Die heilige Theresia vom Kinde Jesu
   
Es kommt selten vor, daß jemand schon ein Vierteljahrhundert nach seinem Tode heilig gesprochen wird. Um so überraschender ist es, wenn es sich dabei nicht um eine weithin bekannte Persönlichkeit handelt, sondern um eine in strenger Abgeschiedenheit zurückgezogene Karmelitin, wie Therese Martin, die uns besser unter ihrem Ordensnamen “Theresia vom Kinde Jesu und vom heiligsten Antlitz” bekannt ist.

Die Liebe zu Jesus machte sie zu einem weit strahlenden Licht, das zahllosen Menschen in den hundert Jahren seit ihrem Tod (am 30.9.1897) zum Beispiel geworden ist. Und obwohl sie nur 24 Jahre alt geworden ist, atmen alle ihre Gedanken und Worte eine Weisheit und Liebe, die aus einem wahrhaft kindlichen, aber auch kirchlichen, Glauben entspringen. Als Novizenmeisterin des Karmels von Lisieux hatte sie die schwere Pflicht, andere auf dem Weg der Vollkommenheit Wegweiserin zu sein. Jedoch sie wurde nicht nur für ihre Schwestern, sondern für die ganze katholische Kirche ein lebendiges Vorbild, das jedem zeigt, wie er gerade in den unscheinbarsten Verrichtungen des Alltags den Weg der Gottesliebe und der Nachfolge Jesu Christi gehen soll und kann. Theresia lebte entschieden die Heiligkeit in einer “Herzenshaltung, die uns demütig und klein in den Armen Gottes macht, bewußt unserer Schwäche und bis zur Kühnheit vertrauend auf Seine Vatergüte”. Wie alle Heiligen, ist sie eine glühende Botschafterin von Gottes Liebe. Diese Liebe läßt sie gerade hinter Klostermauern die Sorge für die Rettung der Seelen der Menschen in Nah und Fern nicht vergessen. Sie stand in persönlichem Kontakt zu Missionaren in fernen Ländern und wollte selbst, gerade in ihrer Berufung als Karmelitin, selbst eine eifrige Missionarin sein, die die Mühen der Missionare in ihrem persönlichen Beten und Opfern vor Gott unterstützt. Ihr ganzes Leben wurde so zu einem Leben für die Mission, und obwohl sie niemals in ein fernes Missionsland gereist ist, verneigt sich die ganze katholische Kirche vor dieser ihrer tief missionarischen Gesinnung, indem sie sie zusammen mit dem heiligen Franz Xaverius, der bis an die Grenzen der damaligen Welt vordrang, um Christus zu verkündigen, als Patronin der Missionen verehrt.

Wie sehr ihr ganzes Leben von dieser missionarischen Gesinnung geprägt und durchdrungen war, erweisen am besten ihre eigenen Worte:

“Sie wissen ja, eine Karmelitin, die nicht Apostel wäre, würde sich vom Ziel ihrer Berufung entfernen und aufhören, eine Tochter der seraphischen heiligen Teresa (von Avila, Anm.) zu sein, die tausend Leben hingeben wollte, um eine einzige Seele zu retten” (Briefe der heiligen Therese von Lisieux, Johannes-Verlag, Leutesdorf am Rhein 1976, S 306).

“Nie könnte ich vergessen, für alle zu beten, und werde dabei auch die einfachen Priester nicht übergehen, deren Aufgabe ebenso schwierig zu erfüllen ist wie jene der Apostel, den Ungläubigen zu predigen” (Therese vom Kinde Jesus, Selbstbiographische Schriften, Johannes Verlag, Einsiedeln 1958, S.269).

Da die Mission die Menschen zu Gott führen soll, ist das Gebet um das Wirken des Heiligen Geistes unerläßlich. Theresia hat die Bitte des heiligen Apostels Paulus verstanden: “Betet auch für uns, Gott möge uns eine Tür für das Wort auftun, daß wir das Geheimnis Christi verkündigen können” (Kol.4,3).

Schon bei Ablegung ihrer Ordensprofeß hatte sie gesagt, sie sei “gekommen, um die Seelen zu retten und besonders, um für die Priester zu beten.” Immer wieder finden wir bei ihr den Wunsch: “Ich möchte Missionarin sein; ich möchte die Welt durcheilen, Deinen Namen verkünden und Dein glorreiches Kreuz in den Heidenländern aufpflanzen, o mein Vielgeliebter” (Therese vom Kinde Jesus, Selbstbiographische Schriften, Johannes Verlag, Einsiedeln 1958, S.198) “Da ich nicht Missionar der Tat sein kann, wollte ich es durch die Liebe und die Buße sein wie die heilige Teresa (von Avila), meine seraphische Mutter” (Briefe der heiligen Therese von Lisieux, Johannes-Verlag, Leutesdorf am Rhein 1976, S.285)

Als sich Theresia schon in der Krankenabteilung befand, riet ihr die Krankenschwester, täglich eine Viertelstunde spazieren zu gehen. Ihre Schwester Marie erzählt: “Ich begegnete ihr, wie sie sich mühsam und sozusagen am Ende ihrer Kräfte dahinschleppte. ‘Es wäre besser’, sagte ich zu ihr, ‘Sie würden sich ausruhen. Unter diesen Umständen kann Ihnen dieser Spaziergang unmöglich guttun. Sie erschöpfen sich, das ist alles.’ ‘Das ist wahr’, erwiderte sie, aber wissen Sie, was mir Kraft gibt? Nun ich mache diesen Spaziergang für einen Missionar. Ich stelle mir vor, daß dort in weiter Ferne einer von ihnen vielleicht erschöpft ist von seinen apostolischen Wegen. Um seine Ermüdung zu verringern, biete ich die meine dem lieben Gott dar’ “ (Ich gehe ins Leben ein - Letzte Gespräche der Heiligen von Lisieux, Johannes-Verlag, Leutesdorf am Rhein 1979, S.279).

Als die Schwestern wegen der schrecklichen Leiden Theresias, als die Tuberkulose auf den ganzen Organismus übergriff, den Himmel um Hilfe anflehten, sagte sie: “Ich bitte den lieben Gott, daß alle Gebete, die für mich verrichtet werden, nicht dazu dienen, meine Leiden zu lindern, sondern dazu, die Sünder zu retten” (Céline Martin, Meine Schwester Therese, Verlag Herold, Wien - München 1961, S.125).

Berühmt geworden ist ihr Wunsch: “Ich möchte meinen Himmel damit verbringen, auf Erden Gutes zu tun” (Ich gehe ins Leben ein - Letzte Gespräche der Heiligen von Lisieux, Johannes-Verlag, Leutesdorf am Rhein 1979, S.110).

Auch wir sollten die große Missionarin in den großen Prüfungen der katholischen Kirche heute nicht vergessen. Sie hat versprochen: “ Ich werde herniedersteigen ... Ich werde den Priestern helfen ... Ich werde den Missionaren helfen ... Ich werde der ganzen Kirche helfen” (a.a.O. S. 252, 101 u.ä. Zitiert nach: Breig Maximilian, Meditationen mit Therese von Lisieux, Johannes Verlag Leutesdorf, 2. Aufl. 1988, S. 268).



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