesus wirklich verheiratet war, warum berichtet uns dann weder irgendeine christliche noch heidnische Quelle davon? Wenn er Frau und Kinder gehabt hat, warum übergab er bei seinem Tod seine Mutter Johannes und nicht seinen Kindern?

Wenn Maria Magdalena wirklich mit Jesus verheiratet war, warum wurde sie dann nach ihrem Herkunftsort (Magdala) benannt und nicht nach ihrem Mann, was doch naheliegender gewesen wäre? (Schick, 150)

Es ist kaum zu glauben, dass sich ein Buch wie Sakrileg, das so offensichtliche und so gravierende Irrtümer oder wohl eher Verfälschungen enthält, einen Platz in der Bestsellerliste verschaffen konnte. Auf der anderen Seite zeigt das aber auch den Geist unserer Zeit an. Der große Teil der Bevölkerung bleibt stumm, wenn die übelsten Verleumdungen gegen die Kirche geschleudert werden. Viele akzeptieren unkritisch oder sogar bereitwillig die pseudowissenschaftlichen Beweise, die wieder einmal einen der angeblichen Skandale und Betrüge der Kirche aufzudecken vorgeben.

Mag sich der Autor auch noch so sehr hinter dem Vorwand verstecken, sein Buch sei nur ein Roman, so erhebt er doch selber den Anspruch, historisch korrekte Angaben zu machen. Und selbst wenn er das nicht getan hätte, so weiß er doch, dass historische Tatsachen, die den Hintergrund der Romanhandlung bilden, vom Leser als solche angesehen werden, und dass daher Verfälschungen auf diesem Gebiet durchaus den Glauben der Menschen ins Wanken bringen können.

Sind wir immer vorsichtig, wenn wir Meinungen und Aussagen begegnen, die in angeblich aufklärerischem Geist uns Thesen feilbieten, die dem Katholischen Glauben widersprechen, und lassen wir uns vor allem von ihnen nie vorschnell verunsichern. Oft müssen wir nur eine Weile warten, bis sie als Lügen entpuppt werden und die Wahrheit sich wieder ihr Recht verschafft. Sie sind kurzlebig, nur die Wahrheit bleibt bestehen.

Abschließend sei noch kurz eine Episode angeführt, die uns zeigen soll, wie viel von Sakrileg zu halten ist:
In der illustrierten Ausgabe des Buches will der Autor anscheinend das Bildmaterial liefern, das seine Thesen unterstützen soll. Er schreibt:

„Die Recherche des umfangreichen historischen Hintergrund- und Bildmaterials zu „Sakrileg“ ist für mich eine Entdeckungsreise voller Überraschungen gewesen, die nun mehr darin gipfelt, dass die Fundstücke meiner Arbeit in den Text des Romans eingestreut zu besichtigen sind.“ (Sakrileg, ill. Ausgabe, 7, zit.n. Schick, 73,74)

Um seine Behauptung zu unterstreichen, es gäbe alte Dokumente, die zeigen, dass Jesus vor Konstantin nur als einfacher Mensch angesehen wurde, liefert Brown eine Abbildung der oben erwähnten Jesajarolle.
Was der durchschnittliche Betrachter aber nicht weiß:

Das abgebildete Dokument ist mehr als hundert Jahre vor Christus entstanden und handelt daher von Jesus nur insofern, als es den kommenden Messias prophezeit. Aber es kommt noch besser. Das Manuskript ist auf dem Kopf stehend und spiegelverkehrt abgebildet. Das zeigt uns, wie viel der Autor wirklich recherchiert hat und wie viel er von der Sache versteht. (Schick, 74)


P. Johannes Heyne

 


Literaturverzeichnis:
Schick, Alexander, Das wahre Sakrileg. Die verborgenen Hintergründe des Da-Vinci-Codes. Knaur Taschenbuch 2006
Gumbel, Nicky, Das Sakrileg unter der Lupe. Antworten auf Dan Browns Theorien. Gerth Medien 2, 2006
Den Zitaten aus Sakrileg liegen folgende Ausgaben zugrunde:
Brown, Dan, Sakrileg. Bergisch Gladbach 2004.
Brown, Dan, Sakrileg. The Da Vinci Code. Illustrierte Ausgabe, Bergisch Gladbach 2005.



 

Zurück Hoch Startseite