Die Gottesfrage

Katechesen (1981) von S.E. Dr. Günther Storck

Teil 12

Ich ... möchte zu dem zweiten Punkt kommen in der Frage der Erkenntnis: Gibt es eine echte Erkenntnis und worin zeigt sie sich?

Wir haben in dem, was wir unter dem ersten Punkt ausgeführt haben, die eigentliche Grundlage für die rechte Beantwortung auch des zweiten.

Sie werden, wenn Sie das verfolgt und anerkannt, eingesehen haben, ohne weiteres auch bestätigen können, dass ja die echte Erkenntnis, das heißt die moralische Erkenntnis - denken Sie an das, was wir über die Liebe gesagt haben -, ja nur da möglich ist, wo jemand liebt!

Sie können sich ohne weiteres klar machen: Ein Mensch, der nicht gerecht ist, der wird auch den Wert der Gerechtigkeit nicht erkennen. Ein Mensch, der nicht treu ist, kann auch den Wert der Treue nicht beurteilen und nicht vollziehen und nicht erkennen. Ein Mensch, der nicht liebt in diesem prägnanten religiösen Sinne, nehmen sie den Martyrer, nehmen sie Christus als höchstes Beispiel, der kann auch die Liebe, kann auch Gott nicht erkennen.

(Anm.: Jedes Vernunftwesen besitzt natürlich eine anfanghafte Erkenntnis dieser Werte und Wahrheiten, sonst könnte es sie ja nicht einmal sprachlich und begrifflich fassen und verstehen! "Auch die Dämonen glauben" - vgl. Jak. 2,19 -, sie erkennen also selbst in ihrer Situation Gott. Der heilige Apostel Jakobus weist aber mit Recht in Jak.11,17ff.20ff. darauf hin, dass ein Glaube ohne die Liebe und ohne gute Werke "tot" ist, also nicht zum Leben und zur Erkenntnis der Liebe und der Wahrheit im wahren, umfassenden und vollkommenen, also gottgewollten, Sinne führt!  Man muss sich für die Wahrheit lieben, will man sie wirklich finden!)

Wir haben hier ein fundamentales Gesetz, das man beachten muss und das man berücksichtigen muss, wenn man wahrhaft erkennen will. Die wahrhafte Erkenntnis ist nur für den moralisch lebenden, für den religiösen Menschen in diesem Sinne, wie wir es gesagt haben, möglich!

Dazu im Gegensatz, ja geradezu im Widerspruch, steht eine ganz andere Form der Erkenntnis, so wie sie modern ist, so wie sie an den Universitäten gepflegt wird - ich habe darauf auch schon hingewiesen -, eine Erkenntnis, die nur eine Erkenntnis des Kopfes will, die nur die Wahrheit dieser theoretischen Einsicht will, aber nicht die Wahrheit etwa der Moral anerkennt und berücksichtigt, auch nicht die Wahrheit im Leben will, sondern nur die Wahrheit im engeren Sinn des Erkennens. Denken Sie einmal daran, wie Christus im Evangelium die Kleinen preist: "Ich preise Dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies vor Weisen und Klugen verborgen, den Kleinen aber geoffenbart hast" (Mt. 11,25). Sie sehen hier den völligen Widerspruch zwischen diesen zwei Formen des Erkennens: Die Kleinen erkennen die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, den Weisen und Klugen ist es verborgen! Hier sind die Weisen und Klugen jene, die nur die Erkenntnis des Kopfes wollen, aber nicht die des Herzens, die also nicht moralisch leben und moralisch die Wahrheit bejahen und erfüllen, sondern die nur eben die theoretische Erkenntnis wollen.

Es gibt ja viele Theologen, nehmen Sie das als Beispiel, die eine ganze Menge wissen, enorme Bücher schreiben, die sozusagen meterweise Literatur produzieren, die wissen enorm viel und sie wissen zugleich im wahrhaften, religiösen Sinne nichts! Sie haben keine Erkenntnis, wie der Herr ja sagt. Und warum nicht? Weil sie Gott nicht gehorsam sind!

Das ist der Grund dafür, dass das Kreuz Christi den Weisen und Klugen eine "Torheit" ist (vgl. 1Kor. 1,18ff.)! Während sich für den, der religiös eingestellt ist, der Gott annimmt, der Gott bejaht, der Gott gehorsam ist, sich im Kreuz gerade die Fülle der Weisheit Gottes offenbart!

Hier ist der Widerspruch zwischen der Weisheit der Welt und der Weisheit Gottes, die sich im Kreuze gerade manifestiert! Für die Welt ist die Weisheit Gottes "Torheit", für den religiösen Menschen ist die "Weisheit" der Welt gerade Torheit! So einschneidend geht diese Grenze, besteht der Widerspruch gerade an der Frage, ob man Gott anerkennt und Ihn bejaht, ob man Gott liebt oder nicht!

Der religiöse Begriff der Erkenntnis, ich darf es nochmals zusammenfassen, schließt die Moral, schließt  die Erfüllung des Willens Gottes und schließt vor allem die Liebe in der Erfüllung des Willens Gottes ein!

Wenn der Herr sagt: "Niemand erkennt den Sohn als der Vater und niemand erkennt den Vater als der Sohn und der, dem der Sohn es offenbaren will" (Mt. 11,27), dann ist hier mit "Erkennen" dieser Vollsinn des Erkennens gemeint, der die Liebe einschließt. Das ist sehr wichtig, das zu sehen, sonst versteht man im Grunde überhaupt nichts! Das ist der Sinn des Erkennens, der auch im Johannesevangelium eine so große Rolle spielt. Erkennen und Lieben sind hier eins!

Im Sinne der Welt bedeutet aber - denken Sie einmal an das, was im heutigen Studium "Erkenntnis" bedeutet, denken Sie einmal an das, was heute "Theologie" ist oder was heute Naturwissenschaft ist, an die Vergötzung dieser Form von Wissenschaften, die völlig ohne moralische Einstellung, ohne geistlich-asketische Reinigung betrieben wird - diese Form von Wissenschaft ist natürlich überhaupt ohne Liebe und sie wird ohne Liebe vollzogen! Und sie versteht sich gerade als Ideal auch ohne Liebe! Das ist aber eine Form der "Wissenschaft", die überhaupt nicht zur echten Erkenntnis führt! Diese (verkehrte) Form der Wissenschaft ist natürlich auch dem einfachen Menschen völlig verborgen, mit Recht verborgen. Er braucht sie auch nicht, sie ist ihm fremd! Und man kann sie gar nicht in das Leben übertragen! Denken Sie etwa einmal an die Theologie von Rahner oder Küng oder wen Sie nehmen wollen. Das ist gar keine echte Erkenntnis! Und sie kann dem religiösen, dem einfachen gläubigen Menschen nicht nur nichts geben, sie macht das einfache, gläubige und religiöse Verhalten geradezu unmöglich! Hier haben Sie den Widerspruch!

 

(Fortsetzung folgt)

Zurück Hoch Startseite