Die Kraft des Glaubens

Predigt von S.E. Bischof Günther Storck vom 19.04.1982
aus dem Gesprochenen leicht überarbeitet

„Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube“, so lautet der große Satz aus der Lesung des hl. Johannes des Apostels und Evangelisten. Hier in diesem Wort und in der ganzen hl. Schrift und Offenbarung ist das Schicksal Jesu Christi unser Schicksal, ist das Leben Jesu Christi unser Leben, ist der Tod Jesu Christi unser Tod. Wie ist das vorzustellen?
Wir haben immer wieder davon gesprochen, dass wir das gleiche Los und Kreuz zu tragen haben (wie Jesus), mit dem Kreuz aber (auch) Anteil am Leben (Jesu) haben. Und das sind im Grunde, auch wenn man von zwei Ereignissen spricht, dem Tod und der Auferstehung Christi, unserem Tod und unserer Auferstehung zu neuem Leben, gar nicht zwei verschiedene Ereignisse, sondern (es ist) dasselbe Geschehen, das man von dieser einen Seite, dem Sterben und Tod gegenüber der Sünde, und dem anderen Ereignis, dem Auferstehen zum neuen Leben, sehen und charakterisieren kann. Im Grunde ist es das gleiche Leben, das Leben Gottes nämlich. An ihm hat Jesus Christus wesenhaft Anteil, und wir haben an ihm als Kinder Gottes, und das heißt als Adoptivkinder, durch die Gnade Gottes nämlich, teil.
Wenn man sich einmal darauf besinnt, dass die Gnade für den Christen die Art, die Form der Teilhabe am Leben Gottes ist, dann wird man vielleicht daran denken, dass das in der Regel, wenn (nämlich) ein Christ oder die Theologie davon spricht, ein sehr blasser Begriff ist, der nicht mehr die Fülle des Lebens ahnen lässt, die dieser Begriff (der Gnade) eigentlich haben kann und soll. Der hl. Paulus spricht an mehreren Stellen seiner Briefe davon, dass die Herrlichkeit des Vaters, die in der Auferstehung Seines Sohnes wirksam war, in uns, Christen, im Glauben wirksam ist. Und jetzt sehen wir, wieso wir Christen dadurch, dass wir glauben, am Leben Gottes teilhaben - durch die Gnade, durch die Herrlichkeit, durch die Macht Gottes, die Christus von den Toten auferweckt hat. (Und) dieselbe Macht wirkt (nun) in uns.
Wir kennen alle das große Wort Jesu Christi aus dem Johannes-Evangelium: „Wenn Ich erhöht sein werde, werde Ich alle an Mich ziehen“. Hier sehen wir: das ist die Wirksamkeit, die machtvolle Wirksamkeit dieser Gnade Gottes, die uns an sich, an Sein heiliges Herz zieht!
Es handelt sich hier (also) nicht um einen nichtssagenden Begriff, der sozusagen nur eine Verlegenheit zum Ausdruck bringt, wie es tatsächlich bei vielen Theologen der Fall ist - der Begriff der Gnade spielt ja in der modernen Theologie nahezu keine Rolle mehr, was (natürlich) tiefgreifende Ursachen und Voraussetzungen hat. Im Leben der Offenbarung, im Leben der Christen aber spielt er die entscheidende Rolle - diese Wirklichkeit der Gnade, die in uns wirksam ist.
Und ich möchte Sie besonders darauf hinweisen, dass wir, wenn es so ist, dass die Gnade Gottes unser Leben ist, durch den Heiligen Geist, dann überhaupt gar keinen Grund zur Verzweiflung haben! Wir müssen nur ganz fest und entschieden auf diese Wirklichkeit des Lebens Gottes, die in uns wirkt, schauen und achten. Und wir müssen diese Wirklichkeit der Gnade in uns mit aller Kraft und Entschiedenheit fördern, am wesentlichsten natürlich dadurch, dass man auf die Liebe Gottes so eingeht, wie sie es will. Aber dann (kann dies) im Grunde durch jede gute Tat, durch jedes gute Werk, durch jeden guten Gedanken, durch jeden wirklichen Entschluss (geschehen), der diesen Namen verdient. Gehen wir auf diese Gnade ein und fördern wir dieses Wachstum, diese Lebendigkeit der Gnade in uns. „Das ist der Sieg, der die Welt überwindet.“
Und deshalb haben wir in dieser Weise durch das Leben der Gnade am Leben des auferstandenen Christus teil! Und haben wir am Leben teil, haben wir auch schon am Sieg teil. Freilich unter Anfechtungen, unter Bedrängnissen, in Nöten, in Sorgen, sogar in Verfolgung. Aber das alles hindert nicht, dass wir im Zentrum unseres Lebens gerettet sind, erlöst sind, (indem wir nämlich) teilhaben am Leben des Auferstandenen. Und deshalb, weil wir teilhaben, brauchen wir uns nicht (übermäßig) zu sorgen, brauchen wir nicht zu verzweifeln. Gott kennt uns, Er kennt unsere Lage und Er sorgt sich um uns, (bisweilen) nimmt (Er uns) unsere Sorgen sogar ab. Wir sollen alle Sorgen auf Ihn werfen.
Besonders möchte ich noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen, der von größter Bedeutung ist, dass Gott nämlich die Wahrheit ist, vor der alles offen ist. Natürlich auch das Innerste meines Herzens. Wenn aber alles offen ist, dann ist auch mein guter Wille vor Ihm offen, dann ist mein Interesse vor Ihm offenbar - das Interesse meines Herzens, Ihn zu lieben und Seine Gebote zu beachten und zu erfüllen. Und dann dürfen wir (im Sinne der lebendigen Zuversicht) sicher sein, dass Gott uns auch annehmen wird. Und dass Er alles das, was unvollkommen ist (in meinem Leben), barmherzig ansehen wird. Weil wir gerade auch in dieser wahnsinnigen und irrsinnigen Zeit als Christen zu leben gesucht haben und nicht bereit waren, Ihn zu verraten oder zu vergessen.
Was ist das für ein Wunder, dass Gott die Wahrheit ist und dass Er uns zur Erkenntnis der Wahrheit berufen hat, wenn man sieht, mit welchen Finessen die Gegner der Wahrheit, gerade in unserer Kirche, arbeiten und die Menschen zum Abfall (vom Glauben), zum Unglauben, zur Unmoral verführen! Welches Wunder, dass diese lebendige Wahrheit Gottes, die sich geoffenbart hat und uns Anteil an der Erkenntnis der Wahrheit gegeben hat, uns auch heute führt, bis wir das Ziel erreicht haben! Dadurch wird unser Leben sinnvoll. Und das ist ja unser großer Trost. Mag auch geschehen, was will - wir können es nicht überschauen, wir können es nicht wissen -, wenn ich fest bin im Glauben, dann wird mein Leben, und zwar durch Gott, sinnvoll.
Und wir erfahren es ja wenigstens gelegentlich, dass dieses Leben im Glauben sinnvoll ist. Wie das Leben des Ungläubigen immer mehr sinnlos wird, so wird im Glauben das Leben immer mehr sinnvoll und sinnerfüllt. Und deshalb können wir mit der ganzen Zustimmung des Herzens „Ja“ sagen zu Gott. Wenn wir Ihn auch unter so bedrängenden Umständen loben, weil wir wissen, Er macht alles gut - wenn wir nur im Glauben festhalten, wenn wir nur den Glauben wachsen lassen wie das Senf- und Saatkorn.
Und rufen wir doch immer diese Macht Gottes an, diese Gnade Seines Heiligen Geistes, die in uns wirkt und der uns antreibt. Vielleicht sehen wir das oft gar nicht oder nehmen es nicht wahr. Und doch ist es ein ganz lebendiger und energischer Antrieb, eine Kraft Gottes, die in uns wirkt und an Sein Herz zieht. Wie wunderbar, dass Gott uns so liebt, dass Er uns diesen Heiligen Geist in unser Herz gesandt hat. An Ihm haben wir schon jetzt Anteil und werden einmal offenbar und endgültig für alle Ewigkeit Anteil haben.
Und deshalb wollen wir tapfer alles das tragen, was uns jetzt als Kreuz auferlegt ist. Wir wollen nicht auf uns schauen, sondern auf den Anführer unseres Glaubens, Jesus Christus, der uns (beim Kreuztragen) vorausgegangen ist, der die Todesgrenze überschritten hat, der uns begleitet und führt mit Seiner Gnade in der Kraft des Heiligen Geistes.
Und so kommt aus dem Glauben immer auch die Kraft des Ertragens und auch die Kraft des Trostes und der Hoffnung auf den lebendigen Gott. Weil wir Gott haben, wird unser Leben in Ihm, in Ihm allein, sinnvoll. Und wie schlimm das Leben der Menschen, die auf eine andere Karte setzen. Auf einen „Gott“ nämlich, der nur ein Götze ist, der nicht lebendig ist, der nicht die Wahrheit ist, sondern Scheingott ist. Wie grausam (wird) dieses Erwachen für Menschen (sein), wenn sie das erkennen müssen, weil sie Gott (nämlich) nicht wahrhaft geliebt haben. Reinigen wir unser Herz immer mehr, dass wir Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele lieben.
Und bemühen wir uns doch, so jeden Tag und jede Stunde des Tages zu verbringen, dass wir möglichst maximal und optimal Frucht bringen. Dadurch wird unser Leben schon jetzt sinnvoll. Dadurch kommt die große Einheit in mein Leben zwischen der Seele und dem Leib, zwischen dem, was ich glaube und wie ich lebe, zwischen Wort und Tat. Diese große Einheit schenkt mir (dann) schon jetzt die innere Erfüllung und Seligkeit, mag auch die Welt so im Argen liegen, wie sie es ja auch tatsächlich tut.
(Bei feierlichen Anlässen wird einem) die ganze Herrlichkeit der (wahren) Religion, des Glaubens an Gott (besonders bewusst). (Jesus) beruft uns (im weißen Kleid) zur Taufe und lässt uns bei der Erstkommunion (wiederum im weißen Kleid) am Gastmahl Seines Sohnes teilhaben. Er wird uns auch vor Sein Gericht ziehen. (Hoffen wir, wir werden dort wiederum im weißen Kleid erscheinen können.) Wenn der Mensch getauft wird, dann spricht die Kirche in dem Augenblick, da sie dem Täufling das weiße Kleid überreicht, er möge dieses weiße Kleid makellos tragen und bewahren bis zu dem Zeitpunkt, da er vor den Richterstuhl des Herrn tritt.
Wie wunderbar diese Symbolik! Das weiße Kleid ist Ausdruck des makellosen Herzens. Insofern ist es eine lichtvolle Erscheinung der Herrlichkeit der neuen Schöpfung (in Christus). Gott schenkt uns in der Taufe ein makelloses weißes Herz und lehrt es uns zu bewahren. Wenn wir es durch ein heiligmäßiges Leben fördern, dann dürfen wir mit Ruhe, Fassung und (sogar auch mit einer gewissen) Gelassenheit vor den Richterstuhl Christi hintreten, um dann das ewige Leben in Besitz zu nehmen!


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