"Nur in den Armen können wir Gott etwas schenken."
 


Hl. Franz von Assisi


Den Menschen geht es immer besser: Verglichen mit 1975 konsumieren die Erdbewohnerinnen und Erdbewohner heute sechsmal mehr Güter und Dienste was sich zur astronomischen Zahl von 24 Billionen Dollar addiert. Nicht alle aber profitieren: Das reichste Fünftel der Weltbürger konsumiert 86 Prozent der global hergestellten Güter", hält der "Bericht über die menschliche Entwicklung 1998" des Uno-Entwicklungsprogramms (UNDP) fest. Die Ungleichheit hat gemäß der Studie weiter zugenommen: Die Einwohner der reichsten Industrieländer (20% der Weltbevölkerung) verdienten 1995 laut Schätzung 82mal mehr als die ärmsten 20 Prozent. 1960 war es erst das Dreißigfache. "Es besteht", so die Studienautoren "eine außerordentliche Konzentration von Reichtum auf eine kleine, ultrareiche Gruppe." Ein Vergleich: "Das Vermögen der 84 reichsten Personen übersteigt das Bruttoinlandprodukt von China", wo immerhin 1200 Millionen Menschen leben.

Die jährlichen Zinsen der 225 reichsten Personen würden mehr als genügen, um für alle Menschen auf der Welt ausreichende Ernährung, elementare Bildung, Gesundheitsversorgung, sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen auf Dauer bereitzustellen, verkündet der Bericht weiter. Denn es wären nicht mehr als 40 Milliarden Dollar pro Jahr erforderlich. "Dies sind weniger als 4 Prozent des Gesamtvermögens der 225 reichsten Personen auf der Welt."

Soweit ein kurzer Auszug aus einem Bericht des Schweizer "Tages-Anzeiger" vom 10.September, der noch weitere Zahlen vorstellt: Jährlich werden für Rüstung weltweit 780 Mrd. US-Dollar ausgegeben, für Rauschgift 400 Mrd., für alkoholische Getränke in Europa 105 Mrd., für Zigaretten allein in Europa 50 Mrd., 35 Mrd. wird in Japan zur Unterhaltung für Geschäftsleute aufgebracht, für Hundefutter wird in Europa und den USA zusammen 12 Mrd. bezahlt, 12 Mrd. werden für Parfüms in Europa und den USA aufgewendet, dazu werden in den USA Kosmetikwaren im Wert von 8 Mrd. Dollar gekauft, und der Jahreskonsum an Eiscrème in Europa beläuft sich immerhin auf 11 Mrd. Dollar jährlich.

Bedenkt man, daß für eine grundlegende Ernährungssicherung und Gesundheitsversorgung laut diesem Bericht für alle weltweit nur 13 Mrd. Dollar, Gesundheitsleistungen für alle Schwangeren nur 12 Mrd., Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle nur 9 Mrd. und Grundbildung für alle nur 6 Mrd. Dollar zusätzlich kosten würden, dann zeigt sich, daß ein Großteil der wohlhabenden Menschen, und dazu gehören wir in Mitteleuropa fast alle, zu wenig mit den unzählbaren, oft in katastrophalen und menschenunwürdigen Verhältnissen lebenden Menschen, teilt.

Die Menschwerdung des Gottessohnes, der freiwillig die Armut auf sich nahm und in der Ausgestoßenheit eines Stalles zur Welt kommen wollte, um uns alle reich zu machen, muß uns immer wieder neu dieses Problem bewußt werden lassen und uns zu guten Taten anspornen. Sie zeigt uns aber auch, daß der irdische Reichtum allein vielmehr eine Gefahr als ein Nutzen ist, weil er uns vom wahren Reichtum fernhält.
Wir können als Jünger Jesu Christi "Armut" nicht nur im materiellen Sinne verstehen. Es geht in unserem Leben darum, den wahren Reichtum zu entdecken, den "Schatz im Acker" zu finden, von dem Jesus spricht (Mt.13,44ff.), "einen unvergänglichen Schatz im Himmel, an den kein Dieb herankommt und den keine Motte zerstört" (Lk. 12,33). Zugleich damit ermahnt uns Jesus: "Verkauft, was ihr habt, und gebt davon Almosen" (ebd.). Diesen Schatz finden und erwerben kann nur, wer "arm im Geiste" (Mt.5,3) ist, wer sein Herz vom Irdischen zum Himmlischen, zu Gott erhebt und von ihm erhoben wird. Die Sendung des Jüngers Jesu besteht darin, die Menschen zu diesem wahren Reichtum zu führen.

Nur einige Arme haben in Bethlehem das Wunder der heiligen Nacht gesehen und erfaßt. Wichtig ist, daß auch wir zu diesen Armen hinausgehen, um diese heilige Freude an Gott erfahren zu dürfen.
So gesehen und in dieser rechten Einstellung sind materiell Arme in Wirklichkeit oft viel reicher als materiell Begüterte, ja ihr Leben ist an Wahrheit, Humor und Liebe im Verhältnis zu ihrem bescheidenen Dasein oft unermeßlich und ungeahnt reich. Materieller Reichtum führt leicht zu Anmaßung, Unzufriedenheit und Unersättlichkeit. Das Leben geht schnell in einem falschen Schein unter, und das Wesentliche geht in der Überfülle des vordergründig Beeindruckenden verloren. Reichtum an Gütern führt zu Vereinnahmung durch sie, macht das Herz leer, die Beziehungen oberflächlich und hohl; wahre Erfüllung und Freiheit findet man anders.

Wir alle kennen das Wort Jesu, daß eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als ein Reicher ins Himmelreich (vgl. Mt.19,24). Ja Er sagt sogar: "Wehe euch, ihr Reichen! Ihr habt schon euren Trost! Weh euch, die ihr jetzt satt seid! Ihr werdet hungern! Weh euch, die ihr jetzt lacht! Ihr werdet trauern und weinen! Wehe, wenn alle Welt euch umschmeichelt! Ihre Väter haben es ja mit den falschen Propheten ebenso gemacht!" (Lk.6,24). Und im Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus findet der Reiche ein schlimmes Ende, der Arme aber geht ein in den Schoß Abrahams (vgl. Lk.16,19ff.).

Wie? Darf man nicht mehr lachen, ist es schlimm, sich zu sättigen oder schon verdächtig, wenn einen andere einmal loben oder wenn man einmal ein Fest feiern möchte? Darf man sich an nichts Schönem mehr freuen?

Den Worten Jesu kann man sich nicht so leicht entziehen, sie sind nicht einfach. Man soll sie ruhig so nehmen, wie sie gesagt sind, aber man soll sie auch so verstehen, wie sie Jesus gewollt hat.
Jesus selbst vergleicht das Himmelreich öfter mit einem "Hochzeitsmahl", den Ruf Gottes an uns Menschen mit einer Einladung Gottes zu einem Fest. Ja er verwandelt sogar Wasser in Wein und vermehrt die Brote, so daß alle satt wurden (vgl. Lk.9,17).

Dennoch weist Jesus durch alle Gleichnisse und Handlungen auf einen unermeßlich größeren Reichtum hin als alle irdischen Güter uns zu bieten vermögen. Was Er uns schenken möchte, führt über alles nur menschlich Vorstellbare hinaus: Es ist das Reich Gottes, ja noch mehr: es ist Gott selbst. Gerade dazu ist Gottes Sohn Mensch geworden, um sich uns selbst zu schenken.

In Jesus zeigt sich auch die wahre Bedeutung aller Dinge. Sie sind geschaffen für den Menschen, aber nicht, damit er dem Egoismus fröne, sondern damit er sie in Liebe und für die wahre Liebe in rechter Weise gebrauche. Nur so findet der Mensch zur Erfüllung und zur wahren Freude, für die Gott die Welt erschaffen hat.

Mit dem irdischen Reichtum, den wir mit den Armen teilen sollen, sollen wir deshalb noch viel mehr den Reichtum des Evangeliums, der Frohbotschaft, die Jesus verkündet, teilen. Denn der Mensch kann vom irdischen Brot allein nicht leben (vgl. Dt. 8,4; Mt. 4,4). Jesus allein ist das Brot, welches "der Welt das Leben spendet" (Joh. 6,33).

Maßstab für alles soll immer die Liebe sein. Wahre Liebe läßt nicht zu, daß irdischer Reichtum die Stelle Gottes für sich beansprucht (vgl. Lk. 16,13). Vielmehr sollen wir den "ungerechten Mammon" für höhere Zwecke dienstbar machen (vgl. Lk.16,9), ja er soll der Liebe dienen.
Die Geburt Jesu im Stall zu Bethlehem vor 2000 Jahren ruft immer neu die Frage wach, wo Gott denn bei uns im Herzen wohnt. Ist Er der Ehrengast, oder nehmen andere Dinge Seinen Platz ein? Haben wir für Ihn etwa nur noch am Rande etwas übrig, den "Stall" draußen? Messen lassen muß sich unsere Liebe daran, wie wir mit dem Mitmenschen umgehen. "Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt. 25,40).

Sind wir uns des Reichtums bewußt, den Jesus Christus uns mit Seiner Menschwerdung geschenkt hat?
Vergessen wir nicht den Hunger der Menschen, den Hunger nach Brot und den Hunger nach Leben. Und vergessen wir nicht, daß Jesus das wahre Leben auch durch uns anderen geben will. Müssen wir uns nicht immer noch mehr darum bemühen?


 

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